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Keltenmuseum am Glauberg

Werner Huthmacher

Bericht der Architekten
Museum für keltische Kunst in unmittelbarer Nähe zu historischem Grabhügel.

Einem freigelegten archäologischem Fundstück gleich, ragt der metallische Körper des Museums in die Landschaft und bildet ein Pendant zum Hügel des Keltengrabs. Mehr ein geheimnisvolles Objekt in der Landschaft als Architektur, will das Museum von seinen Besuchern entdeckt werden und wird selbst zum Dispositiv für die Entdeckung der Landschaft.

Das Plateau am Rand der Wetterau war vom 5. Jahrtausend v. Chr. bis ins hohe Mittelalter aufgrund seiner strategisch günstigen Lage und dem weit reichenden Fernblick ein beliebtes Siedlungsgebiet. Die Überreste der Siedlungen sind noch heute im Gelände zu sehen und machen den Glauberg – unterstützt von den Geschichten und Mythen über die Bewohner des Glaubergs - nicht nur für Forscher zu einem ganz besonderen Ort.  Bereits in den 30er Jahren gab es Ausgrabungen, die jedoch mit den Kriegswirren unterbrochen werden mussten.  Doch was die Archäologen auf den geomagnetische Luftaufnahmen, entdeckten und zwischen 1994 und 2000 ans Tageslicht beförderten, hätten diese sich in ihren kühnsten Träumen nicht auszudenken gewagt. Die sensationelle Entdeckung der keltischen Fürstengräber mit reichhaltigen, vollständig erhaltenen Grabbeigaben, dem Kultbezirk und der zugehörigen Siedlung gehört heute zu der wichtigsten keltischen Fund- und Forschungsstätte Europas.

Der Kult um das ca. 20ha große archäologische Areal mit dem inzwischen rekonstruierten Grabhügel und Teilstücken der Prozessionsstraßen ist sofort spürbar. Eindrucksvoll präsentiert sich die sanfte Topographie bis zum Horizont.

Den unverwechselbaren Ort achtend, verzichtet die Architektur auf große Gesten und nimmt sich zugunsten der historisch geprägten Landschaft zurück. Als klar konturierter und eindeutiger Baukörper fügt sich das Keltenmuseum in den weitläufigen Landschaftsraum ein. Halb im Hang verborgen richtet es sich zum Keltenhügel aus und lässt dabei bewusst den Grabhügel Hauptakteur sein. Dessen zentrale Funktion als landschaftliches Element wird durch das Museum als ein „Wahrnehmungsverstärker“ unterstützt.

Der geschützte Freiraum unter der mächtigen Auskragung dient als Start- und Endpunkt für den Rundgang auf dem archäologischen Lehrpfad und für die Erkundung des Museums. Eine Treppenrampe im Inneren des Gebäudes empfängt den Besucher und leitet ihn langsam in die Ausstellung. Einer der Höhepunkte der Ausstellung ist das große Panoramafenster, das einen beeindruckenden Ausblick auf den Grabhügel ermöglicht, der so zum eigentlichen Ausstellungsstück wird. Das Dach als Aussichtsplattform ermöglicht den Rundblick in die Landschaft und gibt den ‚Himmel’ zum Entdecken frei.

Szenographie
Die Ausstellungsarchitektur basiert auf dem übergeordneten Prinzip der Schichtung ausgehend von den Abläufen einer archäologischen Grabung. Die Geschichte und Kultur der Kelten wird in einzelnen Schichten freigelegt und modelliert in einem neutralen Raum differenzierte Zonen und Übergänge. Unterschiedlich geformte, horizontal verlaufende und vertikal geschichtete Bänder, die vor- und zurück springen, bilden wandlungsfähige Ausstellungskörper. Diese bieten unterschiedliche Präsentationsmöglichkeiten und erlauben die Integration von flachen Schaukästen, über Medienstationen bis hin zu Ausstellungsvitrinen. Es entsteht kein streng vorgegebener Parcours, sondern ein offenes fließendes Ausstellungskonzept, das die vielseitigen Aspekte der Keltenwelt zusammenführt. Beim mehrmaligen Durchwandern der Ausstellung kann der Besucher immer wieder Neues entdecken und wird so zum ‚Mitforscher‘.

Material
Die kompakte Form wird durch eine Verkleidung aus großformatigen Corten-Stahlplatten unterstützt. Das Material weckt zum einen Assoziationen mit Erdverbundenheit und Schwere, und ist zum anderen eine Reminiszenz an den fortschrittlichen und handwerklich kunstvollen Umgang der Kelten mit Metallen. Die Farbnuancen des Cortenstahls harmonieren mit der ‚Farbigkeit des Ortes‘ - dem Kolorit der umgebenden Wiesen, Felder und des Mischwalds am Glauberg Plateau.


