Brücke über die IJssel

Laudatio der Jury
Auszeichnung: Hans-Joachim Casper, SSF Ingenieure AG, München für die Eisenbahnbrücke über die IJssel, Hanzelijn
Das Ergebnis eines ausgewogenen Entwurfsprozesses nach einem vorbildhaften Design & Build Wettbewerb ist ein Bauwerk, das die aktuellen und zukünftigen funktionalen und wirtschaftlichen Anforderungen erfüllt und die Möglichkeiten von Stahl im Brückenbau bei sehr komplexen Aufgabenstellungen verdeutlicht. Trotz der hohen Eisenbahnlasten konnte eine sich gut in die flache Landschaft einbettende Form gefunden und damit eine hohe Akzeptanz erreicht werden. Instanthaltungsmaßnahmen werden durch eine weitgehend fugenlose Bauweise minimiert. Die passgenaue Montage der schweren Stahlkonstruktion stellte höchste Ansprüche. Ein technisch anspruchsvolles, architektonisch richtungsweisendes Eisenbahnbrückenbauwerk in Stahl.
Hanzelijn, Niederlande
Allgemeines
Die neue IJsselbrücke ist Teilder “Hanzelijn“, einer 50 km langen Neubaustrecke für den Schienenverkehr in den Niederlanden zwischen Lelystad am IJsselmeer und Zwolle im Landesinnern. Mit der “Hanzelijn“ entsteht eine leistungsfähige Verkehrsverbindung zwischen dem Norden des Landes und dem Ballungsgebiet um Amsterdam und Rotterdam im Westen.
Wesentliche Baumaßnahme dieser Ost-West Verbindung ist die Querung der IJssel zwischen Zwolle und Hattem.
Das 2-gleisige, insgesamt 926,47m lange Brückenbauwerk überspannt die Ijssel mit ihren Vorlandbereichen und den Gelderse Dijk mit Stützweiten von 33,13m + 4 x 40,0m + 75,0m + 150,0m + 75,0m + 10 x 40,0m + 33,34m.
Entwurf und Vergabe
Das Brückenbauwerk ist der Siegerentwurf eines Design & Build - Wettbewerbes von 5 präqualifizierten Konsortien, die sich aus Bauunternehmungen, Architekten und Ingenieuren zusammenzusetzen hatten. Der Planungsprozess fand in engem Dialog mit dem Bauherrn ProRail in Utrecht statt, der nur die Projektanforderungen, nicht jedoch den Brückenentwurf vorgegeben hatte.
Zentrales Thema des interaktiven Wettbewerbs war es, ein qualitativ hochwertiges und ästhetisch gelungenes Bauwerk mit hoher Akzeptanz in der Bevölkerung zu erhalten. Neben technischen und wirtschaftlichen Aspekten stand somit auch die äußere Gestaltung mit der Wahl des Tragsystems im Vordergrund.
Den Zuschlag für die Planung und den Bau der Eisenbahnbrücke erhielt das Baukonsortium Welling-Züblin-Donges zusammen mit den Architekten Quist Wintermans und den Ingenieuren von SSF Ingenieure und Grondmij.
Nach der Auftragsvergabe wurde die komplette Objekt- und Tragwerksplanung durch die Planungsgemeinschaft SSF – ABT, zusammen mit Quist Wintermans durchgeführt, die Ausführung des Stahlüberbaus wurde der Fa. Max Bögl übertragen.
Ausschlaggebend für die Vergabeentscheidung war nicht allein der Angebotspreis, sondern in höherem Maße die Funktionalität und last but not least auch die Formgebung des Bauwerkes.
Die oft gegensätzlichen Aspekte des architektonischen Anspruches und der realen Herstellungskosten mussten für einen Auftragserfolg im Zuge der Angebotsbearbeitung zu einem optimalen Gesamtkonzept zusammengeführt werden.
Damit wurde dem besonderen Anliegen der Bürger Rechnung getragen, Gestaltungs- und Umweltaspekte nicht der infrastrukturellen Notwendigkeit des Bauwerk zu opfern.
