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adidas ARENA - Herzogenaurach

© ArgeWoS Foto: Marc Pfeiffer

Preisträger
Ingenieurpreis des Deutschen Stahlbaus 2019
ARGE: Werner Sobek Stuttgart AG mit stahl + verbundbau GmbH und Züblin Stahlbau GmbH

Laudatio
Mit der Konzernzentrale „adidas ARENA“ wurde ein architektonisch und ingenieurtechnisch außergewöhnliches Bauwerk realisiert. Die drei Obergeschosse mit hochmodernen Arbeitsplätzen in flexibler Grundrissstruktur ruhen über dem Gelände auf 67 V-förmig angeordneten Stützen und werden von einer weitgespannte Foyertreppenanlage erschlossen. Das in einer Gartenanlage eingebettete Erdgeschoss bildet zugleich den Zugang zur „World of Sports“.

Zur Realisierung dieses anspruchsvollen Hochbauprojektes war eine enge Zusammenarbeit zwischen Planern, Baufirmen und dem Prüfingenieur erforderlich. Der integrale Planungsansatz erforderte eine intensive Verzahnung der verschiedenen Leistungsphasen vom Entwurf bis zur Bauausführung.

Das multifunktionale Stahl- und Verbundtragwerk steht in Harmonie mit Architektur und Funktion. Zur Steigerung der Flexibilität in den Geschossen wurde auf Diagonalen und aussteifende Wände zugunsten von Vierendeelrahmen verzichtet. Durch die Anwendung von Ingenieurmethoden konnten die Maßnahmen des passiven Brandschutzes optimiert werden. Mit der Entwicklung eines Montagekonzeptes, dass die Vormontage und den Hub der Obergeschosse vorsah, konnten die Qualität und Wirtschaftlichkeit der Baumaßnahme gesteigert werden.

Die „adidas ARENA“ ist ein herausragendes Beispiel für den Einklang von anspruchsvoller Architektur und Tragkonstruktion. Mit innovativer Ingenieurbaukunst wurden viele Neuentwicklungen der Stahl- und Verbundbauweise technisch umgesetzt und in überzeugender Weise gelöst.

19.11.2018/ Die Jury

Erläuterungsbericht zur Einreichung beim 'Ingenieurpreis des Deutschen Stahlbaues 2019' von ARGE
Werner Sobek Stuttgart AG mit stahl + verbundbau GmbH und Züblin Stahlbau GmbH


Aufgabenstellung
Der Gebäudekomplex adidas Arena – World of Sports in Herzogenaurach besteht aus einem in die Landschaft integrierten Erdgeschoss, über dem ein dreigeschossiger Überbau der Abmessungen 143 x 118 m zu schweben scheint. Dieser Eindruck wird durch sechs große, durchgängige Lichthöfe und schlanke, in unregelmäßigen Abständen angeordnete Stützen betont. Die Erschließung erfolgt zentral in Gebäudemitte durch einen in einer Richtung sehr schlanken Kern sowie durch eine weitgespannte, skulpturale Foyertreppe.

Bei diesem anspruchsvollen Bauvorhaben stellten sich für den Überbau folgende, umfassende Planungsaufgaben:

  • Entwicklung eines multifunktionalen Tragwerks in Harmonie mit dem architektonischen Konzept.
  • Integration eines hohen haustechnischen Installationsgrads bei gleichzeitiger Minimierung der Konstruktionshöhe.
  • Bemessung, Schwingungsnachweis und Konstruktion der Foyertreppe.
  • Bemessung und Konstruktion schlanker, hoch tragfähiger Stützen zum Lastabtrag des Überbaus.
  • Ableitung und Entwicklung eines Montageverfahrens einschließlich Nachweisen von Bau- und Zwischenzuständen.


 © ARGE WoS  Foto: Marc Pfeiffer

Lösungsweg
Für die komplexen Planungsaufgaben wurde ein mehrstufiger Prozess durchgeführt:

Phase 1: Entwurfs- und Genehmigungsplanung mit Leitdetails:

