Isarsteg Nord - Fuß- und Radwegbrücke in Freising

AUSZEICHNUNG
Architekt: J2M Architekten, München
Laudatio
Der Isarsteg beeindruckt durch seine einprägsame, skulpturale Erscheinung, die sich als formal eigenständige Struktur in die Isarauen integriert. Der polygonal gefaltete wetterfeste Stahl bildet einen fast natürlichen Kontrapunkt zu Baumbestand und horizontaler Morphologie der Flusslandschaft. Überzeugend ist auch die Konstruktion: Wie selbstverständlich sind die Zu- und Abgänge, welche das gegebene Wegenetz bedienen, auch inhärenter Teil von Struktur und Tragwerk.
Der Isarsteg ist in integraler Bauweise hergestellt und auch durch die Ausführung in wetterfestem Stahl ein wartungsfreundliches Stahlbauwerk von einfühlsamer architektonischer Gestalt und innovativer konstruktiver Qualität.
Erläuterungsbericht von J2M Architekten:
Die Stadt Freising ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen; vor allem auf der rechten, der Innenstadt gegenüberliegenden Seite der Isar. Der »Isarsteg Nord« soll die dort gelegenen Stadtteile künftig deutlich besser an das Zentrum anbinden. 2013 hatte die Stadt ein europaweites VOF-Verfahren für die Fußgänger- und Radfahrerbrücke ausgelobt. Der Siegerentwurf von Christoph Mayr, Oliver Englhardt und Josef Taferner überzeugte die Stadträte vor allem, weil er mit einem Minimum an Eingriffen in das FFH-Gebiet längs der Isar auskommt und sich auch gestalterisch subtil in die Auenlandschaft einfügt. Das fast 160 Meter lange Brückenbauwerk verbindet insgesamt drei Fuß- und Radwege miteinander, die über zwei Treppen und zwei flach geneigte Rampen erschlossen werden. Seine Spannweite über den Fluss beträgt 58 Meter.
Foto: Quirin Leppert
Die Charakteristik des Auwaldes – Baumbestand, Lichtung, horizontale Morphologie der Flusslandschaft und Ökologie werden zum entwerferischen Impuls des Stegs. Der Steg führt als horizontale Höhenwege durch den Auenwald - nicht in direkter Linie als schnellste Verbindung zweier Punkte, sondern tastend, sich verzweigend, den richtigen Weg suchend. Dabei kann präzise auf die örtliche Wegesituation und auf den schützenswerten Landschafts- und Baumbestand eingegangen werden.
Um eine möglichst hohe Einbindung in den Naturraum Aue zu erreichen werden Tragwerk und Weg weitestgehend in Übereinstimmung gebracht: Wege, Rampen und Treppen sind immer zugleich Trag- und Stützelemente. Jede künstliche Veränderung der Topographie wird vermieden. Allein die sich gabelnde und verzweigende Wegeskulptur ist zu sehen – in Analogie zur Verzweigungsstruktur eines Astes der subtil seine Richtung ändert am Punkt jeder Knospenbildung. Dieser Eindruck eines den Naturkräften ausgesetzten Astes wird durch die Wahl des rotbraun patinierten Wetterfeststahl und durch die Reduzierung der Tragdetails als Monomaterial verstärkt. Der neue Steg wird so zur Beobachtungsplattformen der umgebenden Landschaft und Ökologie des Auwaldes.
