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Bauwerk 118b an der A70

BPR Dr. Schäpertöns Consult

Der Ingenieurpreis des Deutschen Stahlbaues 2017 ist juriert:

AUSZEICHNUNG
Daniel Schäfer | BPR Dr. Schäpertöns Consult, München

Die Brücke 118b über die A70 ist ein sehr ansprechendes Tragwerk, das sich von den Standard-Überführungen über Autobahnen wohltuend abhebt. Die rahmenartige Einspannung des Überbaus in die Widerlager löst sich in den Randbereichen als Stahl-Fachwerkkonstruktion auf und verschmilzt in Brückenmitte wieder zu einem geschlossenen Querschnitt. Hierdurch gewinnt das Tragwerk eine enorme Filigranität. Die schlichte Farbwahl trägt maßgeblich zum wohltuenden Erscheinungsbild bei. Auch wenn Brücken über Autobahnen im Allgemeinen als Standardbauwerke wahrgenommen werden: hier wird gezeigt, wie technischer und ästhetischer Anspruch, Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit im Stahlbrückenbau zusammengeführt werden können. Das ist wahre Ingenieurbaukunst.

Erläuterungstext von Daniel Schäfer zur Einreichung beim 'Ingenieurpreis des Deutschen Stahlbaues 2017'

1. Aufgabenstellung
1.1 Grunderneuerung der A 70

Die A 70 im Norden Bayerns verbindet die A 7 bei Schweinfurt über die A 73 bei Bamberg mit der A 9 nördlich von Bayreuth in Ost‐West‐Richtung. Weiter dient sie als Umleitungsstrecke, wenn eine Umfahrung der A 9 zwischen Nürnberg und Bayreuth notwendig ist. Neben diesen Funktionen wird die Strecke auch vom regionalen Verkehr gerne genutzt und verkürzt die örtlichen Fahrzeiten teilweise erheblich. Der 7,60 km lange Abschnitt der A 70 zwischen der Anschlussstelle Kulmbach‐ Neudrossenfeld und dem Autobahndreieck Bayreuth‐Kulmbach wurde in Teilen vor dem Zweiten Weltkrieg realisiert. Aufgrund der schlechten Bausubstanz waren Strecke und Bauwerke zu erneuern, wobei die Fahrbahnen einen Standstreifen erhielten und nun 11,50 m breit sind. Weiter wurde die Entwässerung angepasst und der Lärmschutz für die angrenzende Bebauung verbessert.

 

Foto: BPR Dr. Schäpertöns Consult GmbH & Co. KG

Im Jahr 2013 begannen die Arbeiten an der Richtungsfahrbahn Bamberg einschließlich der Brückenbauwerke, und im Jahr 2014 »wiederholte« sich der Bauablauf für die Fahrbahn in Richtung Bayreuth. Die Kosten in Höhe von 52 Mio. € werden von der Bundesrepublik Deutschland getragen. Die Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesverkehrsministerium Dorothee Bär gab am 12. Dezember 2014 die Grunderneuerung der Bundesautobahn (BAB) A 70 zwischen der Anschlussstelle Neudrossenfeld und dem Autobahndreieck Bayreuth feierlich für den Verkehr frei.

1.2 Planungsvorgaben
Die neuzuerrichtende Brücke überführt eine Verbindungsstraße zwischen den Ortsteilen Zettmeisel und Altenreuth in der Gemeinde Harsdorf ca. 1,50 km westlich des Autobahndreiecks Bayreuth‐ Kulmbach. Als Überführungsbauwerk am Beginn des Bauabschnitts bzw. der A 70 sollte es durch einen hohen Wiedererkennungswert dem Autofahrer als Wegepunkt Orientierung bieten und in Erinnerung bleiben. Maßgabe des Bauherrn war also, eine gutgestaltete Brücke zu entwerfen. Die Gemeindeverbindungsstraße weist im Bauwerksbereich eine Längsneigung von 1,60 % auf, kreuzt die BAB A 70 im Winkel von ca. 78 gon und hat eine Querneigung von 2,50 %. Die Autobahn verläuft hier in einer Kurve mit einem Radius von 900 m, einem Längsgefälle von ca. 5,80 % und weist eine Querneigung von 5 % auf. Die Fahrbahnbreite der Gemeindeverbindungsstraße auf der Brücke sollte 6,50 m betragen: Mit beidseitigen Kappen analog RiZ‐ING, Kap. 1 zur Aufnahme von Schutzeinrichtungen, Notgehweg und Geländer ergibt sich eine Überbaubreite von 10,10 m zwischen den Geländern.