Als Tragwerk für den Überbau wurde durch WSS ein 3D-Gesamttragwerk aus 4 ebenen, biegesteifen Trägerrosten mit orthogonal angeordneten Hauptträgern in Stahlverbundbauweise und biegesteif angeschlossenen Innenstützen aus geschweißten Stahlhohlprofilen im Raster 8,1 x 8,1 m entwickelt und nachgewiesen. Besonderes Augenmerk lag hierbei auf der Erfüllung aller Anforderungen an Tragfähigkeit, Gebrauchstauglichkeit und Komfort im Einklang mit den durch unregelmäßige Stützenabstände hervorgerufenen großen Spannweiten. Die Trägerdimensionen sind optimiert hinsichtlich den variierenden Beanspruchungen infolge der unregelmäßigen Lagerung sowie den das Gesamttragwerk unterbrechenden Lichthöfen. Für Trägeranschlüsse wurden Leitdetails entwickelt. Die vier Geschossdecken werden als Verbunddecken dimensioniert, die sich ebenfalls am Gesamttragverhalten beteiligen. Durch hohe Träger mit Installationsöffnungen und einer in Untergurtnähe angeordneten Geschossdecke konnte eine Hauptinstallationsebene geschaffen und somit einem hohen haustechnischen Installationsgrad Rechnung getragen werden. Die Stahl-/Verbundkonstruktion ist im Endzustand sichtbar, als Brandschutz wird ein reaktives, dämmschichtbildendes Beschichtungssystem vorgesehen.

 

 

 

Phase 2: Optimierungsprozess (Value Engineering):

In dieser Phase wurden die ausführenden Unternehmen der Schlüsselgewerke eingebunden. Mit der Fachkompetenz und baupraktischen Erfahrung der ARGE WoS Stahlbau wurden Ideen entwickelt, die Bauteile und Anschlüsse auch im Hinblick auf die Entwicklung eines geeigneten Montageverfahrens des Tragwerks auszulegen.

Im Einzelnen wurde von der ARGE WoS Stahlbau ein neuartiges Bemessungskonzept im Brandfall untersucht, um die Nebenträger ohne dämmschichtbildendes Brandschutzsystem ausführen zu können.

Darüber hinaus wurden die den Überbau tragenden Schrägstützen statt als Schleuderbeton- als Verbundstützen mit hochfesten Materialien umdimensioniert sowie noch montagefreundlichere Anschlüsse konzeptioniert.

Schließlich wurde ein Montagekonzept für den Stahlüberbau entwickelt unter den Maßgaben: technisch umsetzbar, wirtschaftlich und terminsicher. Es wurden verschiedene Varianten untersucht und bewertet. Die Entscheidung fiel auf eine hydraulische Hubmontage des Überbaus auf eine Höhe bis +12,5 m über Geländeoberkante.

Ergänzend wurden Konzepte zur Fertigung und Vormontage der beiden unteren Haupttragebenen in Bodennähe entwickelt, welche insbesondere dem Ausgleich unabdingbarer Toleranzen Rechnung tragen.

Phase 3: Ausführungsplanung:

In dieser Phase wurden von der ARGE WoS Stahlbau neben den üblichen Aufgaben zur ausführungsreifen Detaillierung und Dimensionierung der Anschlüsse die im Rahmen des Value Engineerings entwickelten Optimierungen weiter ausgearbeitet und umgesetzt.

Das Bemessungskonzept im Brandfall nach der Membrantheorie wurde im Detail rechnerisch nachgewiesen und nach Kenntnisstand der Verfasser erstmalig in Deutschland angewendet. Die Anschlussausbildung dazu wurde weiterentwickelt, um die Nebenträger ohne dämmschichtbildendes Brandschutzsystem ausführen zu können.

Für die Schrägstützen wurden die Anschlüsse an die Fußpunkte in der Bodenplatte und an den Überbau hinsichtlich des Hubmontageverfahrens so weiterentwickelt, dass das Einschwenken der Stützen unter den vorab gefertigten und gehobenen Überbau ebenso ermöglicht wurde wie ein baustellentauglicher Toleranzausgleich.

Für die Hubmontage erfolgten Planung und detaillierte Nachweise der Montageschritte, der Aussteifungs- und Hilfsmaßnahmen, der hydraulischen Regelungstechnik, der Vermessungstechnologie und des Absetzens auf die Schrägstützen. Darüber hinaus wurden Personaleinsatz, Zeitbedarf, Kontroll- und Notfallmechanismen generalstabsmäßig vorausgeplant und schriftlich in einem Hub- und einem Absetzkonzept fixiert.

