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Allerbrücke

Netz AG

Preisträger Ingenieurpreis des Deutschen Stahlbaus 2017

Ingenieur  Andreas Keil | schlaich bergermann partner, Stuttgart
Architekt   Jörg Schlaich, Thomas Fackler | schlaich bergermann partner, Stuttgart
 

Laudatio

Die Allerbrücke in Verden ist ein Bekenntnis der DB AG zur Gestaltungsqualität. Hier wird demonstriert, dass neben den Standardbauweisen auch innovative und attraktive Formen möglich sind. Die Neugestaltung der Brücke ist im Vergleich zum Amtsentwurf eine hervorragende Ingenieurleistung. Das Bauwerk fügt sich harmonisch in die Allerniederung ein, erfährt auch deshalb eine große Akzeptanz in Bevölkerung und ist hiermit ein Vorbild für zukünftige Projekte der DB AG im Großbrückenbau. Die Lastabtragung ist auch für den Laien verständlich an den Gurten sowohl bei der Höhe als auch über die Anzahl der Lamellen ablesbar. Die Konstruktion ist ingenieurmäßig gestaltet, wartungsarm und ermöglicht modernste Fertigungsmethoden. Damit spricht neben einem schnellen Baufortschritt auch die hohe Fertigungs- und Montagequalität für die Leistungsfähigkeit des Stahlbrückenbaus.

Erläuterungsbericht von Andreas Keil zur Einreichung beim Ingenieurpreis des Deutschen Stahlbaues:

Aufgabenstellung

Die DB-Strecke 1740 Wunstorf–Bremerhaven ist zweigleisig und elektrifiziert – als Bestandteil des Leistungsnetzes der DB Netz AG Niederlassung Nord mit der Streckenkategorie M160, Streckenklasse D4 (Mischverkehr, Leitgeschwindigkeit v = 160 km/h).

 

Foto: DB Netz AG


Das Bestandsbauwerk der Eisenbahnquerung über die Aller, mit einer Gesamtlänge von 375 m, besteht aus insgesamt 15 gemauerten Gewölben aus dem Jahre 1867 sowie einem 130 m langen Mittelteil als Stahlüberbau aus dem Jahre 1951 auf teilweise erneuerten Pfeilern im Bereich der Aller.Insbesondere im Bereich der tragenden Gewölbe sowie der seitlichen Stirnmauer weist die Bestandsbrücke eine zunehmend starke Schädigung auf. Im Jahr 2001 wurden daher umfangreiche materialtechnische und rechnerische Untersuchungen zur Bewertung der Möglichkeiten einer Instandsetzung des zum damaligen Zeitpunkt noch denkmalgeschützten Bauwerkes durchgeführt. Als Ergebnis konnte für eine Instandsetzung keine dauerhafte und ausreichende Festigkeit des Gewölbemauerwerkes nachgewiesen werden. Aus diesem Grund wurde ein Neubau der Eisenbahnquerung über die Aller erforderlich.

Der Amtsentwurf der DB AG sah für die Planfeststellung zunächst eine Stabbogenbrücke im Bereich derAller und WIB-Überbauten im Allerflutbereich vor.

Auf Empfehlung des Brückenbeirates der DB AG entstand ein zweiter Amtsentwurf der eine noch stärkere Einbindung in die ruhige und sensible Landschaft sowie die nahe gelegene Stadt Verden berücksichtigt. Da sich die Baumaßnahme im Bereich mehrerer Schutzgebiete befindet, wurde sie so geplant, dass der Eingriff in die Umwelt auf ein Minimum reduziert wurde.

Der Neubau der zweigleisigen Brücke erfolgte mit einer in der Endlage um 13,80 m nach Osten verschobenen Streckenachse ohne nennenswerte Beeinträchtigung des laufenden Bahnbetriebs. 
Dadurch wurde es möglich, neben der vorhandenen Strecke den Bahndamm neu aufzubauen und das neue Brückenbauwerk in einer für den Standort optimierten Bauweise herzustellen.

Lösungsweg
Der Brückenüberbau ist über Lager auf die schlanken Pfeilerscheiben und die Widerlager abgesetzt, der Festpunkt in Brückenlängsrichtung befindet sich auf dem nördlichen Strompfeiler. Fächerförmig sind die Steifen der Stege im Bereich der Hauptspannweite über der Aller dem Kraftfluss folgend angeordnet. Im Vorlandbereich wurde zur Harmonisierung eine konstante Höhe der außenliegenden Stahlträger, sowie die Verwendung rein vertikaler Stegsteifen umgesetzt. Die Durchflussöffnungen der neuen Brücke wurden größer als im Bestand ausgeführt. 