Foto: Werner Hutmacher

Konstruktion
Analog dem Gebäudekonzept gliedert sich das Tragwerk des Bauwerks in zwei Bereiche: einem Massivbaubereich und dem auskragenden Stahlbaubereich. Der Teil des Obergeschosses, der in den Hang schneidet und Bibliothek, Museumspädagogik und die Räume für die Administration beherbergt, ist in Stahlbeton ausgeführt. Der Teil, der die stützenfreien Räume für Dauer- und Sonderausstellung sowie den Vortragsraum aufnimmt, besteht aus einer Stahlkonstruktion, die in Längsrichtung elf Meter, in Querrichtung 2,50 Meter über das gläserne Erdgeschoss auskragt. Die Stahlkonstruktion besteht aus zwei in Längsrichtung gespannten raumhohen Fachwerkträgern sowie einem quer gespannten Vierendeelträger, der zudem die Aufgabe einer Lichtschleuse für die lichtempfindlichen Exponate übernimmt. Während die Decken die horizontalen Lasten in den Massivbau leiten, werden die vertikalen Lasten über insgesamt vier Stützen in den Boden geleitet. Die beiden auf Zug beanspruchten Stützen wurden in ihren Dimensionen minimiert und sind – integriert in die Glasfassade des Erdgeschosses - kaum zu sehen. Die beiden auf Druck beanspruchten, etwas dickeren Stützen wurden so geschickt platziert, dass der Besucher sie ebenfalls nicht wahrnimmt, und das Tragwerk so insgesamt die Illusion der freien Auskragung stärkt.

Ökonomie, Ökologie und Nachhaltigkeit
Durch die kompakten Bauform und geringe Hüllfläche des Museums wird nicht nur der Primärenergiebedarf reduziert, es werden auch nur sehr geringe Flächen des Landschaftsraumes versiegelt. Die Kombination der wesentlichen Konstruktionsmaterialien Beton und Stahl erlaubt einen materialgerechten, und effizienten Einsatz der Baustoffe nach deren Anforderungen. Die hinterlüftete Metallfassade aus Cortenstahl stellt energetisch einen optimalen Standard dar und schützt die Konstruktion dauerhaft. Der Effekt der schützenden Patinaschicht des Fassadenmaterials  minimiert die Betriebskosten, da laufende Wartungskosten entfallen. Durch die Verwendung hochisolierender Baustoffe und Wärmeschutzverglasungen wird der Aufwand zusätzlich reduziert.  Alle Baustoffe sind recyclebar und können dem Wertstoffkreislauf wieder zugeführt werden.

Eine Pelletheizung verwendet ausschließlich den nach-wachsenden Rohstoff Holz und ist somit CO²-neutral. Durch den Einsatz moderner  Wärmerückgewinnungsanlagen- und Steuertechnik  werden Energieverluste minimiert.

Das auf den Dachflächen anfallende Regenwasser wird großflächig versickert und dem Grundwasser wieder zugeführt. Nach Anlage des archäobotanischen Gartens im kommenden Frühjahr, wird das Regenwasser gesammelt und zu dessen Bewässerung genutzt. Zur Modellierung des Gartens wurden die Erdmassen der auszuhebenden Baugrube eingesetzt, so dass diese direkt „vor Ort“ verbleiben konnten. Die notwendigen  Flächenbefestigungen kommen mit Ausnahme der Zufahrtstraße ohne Versiegelung aus: wassergebundene Wegedecken und Schotterrasen formen Wege und Parkplatzflächen. Für die Bepflanzung wurden standortgerechte und ortstypische Bäume und Sträucher verwendet.

Preis des Deutschen Stahlbaues 2012 - Auszeichnung
Laudatio der Jury

Die Herausforderung, ein Museum für keltische Kultur in eindrucksvoller Landschaft direkt neben dem historischen Grabhügel zu errichten, wurde mit einem klar gestalteten, prägnanten Baukörper gelöst, der auf große Gesten verzichtet und selbst eher wie ein vorzeitliches Fundstück in Erscheinung tritt. Halb im Hang verborgen richtet sich das Museum zum historischen Keltengrab hin mit einem großflächigen Panoramafenster aus.

Mit seiner markanten Auskragung demonstriert der Neubau wunderbar die konstruktiven Möglichkeiten von Stahl. Die Bekleidung mit großflächigen Platten aus wetterfestem Stahl verleiht dem Museum eine sinnlich raue Haut, die mit den natürlichen Farben des Ortes harmoniert. So gelingt eine moderne Reminiszenz an den handwerklich kunstvollen Umgang der Kelten mit Metallen.

Fertigstellung
2011
Architekt
kadawittfeldarchitektur GmbH, Aachen
Ingenieur
Bollinger und Grohmann Ingenieure GmbH, Frankfurt
Bauherr
Land Hessen vertreten durch das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst (HMWK) und das Hessische Baumanagement (HBM), Wiesbaden
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