Grafik: Quist Wintermans Architekten
Architektur
Im engen Dialog mit dem Design & Build Team ist der Entwurf des Architekten Paul Wintermans entstanden, der ein schlankes, fließendes Tragwerk vorsah, das sich zurückhaltend in die flache niederländische Landschaft einpassen sollte.
Fast zwingend ergab sich so ein Fachwerkbogen über dem Flussfeld, dessen Mindeststützweite aufgrund der Projektanforderungen mit 150 m festgelegt wurde. Zur Reduzierung der Bauhöhe wurde die Bogenform als Durchlaufsystem auch über die 75 m überspannenden Nachbarfelder geführt. Der Bogenstich konnte somit auf 14,50 m optimiert werden (1:10,3 der Stützweite des Hauptfeldes).
Die Vorlandbereiche sollten von einem möglichst schlanken Haupttragwerk mit konstanter Bauhöhe überspannt werden. Die Konstruktionshöhe der Brückenhauptträger war hierbei durch den Gradientenverlauf der Bahnlinie und die Lichtraumprofile von IJssel und Straße am Gelderse Dijk ohnehin sehr begrenzt.
Da niedrigere unterhalb der Gleislage angeordnete Längsträger unsinnig kurze Auflagerabstände bedingt hätten, wurden die Hauptträger seitlich der Gleise angeordnet. Unter Beachtung der Entwurfsvorschriften wurde eine Hauptträgerbauhöhe von 2,60 m bestimmt, die örtlich über der Straße am Gelderse Dijk auf 1,95 m verringert werden musste.
Aus Gestaltungsgründen sind die Außenflächen und die Untersicht der Hauptträger mit 10 bzw. 6,5 Grad geneigt.
Unter architektonischen Aspekten sollten auch die Fachwerkbögen in ebener Fortsetzung der Neigung der Außenstege zur Innenseite mit 10 Grad geneigt werden.
Die Einhaltung der Regellichträume für den Eisenbahnverkehr zwangen mit steigender Bogenhöhe zu einer stetigen Verbreiterung der Fachwerkuntergurte, da die Innenkante dieser Hohlkastenträger wie die Schotterbegrenzung und der Kabelkanal in konstantem Abstand zur Gleisachse verlaufen sollten.
Auf Verbände oder Querriegel zwischen den Bögen wurde aus ästhetischen Gründen verzichtet. Das Maximum an Transparenz in der Brückenansicht erforderte eine Minimierung der Anzahl der Diagonalen im Bogenfachwerk. Statische Überlegungen und der Umstand, dass eine weitergehende Verringerung der Diagonalen durch den deutlich zunehmenden Baustahlbedarf zu unwirtschaftlich geworden wäre, begrenzten die Knotenanstände auf 30 m.
Ein weiterer Gestaltungsaspekt war, dass der Rad- und Fußweg nicht in den damit immer massiger werdenden Hauptquerschnitt integriert werden sollte. Seitlich an den Eisenbahnüberbau angehängt sollte er als optisch eigenständiges Überführungsbauwerk von diesem getragen werden.
Die ebenen Seitenansichten der in Geländerhöhe ausgeführten Längsträger sowie die Unterkante der Rad- und Fußweges wurden entsprechend der Hauptquerschnittsgestaltung geneigt.
Die v-förmige Pfeilerscheiben nehmen sich optisch zurück gegenüber dem Tragwerk, passen sich dem umgebenden Gelände an und heben den in Rot gehaltenen Überbau als die überführende Tragstruktur hervor.
Funktionalität
Die in den Ausschreibungsunterlagen des Bauherrn formulierten Projektanforderungen bestanden im Wesentlichen aus den funktionellen und technischen Anforderungen, aus den Anforderungen aus RAMS, aus den Anforderungen an die Herstellung und Formgebung des Bauwerks.
Die Summe der umfangreichen funktionalen Anforderungen lässt sich vereinfachend zusammen fassen in der Aufforderung, ein über die Lebensdauer der neuen Brücke ungehinderten und durch Dritte unbeeinträchtigten Eisenbahn-, Fußgänger- und Fahrradverkehr sicherzustellen, einen ungestörten Flusslauf zu gewährleisten, die unterführte Schifffahrt und den Straßenverkehr aufrechtzuerhalten, der Funktionalität des Gelderse Dijk und des Schellerdijk bezüglich Wasserhaushalt Rechnung zu tragen, die Eingriffe in die vorhandene Flora und Fauna nachhaltig zu minimieren und daneben soziokulturellen Ansprüchen im Sinne eines ästhetisch ansprechenden Bauwerks gerecht zu werden.