Brückenlänge 375 m, Brückenbreite 12,40 m, strompfeilerfreie Querung der Aller mit einer Hauptspannweite von 80 m. Weitere Entwurfsparameter:

  1. Lage der Pfeilerscheiben und Widerlager entsprechend den Bauwerksachsen der Bestandsbrücke,
  2. Tiefgründungen für die Pfeiler und Widerlager,
  3. Minimierung der Bauwerksfugen und Lager,
  4. Berücksichtigung der FFH-Zonen entlang der Aller,
  5. Einbeziehung der hydraulischen Gegebenheiten,
  6. Nachträgliche Montage eines Fuß- und Radweges entlang der Westseite der Brücke möglich.


Die Trogbrücke besteht entsprechend dem Momentenverlauf aus gewellten Stegen aus Stahl, die beidseits an die Stahlfahrbahnplatte angeschlossen sind. Auch die Stegform ist so gewählt, dass bei der Hauptspannweite mit 80 Meter die Zugkraft in dem stählernen Gurt des Stahllängsträgers und die Druckkraft in der Fahrbahnplatte unter einer Gleichlast konstant sind und visualisiert damit den vorherrschenden Lastabtrag.

Durch die Lage der Baustelle in einer FFHZone, einem Vogelschutz- und Überschwemmungsgebiet, in dem mehrfach pro Jahr Hochwasser auftreten können, wurde ein überflutungsunabhängiges Bauverfahren gewählt.

Für das Einschieben (Takt 1-7) bzw. Ziehen (Takt 8) des Überbaus wurde hinter dem nördlichen Widerlager eine funktional 
ausgelegte Fertigungseinheit (Taktkeller) aufgebaut, bestehend aus Anlieferungs-, Schweiß- und Korrosionsschutzbereich. 
Um während der Bauzeit vom Hochwasser unabhängig zu sein, wurde der Taktkeller komplett oberhalb des HHW angelegt.

Zusammenfassung

Besondere Ingenieurleistung
Im Zuge der Planung konnten die aus den hydraulischen Gegebenheiten resultierenden bindenden Bauwerksachsen relativiert werden, sodass eine Optimierung der Feldlängen ohne abhebende Lagerkräfte in den Achsen 3 und 6 möglich wurde. Die Höhe der seitlich angeordneten Stahllängsträger variiert über die Brückenlänge. Während sie in den Vorlandbereichen konstant 3,40 m beträgt, schwingt sich die Welle an den Flusspfeilern bis auf maximal 7,70 m auf. Am Tiefpunkt in der Feldmitte der Hauptspannweite wird wiederum die Ausgangshöhe aus dem Vorlandbereich erreicht. Charakteristisch für das Bauwerk ist das über die gesamte Brückenlänge durchlaufende Gesimsband mit einer konstanten Höhe von 1,86 m.
Entsprechend der Beanspruchung nimmt bei den Gurten sowohl die Breite als auch die Anzahl der Lamellen in zwei Schritten mit zunehmenden Feldlängen bis zur größten Spannweite über der Aller hin zu. Der einlamellige Obergurt mit einem Querschnitt von 700 mm × 50 mm wird zu einem dreilamelligen Querschnitt mit je 50 mm Dicke und einer Breite der Mittellamelle von 900 mm. Die untere und die obere Lamelle sind um 25 mm nach innen zurückversetzt, um eine gute Schweißbarkeit mittels maschinell geschweißten Kehlnähten über ein Vielfaches der gesamten Brückenlänge (viermal je Lamellenpaket) gewährleisten zu können. Die Stützquerträger variieren von Achse zu Achse, sowohl in den Blechdicken der Stege als auch der Gurte.
Das sehr schlank gehaltene Stegblech mit im Regelfall 15 und 20 mm wird in den Lasteinleitungsbereichen an den Stützquerträgern bis auf 50 mm im unteren Stegbereich verstärkt.

Welche positiven Effekte hat die besondere Ingenieurleistung?
Der auf Anregung des Brückenbeirats der DB AG entstandene Entwurf hat bei den Verantwortlichen der Stadt Verden großen Anklang gefunden. Neben der guten und konstruktiven Zusammenarbeit im Projektteam ist die Brücke auch das Ergebnis einer durch die Baufirma Max Bögl erzielten hohen Fertigungs- und Montagequalität. Das innovative Bauwerk fügt sich transparent und harmonisch in den Landschaftsraum der Aller und wird den Anforderungen an die Dauerhaftigkeit und Robustheit gerecht.

Fertigstellung
2015
Architekt
Jörg Schlaich Thomas Fackler schlaich bergermann partner
Ingenieur
Andreas Keil schlaich bergermann partner
Bauherr
DB Netz AG
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