Der Entwurf für den Isarsteg Nord folgt der Prämisse der Integration mit dem Ort und dem Nutzer ebenso wie zwischen Tragwerk und Wegeführung. Daher ist die Brücke als biegesteifes Rahmentragwerk konstruiert, deren Bauteile − Überbau, Stützen, Gründungsbauteile und Widerlager − ohne Lager und Bauteilfugen miteinander verbunden sind. Das Konstruktionsprinzip für den Überbau, die Treppenabgänge und die Stützen ist dabei immer dasselbe: ein in seinem Querschnitt veränderlicher, kielförmiger torsionssteifer Stahlhohlkasten. Der Überbau besitzt über die gesamte Brückenlänge eine konstant Höhe von 1,20 m. In den Hohlkasten sind im Abstand von ca. 3 m Querschotten eingeschweißt, die gleichzeitig als Querträger für das Brückendeck dienen. Die beiden Stützen und die beiden Treppenabgänge leiten mit sich gegenseitig ergänzenden Stützmechanismen die Lasten in die Gründung ein. Die gesamte Stahlkonstruktion ist luft- und wasserdicht verschweißt, wobei die Blechdicken entsprechend der jeweiligen statischen Beanspruchungen variieren.
Das 3 m breite Brückendeck besteht aus einer 15 cm dicken, bewehrten Betonplatte (Betongüte C35/45). Sie ist kraftschlüssig mit dem Deckblech (tmax = 25 mm) des Stahlhohlkastens verbunden und bildet damit einen Bestandteil des Primärtragwerks. Darüber hinaus dient sie der Verteilung von Einzellasten sowie als Belag für den Rad- und Fußgängerweg. Ihre hierzu erforderliche Rauigkeit wird durch Besenstrich erzeugt.
Aufgrund der integralen Bauweise konnten die Gründungsbauteile und Widerlager in ihren Abmessungen stark reduziert werden. Der Isarsteg erhielt eine Tiefengründung über Kleinbohrpfähle (verpresster Durchmesser 250 mm), die entsprechend der resultierenden Auflagerkräfte geneigt als Druck- oder Zugpfähle mit innenliegendem Gewindestab ausgebildet werden. Nur die Ostrampe ist wegen ihres schleifenden Schnitts mit dem Gelände mit einer Flachgründung versehen.
Die klare Linienführung des Entwurfs verlangt eine Überhöhung der Konstruktion um die Verformungsanteile aus dem Eigengewicht. Unter maximaler Nutzlast (Verkehr) verformt sich die Brücke um ca. 72 mm (entspricht ca. l/780). Dynamische Untersuchungen ergeben als erste Eigenform eine vertikale, sinusförmige Schwingung mit einer Eigenfrequenz von 1,09 Hz und einer modalen Masse von 65 t. Der Nutzerkomfort wurde über einen Schwingungsdämpfer sichergestellt.
Aufbau Foto: J2M Architekten
Die Materialpalette wurde bewusst reduziert und nach ökologischen Prinzipien ausgewählt. Da die Brücke über ihre gesamte Länge weder Dehnungsfugen noch Gleitlager besitzt, kommt die Konstruktion ohne Kunststoffe und mit einem Minimum an Anschlusspunkten aus. Die Stahlkonstruktion ist aus schweißgeeignetem wetterfesten Baustahl S355 J2G2W (Stahl nach EN10155 bzw. EN10025-5) erstellt. Der Stahl entwickelt eine feste und dichte oxidische Deckschicht und benötigt deshalb keinen weiteren Korrosionsschutz. Eine Beschichtung der gesamten Stahlkonstruktion hätte im Abstand von etwa 30−40 Jahren eine Erneuerung des Korrsionsschutzes bedingt, die vor Ort in der Natur durchgeführt und daher mit aufwändigen Schutzmaßnahmen verbunden gewesen wäre.
Unter der Auflage des Gewässerschutzes wurden für die Betonbauteile der Gründung ausschließlich chromatreduzierte Zemente und keine grundwasserschädlichen Zusatzstoffe verwendet. Zum Schutz vor Erosion an den Gründungsbauteilen binden die Widerlager und Pfahlkopfplatten tief in den Baugrund ein. Auf Erdaufschüttungen konnte verzichtet werden, da alle vier Enden der Brücke am vorhandenen Niveau der Uferwege bzw. des Dammwegs ansetzen.