Zur Minimierung von Unterhaltungsaufwendungen für Tragwerk und Oberbau galt die Entscheidungsprämisse, die Anzahl von Lager und Fugenkonstruktionen so gering als möglich zu halten.
Entsprechend wurde ein über die gesamte Länge von 927 m durchlaufendes Tragwerk ohne Fugen entworfen. Schienenauszüge sollten auf die Überbauenden beschränkt bleiben.
Die vollständige Vermeidung von Schienenauszügen war mit den Entwurfsvorgaben und bei der Länge des Bauwerkes nicht realisierbar. Jedoch war die Beschränkung auf nur einen Schienenauszug am Widerlager Zwolle möglich. Auf der Seite Hattem wurde der Überbau zusammen mit der Radwegkonstruktion, der hohen horizontalen Auflagerkräfte wegen, in das Widerlager eingespannt und neben dem Schienenauszug auch auf aufwändige und notwendigerweise austauschbare Brückenlager verzichtet.
Zusammen mit der architektonisch und baubetrieblich geprägten Entscheidung einer einheitlichen Materialwahl und der Ausführung des gesamten Haupttragwerkes in Stahl wurde für die Vorlandbereiche eine Regelstützweite von 40 m mit verkürzten Randfeldern gewählt. Die Schlankheit der Längsträger ist mit 1:15,4 ein für die Eisenbahnbrücke technisch und wirtschaftlich günstiger Wert, die Feldlänge von 40 m vorteilhaft für Fertigung und Montage.
Das gewählte Durchlaufsystem erfüllt gleichermaßen höchste Ansprüche an die Dauerhaftigkeit des Tragwerkes und des Gleisoberbaus. Kosten für den Unterhalt eines verschleißträchtigen Schotterbetts mit Fugen und Übergängen, bedingt durch die zyklischen Belastungen aus Drehwinkeln und Verformungen, bleiben dem Bauherrn dauerhaft erspart.
Alle Hauptquerschnitte des Tragwerkes sind luftdicht verschweißte Hohlkästen mit für die Brückenansicht und die spätere Bauwerksunterhaltung vorteilhaften ebenen Flächen. Kosten für einen inneren Korrosionsschutz entfallen.
Schlussbemerkung
Eisenbahnbrücken sind mit ihren hohen Belastungen und den Anforderungen an die Steifigkeit in aller Regel massige Bauwerke.
Der Bauwerksentwurf der IJsselbrücke beweist, dass selbst unter der schwierigen Randbedingung der ebenen niederländischen Landschaft ein architektonisch begeisterndes Eisenbahnbrückenbauwerk entstehen kann.
Nicht wenige in der im Vorfeld in die Entscheidungsfindungen der IJsselquerung eingebundenen Bevölkerung hatten sich vehement für eine Tunnellösung ausgesprochen. Nach dem mit großem öffentlichem Interesse begleiteten Litzenhub des Bogens und der Fertigstellung des Brückenzuges war jedoch nur noch eine allgemeine Begeisterung für dieses Bauwerk zu erleben.
Mit der Brücke über die IJssel ist ein gelungenes Beispiel für architektonisch ansprechenden Eisenbahnbrückenbau entstanden.
Erläuterungen durch SSF Ingenieure AG zur Einreichung 'Ingenieurpreis des Deutschen Stahlbaues 2013 Kategorie Brückenbau':
Aufgabenstellung
Die neue IJsselbrücke ist Teil der “Hanzelijn“, einer 50 km langen Neubaustrecke für den Schienenverkehr in den Niederlanden zwischen Lelystad am IJsselmeer und Zwolle im Landesinnern. Mit der “Hanzelijn“ entsteht eine leistungsfähige Verkehrsverbindung zwischen dem Norden des Landes und dem Ballungsgebiet um Amsterdam und Rotterdam im Westen.
