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Lob – Nachhaltiges Fußballstadion für die Würzburger Kickers

Julia Scheiner | Universität Stuttgart

Foto: Julia Scheiner

Die Fußballer der Würzburger Kickers spielen aktuell in der 3. Liga. Der vorliegende Entwurf beschäftigt sich mit einer neuen Spielstätte für den Verein im Falle des Aufstiegs in die 2.Bundesliga, da nach eingehender Analyse das aktuelle Stadion den modernen Richtlinien des Stadionbaus kaum ohne massive Umbaumaßnahmen genügen wird.
Es soll ein neues Aushängeschild für Verein und Region mit einer Kapazität von ca 17.000 Zuschauerplätzen geschaffen werden.

Abb.: Julia Scheiner

Standort
Ein neuer (hypothetischer) Standort wurde unweit des aktuellen Stadions gefunden. Das Gelände des SV Heidingsfeld, mit seiner Hanglage direkt an der Autobahn A3 und Bundesstraße B19 schien hierfür ideal geeignet.
Die Infrastruktur mit ihrer Anbindung an Autobahn, Bundesstraße und auch ÖPNV sind die optimale Voraussetzung für ein stadtnahes Stadion ohne die Gefahr eines Verkehrskollapses an Heimspieltagen.

Form/Konzept
Das Nord-Süd-orientierte Stadion soll auf die Hanglage reagieren, ein Gegengewicht zur Topographie bilden und auch von der Autobahn aus gut zu sehen sein, obwohl es ein Ein-Rang-Stadion ist.
Dies wird durch eine Asymmetrie entlang der Längsachse erreicht, das Stadion erhebt sich aus dem Hang und bietet auf der Gegengeraden mehr Zuschauerreihen Platz als auf der Haupttribüne.

Diese Form unterstreicht auch das Gefühl der „Festung“, wie die Fans ihr Heimat-Stadion gerne nennen: es wirkt bei der Anfahrt von der Stadt deutlich größer als ein symmetrisches Stadion mit gleicher Kapazität.
Im Szenario soll der Sponsor WVV, die Würzburger Stadtwerke, das Stadion als Werbeträger für seine Elektromobilitätsflotte nutzen. Daher wird das nach Westen geneigte Dach nahezu vollständig mit PV-Modulen eingedeckt. Ein ausführliches Energiekonzept arbeitet heraus, dass so sowohl der Eigenbedarf gedeckt werden kann, als auch die Einspeisung des erzeugten Stroms bei Handel an der Strombörse EPEX wirtschaftlich sinnvoll ist.
Durch die Module auf dem Dach wirkt dieses optisch wie eine starre, elegante Scheibe, beinahe wie ein Auge, das auf den Platz gerichtet ist.
Die Form wirkt mit ihren geneigten Stützen dynamisch und ähnlich einer Krone auf dem Hang, das neue „Schmuckkästchen“ der Stadt.

Tragwerk
Das Dachtragwerk beruht auf den Prinzipien des Speichenrades mit einem äußeren Druck- und zwei inneren Zugringen. Dieses Tragwerk, das normalerweise von seiner Symmetrie lebt, galt es auf ein asymmetrisches Dach zu übertragen.
Die Lösung liegt unter anderem in der unterschiedlichen Höhe der Druckstäbe, sodass der Winkel zwischen Schnee- und Windseil immer gleich bleiben konnte, obwohl sich deren Länge von Speiche zu Speiche ändert.
Auf den oberen Zugring konnte aufgrund der hohen Eigenlast des Daches verzichtet werden, sodass in diesem Fall eine Konstruktion mit einem Druck- und einem Zugring entsteht. Der Druckring ist hierbei ein verschweißtes Stahlprofil, der Zugring besteht aus insgesamt 6 Stahlseilen.Dieses Dach lagert auf runden Pendelstützen aus Stahl.

Diese sind zum Einen nach außen geneigt, so wirkt die Form dynamischer und der Fußabdruck des Stadions verkleinert sich auf eine angemessene Dimension. Auch die Asymmetrie wird hierdurch noch einmal deutlich herausgearbeitet.
Zugleich sind die Stützen gedreht, die „Speichen“ des Daches, die tangential an den Zugring angreifen und zum Druckring laufen, geben die Richtung vor. Das Dachtragwerk ist von unten mit einer Membran verkleidet.
Diese dient vorallem dem Schutz der Zuschauer vor Wärmestrahlung, die durch die PV-Module dringt.
Die Wärme sammelt sich also in der Dachebene und kann zu den offenen Seiten hin entweichen.