2. Lösungsweg
2.2 Bauwerksentwurf
2.2.1 Vorplanung

Als gestalterisch und statisch günstig erwies es sich hier, die Diagonalen durch Spiegelung an den Radien des bogenförmigen Untergurts auszurichten – mit der Folge veränderlicher Neigungs‐ und Anschlusswinkel. Die Abmessungen der Diagonalen wurden zudem entsprechend der Belastung abgestuft. So ergaben sich als Resultat letzten Endes ausgewogene Proportionen zwischen den Öffnungsgrößen im Fachwerk und den Ansichtsflächen der Diagonalen.

2.2.2 Entwurf Überbau
Das Haupttragwerk wird aus einer Stahlkonstruktion mit Fachwerkdiagonalen und Kastenträgern gebildet. Die Diagonalen bestehen aus Blechen, welche in der Ebene der Trägerstege angeordnet sind. Zur Minderung der Knickgefahr wurden die Diagonalen‐Bleche mit Steifen versehen. In Brückenmitte verschneiden sich der bogenförmige Fachwerkuntergurt, der ‐obergurt und die seitlichen Kastenträger, womit sich ein geschlossener, dreizelliger Querschnitt ergibt. Die Neigung der Diagonalen im Querschnitt und die Stegneigungen der Kastenträger sind aufeinander abgestimmt, so dass sich alle zu verbindenden Bleche in einer Ebene befinden. Dadurch müssen Kräfte nicht umgelenkt werden, und die Fertigung wird vereinfacht. Wegen der Beschränkung auf zwei nahe beieinanderliegende Fachwerkebenen würde die geplante Betonfahrbahnplatte zu weit über den Träger des Fachwerkobergurts hinausragen. Das heißt, ohne zusätzliche Unterstützung wären unwirtschaftliche Plattendicken die Folge. Aus diesem Grund wird die Fahrbahn durch die seitlich neben dem Fachwerk angeordneten Längsträger unterstützt. Die bis zu 36 cm dicke, schlaff bewehrte Ortbetonplatte wird zudem im Verbund mit dem Obergurt und den seitlichen Kastenträgern ausgeführt. Die Bauteildicke an den Kragarmenden ist 25 cm.

Die Stützweite des Fachwerkuntergurts beträgt 48,12 m und die des Gesamtsystems 57,85 m, bezogen auf die Mitten zwischen den Gründungspfählen. Die Konstruktionshöhe in Feldmitte misst 1,23 m inklusive Beton, was einer Schlankheit von l/47 bezüglich der Gesamtstützweite entspricht. Im Widerlagerbereich hat das Fachwerk eine Höhe von ca. 4 m. So weist die Tragkonstruktion eine insgesamt ausreichende Steifigkeit auf und ermöglicht zugleich die extreme Schlankheit in Brückenmitte – bei Verwendung üblicher Blechdicken. Der Fachwerkuntergurt wird mit 50 cm Höhe und variabler Breite ausgeführt. Die untere Kastenbreite variiert von 1,50 m am Widerlager bis zu 3,00 m in Feldmitte. Im Verschneidungsbereich geht der Fachwerkuntergurt in den mittleren Hauptträger über, der zwischen 87 cm und 1,55 m hoch ist. Die Randträger sind an der Unterseite 1,50 m breit und haben, bedingt durch die Querneigung der Fahrbahnplatte von 2,50 %, eine veränderliche Bauhöhe zwischen 50 cm und 66 cm. Die Diagonalen sind 20–40 cm breit und verfügen auf den Innenseiten über 17–22 cm hohe Flachsteifen. Im Fachwerkbereich wird der mittlere Hauptträger aus statischen und optischen Gründen nicht benötigt und deshalb weggelassen: Hier verbinden Querträger in den Knotenpunkten der Diagonalen die beiden Randträger. Da die Diagonalen in der BAB‐Achse ausgerichtet sind, wurde die gesamte Stahlkonstruktion, entsprechend dem Kreuzungswinkel, schiefwinklig geplant und realisiert.