Wesentliche Baumaßnahme dieser Ost-West Verbindung ist die Querung der IJssel zwischen Zwolle und Hattem. Das 2-gleisige Bauwerk überspannt die IJssel mit ihren Vorlandbereichen und den Gelderse Dijk auf einer Länge von ca. 930 m.
Der Bauwerksentwurf ergab ein Tragwerk mit Stützweiten von 33,13 + 4 x 40,0 + 75,0 + 150,0 + 75,0 + 10 x 40,0 + 33,34 = 926,47m.
Die Gradiente verläuft über der IJssel in einer Kuppenausrundung mit anschließenden konstanten Längsgefällen zu den Widerlagern hin.
Im Grundriss liegt das Bauwerk auf der Seite Hattem bis zur IJssel in einer Geraden, an die zur Seite Zwolle hin eine Klothoide anschließt, die vor dem Widerlager in einen Radius übergeht. Durch die Anordnung von Weichen in jedem der beiden Gleise weitet sich der Überbau zum Widerlager Hattem hin um 7,65 m auf.
Das Brückenbauwerk ist der Siegerentwurf eines Design and Build Wettbewerbes von 5 präqualifizierten Konsortien.
Die Angebotsbearbeitung der Bietergemeinschaften, die sich aus Bauunternehmungen, Architekten und Ingenieuren zusammenzusetzen hatten, fand in engem Dialog mit dem Bauherrn ProRail in Utrecht statt, der nur die Projektanforderungen, nicht jedoch den Brückenentwurf vorgegeben hatte.
Gestalterische, statisch-konstruktive, baubetriebliche und dauerhaftigkeits- und unterhaltungsrelevante Aspekte wurden vom Bauherrn bereits in der Angebotsphase eingehend hinterfragt. Neben dem Wunsch, das architektonisch und wirtschaftlich beste Angebot zu erhalten, stand gleichauf die Forderung nach der gesicherten transparenten technischen und finanziellen Basis für einen reibungslosen Bauablauf und der Übergabe eines funktionalen, dauerhaften und unterhaltungsfreundlichen Brückenbauwerkes.
Ausschlaggebend für die Vergabeentscheidung war nicht allein der Angebotspreis, sondern in höherem Maße die Formgebung und Funktionalität des Bauwerkes.
Die oft gegensätzlichen Aspekte des architektonischen Anspruches und der realen Herstellungskosten mussten für einen Auftragserfolg im Zuge der Angebotsbearbeitung zu einem optimalen Gesamtkonzept zusammengeführt werden.
Damit wurde dem besonderen Anliegen der Bürger Rechnung getragen, Gestaltungs- und Umweltaspekte nicht der infrastrukturellen Notwendigkeit des Bauwerk zu opfern.
Den Zuschlag für den Bau der Eisenbahnbrücke erhielt das Baukonsortium Welling-Züblin-Donges zusammen mit den Architekten Quist Wintermans und den Ingenieuren von SSF und Grondmij.
Nach der Auftragsvergabe wurde die Objekt- und Tragwerksplanung durch die Planungsgemeinschaft SSF – ABT durchgeführt, die Ausführung des Stahlüberbaus wurde der Fa. Max Bögl übertragen.
Lösungsweg
Wunsch des Bauherrn war ein architektonisch herausragendes Bauwerk mit hoher Akzeptanz in der Bevölkerung. Entsprechend stand die äußere Gestaltung mit der Wahl des Tragsystems im Vordergrund.
Der Entwurf des Architekten Paul Wintermans sah ein schlankes, fließendes Tragwerk vor, das sich zurückhaltend in die flache niederländische Landschaft einpassen sollte. “Monumente“, die sich selbst betonen und ihre Umgebung in den Hintergrund drängen, wurden schnell verworfen.
Fast zwingend ergab sich so ein Fachwerkbogen über dem Flussfeld, dessen Mindeststützweite aufgrund der Projektanforderungen mit 150 m festgelegt wurde. Zur Reduzierung der Bauhöhe wurde die Bogenform als Durchlaufsystem auch über die 75 m überspannenden Nachbarfelder geführt. So ergab sich ein Bogenstich von 14,5 m, der im Verhältnis nur 1:10,3 der Stützweite des Hauptfeldes beträgt.