Zusammenfassung
Der anspruchsvolle architektonische Entwurf sowie die im Value Engineering vorgestellten Optimierungsmaßnahmen konnten erfolgreich umgesetzt werden.
Das Bauvorhaben ist bis auf einige Ausbaumaßnahmen und Außenanlagen fertig gestellt und kurz vor der Übergabe.
Zur erfolgreichen Bewältigung der Planungsaufgaben bei diesem höchst anspruchsvollen Bauvorhaben greifen die Aufgabenbereiche der unterschiedlichen Planer für Genehmigungs- und Ausführungsplanung eng ineinander.
Beispielsweise wurden durch Einbeziehung des Tragwerksplaners die Schnittgrößen des Gesamtsystems aufgrund der Steifigkeitsänderung der Stützen erneut berechnet. Weiterhin wurden gemeinsam zwischen Arge und Tragwerksplaner die sich in die Konstruktion einprägenden Teilschnittgrößen für den Bau- und Montageablauf ermittelt sowie Bauzustände nachgewiesen. Darüber hinaus fanden zwischen den Arge-Partnern eine enge Abstimmung und in den Schnittstellen gemeinsame Entwicklungen hinsichtlich Montageverfahren und Toleranzausbildung statt.
Zusammenfassend zeigte es sich, dass eine interdisziplinäre und in Teilbereichen ganzheitliche, integrale Planung zwingend erforderlich ist, um die Kompetenzen der Tragwerksplaner und der Planer der ausführenden Firmen zusammen zu führen und so eine optimierte und ausführungsreife Gesamtlösung zu entwickeln. Dies erfordert das frühzeitige Einbinden kompetenter ausführender Firmen, eine vertrauensvolle Zusammenarbeit der beteiligten Planenden, eine kritische und lösungsorientierte baustatischen Prüfung und eine vertrauensvolle Atmosphäre durch Bauherr und Auftraggeber.

Zur Betonung der Wichtigkeit einer ganzheitlichen, integralen Planung, insbesondere bei komplexen Bauvorhaben wie der adidas ARENA World of Sports sind deshalb die maßgebenden Ingenieure gemeinsam zu diesem Wettbewerb angetreten:
Ingenieure des Tragwerksplaners:
Prof. Sobek und Angelika Schmid, Werner Sobek Stuttgart AG: Entwurfs- und Genehmigungsplanung mit Leitdetails zur Umsetzung des architektonischen Entwurfs,
Ingenieure der ARGE WoS Stahlbau:
Dr. Norbert Sauerborn, stahl + verbundbau gmbh: Value Engineering Brandschutz Geschossdecken sowie Verbundstützenbemessung mit Detaillierung und Ausbildung der Anschlüsse. Ausführungsplanung zur Montage der V-Stützen und der Lastübertragung durch Absenken der hydraulischen Pressen,
Lars Feulner und Marc Kluge, Züblin Stahlbau GmbH: Ausführungsplanung und Detailnachweise der Montageverfahren für Vormontage und hydraulischen Hub inkl. aller Bau- und Zwischenzustände.

Danksagung der Einreicher:
Ein Bauvorhaben von der Komplexität und Größe wie die adidas ARENA – World of Sports hat viele Hände und Köpfe, die zum Erfolg beigetragen haben.
Bei all denen möchten wir uns bedanken. Nur in einer konstruktiven Zusammenarbeit der beteiligten Institutionen, Planer, Gewerke und Firmen konnten die hier beschriebenen Aufgaben erfolgreich gelöst werden.
Unser besonderer Dank gilt hierbei:
Den Architekten Herrn Stefan Rappold und Frau Cornelia Wust von Behnisch Architekten, die sich bei der adidas ARENA – World of Sports für die Bauweise in Stahl-/Stahlverbund entschieden haben.
Der Prüfgemeinschaft Herr Prof. Dr.-Ing. Mangerig (federführend) und Herr Prof. Dr.-Ing. Bulicek und den Herren Zapfe und Dr.-Ing. Friedl sowie ihren Mitarbeitern, ohne deren umfassende Übersicht und schnellen Prüfentscheide die zeitlich eng gesteckten Ziele nicht möglich gewesen wären.
Weiterer Dank gilt einer Vielzahl von Fachplanern, die uns in Detailfragen beratend und ausführend unterstützt haben.
Herzlich bedanken wir uns auch bei den Mitarbeitern von
- Werner Sobek Stuttgart AG,
- stahl + verbundbau gmbh,
- Züblin Stahlbau GmbH,
die durch großen persönlichen und zeitlichen Einsatz die Ideen in die Tat umsetzten.
Abschließend möchten wir nicht versäumen, den Mitarbeitern auf der Baustelle, die vieles Unmögliche möglich gemachten haben, unseren größten Respekt zu zollen.

Fertigstellung
2018
Architekt
Behnisch Architekten, Stuttgart
Ingenieur
Werner Sobek Stuttgart AG mit stahl + verbundbau GmbH und Züblin Stahlbau GmbH
Bauherr
ADIDAS AG, Herzogenaurach

 

 

 

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