2.2.3 Unterbauten und Gründung
Die massiven Widerlagerblöcke dienen der rahmenartigen Einspannung des Überbaus und sind in den Straßendamm der Gemeindeverbindungsstraße bzw. der BAB eingebettet. Durch die in Richtung der Böschung geneigte Vorderseite wird ihr sichtbares Volumen deutlich reduziert, eine kassettenartige Vertiefung in den Seitenflächen untergliedert zudem die Ansicht. Die Widerlager sind auf je zwei Bohrpfahlreihen gegründet, da der tragfähige Sandstein ca. 4,50 m unter der Widerlagersohle ansteht. Ein großvolumiger Bodenaustausch mit Verbauten wäre teurer in der Herstellung gewesen und hätte eine geringere Gründungssteifigkeit für die Einspannung geliefert. Je Bohrpfahlreihe wurden sechs Pfähle mit d = 1,20 m angeordnet, die im Mittel ca. 4,50 m tief in den Sandstein einbinden. Die Bohrpfahlreihen haben je Widerlager einen Abstand von 4 m, nehmen die Vertikallasten auf und gewährleisten die Einspannung des Rahmentragwerks.

2.2.4 Tragwerksplanung
Wegen der neuartigen Bauweise wurde schon im Entwurf eine ausführliche statische Berechnung aufgestellt und erfolgte bereits die umfangreiche Entwicklung von Details für die Stahlkonstruktion. Dabei wurde besonders auf eine ermüdungsgerechte Gestaltung der Anschlüsse und Verbindungen geachtet. Aufgrund der integralen Bauweise wurde das Tragwerk als Gesamtsystem abgebildet, wobei sich die Struktur in angemessener Weise durch ein räumliches Stabwerk idealisieren ließ.

Im Modell sind die drei Längsträger durch Diagonalen, Querträger und Hilfsstäbe miteinander verbunden. Die Hilfsstäbe wurden mit hohen Steifigkeiten belegt und die Stabendgelenke so gewählt, dass sie nur die nahezu schubfeste Verbindung der Einzelbauteile über die Fahrbahnplatte und gemeinsame Blechebenen repräsentieren. Der Lastabtrag in Querrichtung wird ausschließlich den Stäben für Querträger, ‐schotte und Fahrbahnplatte zugewiesen. Mit der genauen und stabwerksorientierten Modellierung konnten schon in der Vorstatik alle relevanten Bauteile bemessen werden. Die ausführliche und klar nach Tragwirkungen getrennte Modellierung erlaubte es auch, die Spannungsschwingbreiten aus ermüdungswirksamen Lasten an allen maßgeblichen Stellen des Stahltragwerks zu ermitteln. Mit dem Nennspannungskonzept wurden dann die mindestens erforderlichen Kerbfallklassen der Anschlussdetails festgestellt und in Detailzeichnungen umgesetzt.

Die Knotenbleche wurden anhand eines Scheibenmodells mit den Randkräften aus Träger und Diagonalen bemessen. Es konnte, konstruktiv und wirtschaftlich sinnvoll, eine einheitliche Blechstärke für alle Diagonalen und Knotenbleche vorgesehen werden.

2.2.5 Weitere Gestaltungselemente
Der gestalterische Anspruch des Bauwerks drückt sich auch in der Planung eines geneigten Sondergeländers aus, das seine Fortsetzung im abgeschrägten Gesimsbalken findet. Als Entscheidungshilfe zur Farbgebung wurden verschiedene Konzepte für die Oberflächen entwickelt und mittels Visualisierungen anschaulich aufbereitet. Trotz der guten Vorbereitung schien die Farbwahl für alle Beteiligten die schwierigste Entscheidung gewesen zu sein.

 

Foto: BPR Dr. Schäpertöns Consult GmbH & Co. KG

3. Zusammenfassung
Bei dem hier beschriebenen, im Dezember 2014 fertiggestellten Querungsbauwerk ist der Gestaltungswille im Entwurf wie bei der Wahl des Tragwerks klar ablesbar. Die daraus resultierenden Konstruktionen haben zu einem eigenständigen, selbstbewusst erscheinenden Bauwerk geführt. Dabei wurde eine Vielzahl von Anforderungen, insbesondere aber alle aus Baudurchführung und Betrieb im Endzustand, erfüllt. Der Anspruch, ein gutgestaltetes Brückenbauwerk zu realisieren, das sich unter nur minimaler Verkehrsbeeinträchtigung wirtschaftlich errichten lassen, wurde erfolgreich umgesetzt. Dies bedingt jedoch eine intensive Planung und einen offenen Dialog mit dem Baulastträger. Standardisierte Lösungen nach dem Baukastenprinzip können diese Anforderungen selten bis nie erfüllen.

Fertigstellung
2014
Architekt
BPR Dr. Schäpertöns Consult GmbH & Co. KG
Ingenieur
Daniel Schäfer BPR Dr. Schäpertöns Consult GmbH & Co. KG, Konstruktiver Ingenieurbau
Bauherr
Autobahndirektion Nordbayern
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