Die Vorlandbereiche sollten von einem möglichst schlanken Haupttragwerk mit konstanter Bauhöhe überspannt werden. Die Konstruktionshöhe der Brückenhauptträger war hierbei durch den Gradientenverlauf der Bahnlinie und die Lichtraumprofile von IJssel und Straße am Gelderse Dijk ohnehin sehr begrenzt.
Da niedrigere unterhalb der Gleislage angeordnete Längsträger unsinnig kurze Auflagerabstände bedingt hätten, wurden die Hauptträger seitlich der Gleise angeordnet. Unter Beachtung der Entwurfsvorschriften wurde eine Hauptträgerbauhöhe von 2,60 m bestimmt, die örtlich über der Straße am Gelderse Dijk auf 1,95 m verringert werden musste.
Aus Gestaltungsgründen sind die Außenflächen und die Untersicht der Hauptträger mit 10 bzw. 6,5 Grad geneigt.
Unter architektonischen Aspekten sollten auch die Fachwerkbögen in ebener Fortsetzung der Neigung der Außenstege zur Innenseite mit 10 Grad geneigt werden.
Die Einhaltung der Regellichträume für den Eisenbahnverkehr zwangen mit steigender Bogenhöhe zu einer stetigen Verbreiterung der Fachwerkuntergurte, da die Innenkante dieser Hohlkastenträger wie die Schotterbegrenzung und der Kabelkanal in konstantem Abstand zur Gleisachse verlaufen sollten.
Auf Verbände oder Querriegel zwischen den Bögen wurde aus architektonischen Gründen verzichtet.
Das Maximum an Transparenz in der Brückenansicht erforderte eine Minimierung der Diagonalenanzahl im Bogenfachwerk.
Statische Überlegungen und der Umstand, dass eine weitergehende Verringerung der Diagonalen durch den deutlich zunehmenden Baustahlbedarf zu unwirtschaftlich geworden wäre, begrenzten die Knotenanstände auf 30 m.
Ein weiterer Gestaltungsaspekt war, dass der Rad- und Fußweg nicht in den damit immer massiger werdenden Hauptquerschnitt integriert werden sollte. Seitlich an den Eisenbahnüberbau angehängt sollte er als optisch eigenständiges Überführungsbauwerk von diesem getragen werden.
Die ebenen Seitenansichten der in Geländerhöhe ausgeführten Längsträger sowie die Unterkante der Rad- und Fußweges wurden entsprechend der Hauptquerschnittsgestaltung geneigt.
Der Entwurf sah für die Unterbauten V-förmige Pfeilerscheiben vor, die sich optisch zurückhaltend unter dem Tragwerk zurücknehmen, sich mit ihrer grauen Betonfarbe dem umgebenden Gelände anpassen und den in Rot gehaltenen Überbau als die überführende Tragstruktur hervorheben.
Die in den Ausschreibungsunterlagen des Bauherrn formulierten Projektanforderungen bestanden im Wesentlichen aus den funktionellen und technischen Anforderungen, an die zusätzlich Bedingungen aus den sogenannten RAMS-Anforderungen geknüpft waren, aus den Anforderungen an die Formgebung und den Anforderungen an die Herstellung des Bauwerkes.
Unter den RAMS-Anforderungen versteht man Anforderungen an die Zuverlässigkeit ( R ), mit der das Bauwerk in einem bestimmten Mindestzeitraum ohne Ausfall seine Funktion zu erfüllen hat, Anforderungen an die Verfügbarkeit ( A ), d. h. an die Lebensdauer unter Einbeziehung zugestandener Störungen und geplanter Außerbetriebnahmen für Instandhaltungsmaßnahmen, Anforderungen an die Möglichkeit und Dauer von Instandhaltungsmaßnahmen ( M ) und Anforderungen an die Sicherheit ( S ), die durch die Planung von Schutzeinrichtungen, Rettungszufahrten, Fluchtwegen oder Feuerlöscheinrichtungen zu gewährleisten war.
Als Lebensdauer waren für das Haupttragwerk 100 Jahre gefordert, für Sekundärbauteile und technische Ausrüstungen je nach Bauteil 25 bis 50 Jahre.