Nutzung
Das Stadion ist in 4 Tribünenabschnitte aufgeteilt: Die Nordkurve mit dem Stehblock der Heimfans, der Gegengeraden im Osten, der Gästestehblock im Süden und die Haupttribüne mit Spielertrakt sowie VIP- und Businessbereich im Westen. Erschlossen wird das Stadion entweder über die Tiefgarage bei entsprechender Akkreditierung oder über die erdgeschossige umlaufende breite Promenade. Hier sind natürlich auch Rettungs- und Fluchtwegsbreiten einzuhalten.
Auf der Westseite befindet sich der Bereich für sowohl Einsatzfahrzeuge als auch TV-Trucks. Unter den Tribünen befinden sich die Versorgungsstände für Zuschauer, dazwischen die Aufgänge zu den jeweiligen Tribünen-Blöcken.In den Kurven im Nordwesten so wie Südwesten befinden sich die sogenannten Marathontore, die eine Entfluchtung über das Spielfeld gestatten sowie Einsatz-und Wartungsfahrzeugen den Zugang ins Stadion gewähren.
Im Bereich der Haupttribüne befindet sich ebenerdig der Trakt der Spieler und Offiziellen mit Umkleidekabinen, Massageräumen etc, sowie ein Fanshop, Pressekonferenzraum und ein VIP-Light-Bereich. Dieser ist gerade für kleinere Vereine empfehlenswert, um eine preisliche Zwischenstufe zwischen normalem Tribünenplatz und VIP- Bereich zu schaffen. Eine Entwicklung dieses Trends ist in der Bundesliga zu beobachten und sollte daher von vornherein eingeplant werden.

Im Obergeschoss befindet sich der Businessbereich mit Cateringstationen und Essensbereich.
Hier wird bewusst auf einen Ausblick auf das Spielfeld verzichtet. In der Befragung mehrerer Stadionbetreiber kristallisierte sich heraus, dass in diesem Bereich ein Ausblick ausdrücklich nicht gewünscht wird, da die Besucher sonst nicht auf die Tribüne hinausgingen und so im Fernsehen eine leere Tribüne zu sehen sei.
Der Ausblick aufs Spielfeld bleibt den VIP-Logengästen im 2.OG vorbehalten. Hier wartet aber auch die Gegengerade mit einer Besonderheit auf: Eine Galerie mit Versorgungsständen und Sitzgelegenheiten für Besucher, die oftmals relativ früh am Stadion sind und normalerweise kein Sitzangebot außerhalb der Tribüne haben.
Gerade hier war es wichtig, eine neue Möglichkeit zu schaffen, andere Fans kennenzulernen oder einfach mit der Familie noch einen Kaffee vor dem Spiel zu trinken.

Abb.: Julia Scheiner

Innovation
Neben dem außergewöhnlichen Tragwerk spielte bei dem Entwurf vor allem das Energiekonzept eine wichtige Rolle.
Der Energieverbrauch eines Fußballstadions wurde genau untersucht. Bei Heimspielen kommt es vorallem bei Flutlichtspielen kurzfristig zu sehr hohen Stromverbrauchsspitzen, Wärmeenergie wird vorallem im Winter durch die vorgeschriebene Rasenheizung und Beheizung der Räumlichkeiten im Bereich der Haupttribüne (Umkleiden, VIP-Bereiche)verbraucht.

Der Strom, der durch die großflächige PV-Anlage auf dem Dach produziert wird, wird in erster Linie für den Eigenbedarf, das heißt allgemeiner Stromverbrauch des Stadions, insbesondere aber zum Auftanken der Elekroflotte genutzt.

Hierbei ist die zukünftige Entwicklung der Förderung erneuerbarer Energien betrachtet worden mit dem Ergebnis, dass eine Westausrichtung des PV-Daches im Falle einer Vermarktung des erzeugten Stroms an der Strombörse EPEX deutlich lukrativer ist. Da die meisten großen PV-Anlagen nach Süden orientiert sind, ist das Stromangebot zur Mittagszeit recht hoch und fällt nachmittags gegen 15 Uhr ab. Da Angebot und Nachfrage den Preis an der Börse regulieren bedeutet das bei Westausrichtung eine höhere Nachfrage bei weniger Angebot, also einem deutlich höheren Preis, der für eingespeisten Strom zu erzielen wäre.
Hierbei handelt es sich um ein von Experten für wahrscheinlich gehaltenes Szenario,nämlich dass Strom aus erneuerbaren Energien nicht mehr staatlich gefördert wird, sondern frei an der Strombörse gehandelt werden muss.

Die Ausrichtung des Daches wurde auf dieses Szenario hin überprüft und anderen Varianten vorgezogen.

Kurzfristige extreme Spitzen werden durch die Eigenerzeugung nicht zu decken sein. Stromspeicher in angemessener Größe wären für das Stadion und den Betreiber wirtschaftlich nicht sinnvoll. Für diese Ausnahmefälle muss eine Regelung mit dem Sponsor WVV gefunden werden.

Im Bezug auf Wärmeenergie sieht der Entwurf eine Doppelnutzung der Rasenheizung vor, nämlich als Rasenheizung im Winter und im Sommer als riesiger geothermischer Flächenkollektor, der die Wärme der Sommermonate in Erdsonden speichert. Diese kann dann bei Bedarf mittels Wärmepumpe wieder zum Heizen des Rasens oder der Räumlichkeiten der Haupttribüne genutzt werden.

Selbstverständlich soll auch das Regenwasser für die Versorgung des Stadions genutzt werden können, es wird hierzu in Tanks unter dem Spielfeld gesammelt und beispielsweise für Bewässerung oder Toilettenspülung genutzt.

Master Arbeit
Julia Scheiner

Universität Stuttgart
Prof. Dipl.-Ing. Friedrich Grimm
Dipl.-Ing. Peter Seger

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