Die Summe der umfangreichen funktionalen Anforderungen lässt sich vereinfachend zusammen fassen in der Aufforderung, ein über die Lebensdauer der neuen Brücke ungehinderten und durch Dritte unbeeinträchtigten Zug- und Fußgänger- und Fahrradverkehr sicherzustellen, einen ungestörten Flusslauf zu gewährleisten, die unterführte Schifffahrt und den Straßenverkehr aufrechtzuerhalten und der Funktionalität des Gelderse Dijk und des Schellerdijk sowie der vorhanden Flora und Fauna (Ökologie) und des Wasserhaushaltes Rechnung zu tragen.
In der Planung zu berücksichtigen waren die Vorgaben zur Trassierung, Gradiente und Lichtraumprofilen, zu den Beanspruchungen und zur Brückenausrüstung sowie unter Beachtung möglicher zukünftiger Änderungen und Erweiterungen verschiedene Erdungssysteme und Kabelführungen.
Beim Entwurf des Tragwerkes und des Lagerungssystems waren die Aspekte hinsichtlich des Tragwerkes selbst und auch des Gleisoberbaus gegeneinander abzuwägen.
Zur Minimierung von Unterhaltungsaufwendungen für Tragwerk und Oberbau galt die Entscheidungsprämisse, die Anzahl von Lagern und Fugenkonstruktionen so gering als möglich zu halten.
Entsprechend wurde ein über die gesamte Länge von 927 m durchlaufendes Tragwerk ohne Fugen entworfen. Schienenauszüge sollten auf die Überbauenden beschränkt bleiben.
Die vollständige Vermeidung von Schienenauszügen war mit den Entwurfsvorgaben und bei der Länge des Bauwerkes nicht realisierbar. Jedoch war die Beschränkung auf nur einen Schienenauszug am Widerlager Zwolle möglich. Auf der Seite Hattem wurde der Überbau zusammen mit der Radwegkonstruktion, der hohen horizontalen Auflagerkräfte wegen, in das Widerlager eingespannt und neben dem Schienenauszug auch auf aufwändige und notwendigerweise austauschbare Brückenlager verzichtet.
Die schubfeste Anbindung des abliegenden Radweges ließ durch die Mitwirkung im Gesamtquerschnitt hohe, jedoch beherrschbare Konsolbelastungen erwarten. Eine regelmäßige Fugenteilung wurde dennoch wegen des konstruktiven Aufwandes, der Schadensanfälligkeit und den Unterhaltungsaufwendungen sowie den architektonisch gewünschten ebenen und ungestörten Ansichtsflächen verworfen.
Das gewählte Durchlaufsystem erfüllt gleichermaßen höchste Ansprüche an die Dauerhaftigkeit des Tragwerkes und des Gleisoberbaus. Kosten für den Unterhalt eines verschleißträchtigen Schotterbetts mit Fugen und Übergängen, bedingt durch die zyklischen Belastungen aus Drehwinkeln und Verformungen bleiben dem Bauherrn erspart.
Zusammen mit der architektonisch und baubetrieblich geprägten Entscheidung einer einheitlichen Materialwahl und der Ausführung des gesamten Haupttragwerkes in Stahl wurde für die Vorlandbereiche eine Regelstützweite von 40 m mit verkürzten Randfeldern gewählt. Die Schlankheit der Längsträger ist mit 1:15,4 ein für die Eisenbahnbrücke technisch und wirtschaftlich günstiger Wert, die Feldlänge von 40 m vorteilhaft für Fertigung und Montage.
Durch die Ausführung des Haupttragwerkes in Stahl konnte auch die Bauzeit optimiert werden. Beide Vorlandbereiche wurden mit Kranmontage zeitgleich montiert, das 2.400 to schwere Mittelteil im Anschluss mit Litzenhebern in seine Endlage eingehoben.
Alle Hauptquerschnitte des Tragwerkes sind luftdicht verschweißte Hohlkästen mit für die Brückenansicht und die spätere Bauwerksunterhaltung vorteilhaften ebenen Flächen. Kosten für einen inneren Korrosionsschutz entfallen.
Aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und zur Reduzierung der Schallemission wurde die Fahrbahnplatte der Eisenbahnüberführung in Stahlbeton geplant, unterstützt von 1,3 m hohen Stahlquerträgern im Abstand von 3,33 bis 3,57 m.
Durch die Wahl tragender Fertigteilplatten mit einer Ortbetonergänzung wurde der aufwändige Einsatz von Schalungen vermeiden.
Mit der ebenso vorgesehenen Betonfahrbahn im Rad- und Gehwegbereich sind die bekannten Nutzungsvorteile im Winter verbunden.
Die Stahlbauteile bestehen aus Stahl der Güte S355, die Fahrbahnplatten aus Stahlbeton C35/45.
Zusammenfassung
Für das Design des Tragwerkes war hier vom Bauherrn ein Systems Engineering vorgeschrieben, worunter man allgemein eine Methode versteht, komplexe Entwicklungs- und Entwurfsprozesse so zu planen und zu steuern, dass die Projektanforderungen in einen optimierten Gesamtentwurf münden.
Sichtbar sollen dabei nicht nur das Endprodukt, sondern auch alternative Lösungsansätze, Entscheidungen und deren Auswirkungen sein.
Die Struktur des Entwurfsprozesses, als System-Breakdown-Structure (SBS) bezeichnet, wird ausgehend von den Anforderungsspezifikationen des Bauherrn und den Forderungen der bautechnischen Regelwerke durch eine Reihe von Dokumenten beschrieben.
Variantenbetrachtungen, die in einer sog. Trade-Off-Matrix gegenübergestellt werden, liefern Auskunft über eine funktionale, qualitative, terminliche und finanzielle Risikobewertung von Entwurfskonzepten.
Eine Anforderungskontrollmatrix und Verifikationspläne sollen garantieren, dass alle Anforderungen sicher erfüllt werden.
Weitere Bestandteil des SBS sind RAMS-Analyse und Safety-Analyse, die beschreiben und dokumentieren, in welcher Form und durch welche Vorkehrungen der Entwurf die entsprechenden Bedingungen erfüllt.
Der globale Systementwurf und sowie auch alle aus dem Systementwurf abgeleiteten Detailentwürfe unterliegen diesem Prozessablauf. Durch den fortlaufenden und engen Dialog und die Besprechung aller Entwurfsansätze mit dem Bauherrn garantiert diese Vorgehensweise den angestrebten optimalen Designerfolg und reduziert durch die dokumentierte Selbstkontrolle den Prüfungsumfang des Bauherrn auf stichprobenartige Kontrollen.
Der Struktur des Entwurfsprozesses, als Work-Breakdown-Structure (WBS) bezeichnet, umfasst weitergehende Belange wie die Durchführung von Baufelduntersuchungen, Umweltmaßnahmen, den Schutz Objekte Dritter wie Kabel und Leitungen, Abnahmen, Prüfungen und Vermessungen, um einige notwendige Schritte zu nennen.
Bestandteil des Systems Engineering ist auch ein Risikomanagement, das Toleranzen des Tragwerkes oder zeitliche Risiken, wie zum Beispiel die verspätete Erreichbarkeit öffentlich rechtlicher Genehmigungen beinhalten kann.
Das Ergebnis dieses Arbeitsprozesses ist ein Tragwerk, das die aktuellen und zukünftigen funktionalen und wirtschaftlichen Anforderungen erfüllt.
Eisenbahnbrücken sind mit ihren hohen Belastungen und den Anforderungen an die Steifigkeit in aller Regel massige Bauwerke.
Der Bauwerksentwurf der IJsselbrücke beweist, dass selbst unter der schwierigen Randbedingung der ebenen niederländischen Landschaft ein architektonisch begeisterndes Eisenbahnbrückenbauwerk entstehen kann.
Nicht wenige in der im Vorfeld in die Entscheidungsfindungen der IJsselquerung eingebundenen Bevölkerung hatten sich vehement für eine Tunnellösung ausgesprochen. Nach dem mit großem öffentlichem Interesse begleiteten Litzenhub des Bogens und der Fertigstellung des Brückenzuges war jedoch nur noch eine allgemeine Begeisterung für dieses Bauwerk zu erleben.
Mit der Brücke über die IJssel ist ein herausragendes Beispiel für architektonisch ansprechenden Eisenbahnbrückenbau entstanden.
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