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Museum der Bayerischen Könige, Hohenschwangau

Marcus Ebener

Stahlbaupreis 2012
Ingenieurpreis des Deutschen Stahlbaues 2013 – Kategorie Hochbau

Preis des Deutschen Stahlbaues 2012
Laudatio der Jury

Das neue Museum über die Geschichte des Wittelsbacher Königshauses unterhalb der Schlösser Neuschwanstein und Hohenschwangau ist eine vollendete Synthese aus deutender Formsetzung und ingenieuser Formfindung.

Seine Architektur ergibt sich wie selbstverständlich aus dem Dialog mit dem ‚genius loci‘. Die stählernen Rautengewölbe der leichten, neuen Dachkonstruktion über einem ehemaligen Speisesaal zwischen bestehendem Hotel und Jägerhaus transformieren hintersinnig das Rautenmuster der bayerischen Landesflagge in eine raumbildende Stahlstruktur, überwölben stützenfrei den introvertierten Ausstellungssaal mit den Kronjuwelen und öffnen sich seitlich zur Alpenlandschaft.

Die konstruktiven Vorzüge der in großen Elementen vormontierten stählernen Gewölbeschalen verbinden sich räumlich und bis ins Detail der äußeren Dachdeckung und der inneren Lichtdecke zu einer architektonischen Formensprache, die souverän mit der Historie und heraldischen Mustern spielt.

Ingenieurpreis des Deutschen Stahlbaues 2013
Laudatio der Jury

Die Neuinterpretation des Zollinger Prinzips und die Umsetzung in Stahl gestalten einen würdevollen Raum als harmonische Einheit von Konstruktion und Architektur. Die statisch-konstruktive Lösung wird Zweck und Aufgabe des Bauwerkes in besondere Weise gerecht, mit einer filigranen Tonnenkonstruktion ein majestätisches Dach für die bayerischen Könige zu schaffen. Hervorzuheben ist die technische Komplexität beim Eingehen auf Bestand und Denkmalschutz, bei den Auflagerbedingungen des statischen Systems der Rautentonne und bei der anspruchsvollen Stahlbaufertigung.

Bericht der Architekten
Im ehemaligen Hotel Alpenrose direkt am Alpsee unterhalb der Schlösser von Neuschwanstein und Hohenschwangau ist ein Museum über die Geschichte des Wittelsbacher Königshauses entstanden. Sichtbar nach außen wird die neue Nutzung vor allem über den Bau einer neuen Dachkonstruktion über dem eingeschossigen Verbindungsbau, dem ehemaligen Speisesaal des historischen Gebäudeensembles, bestehend aus dem Jägerhaus, dem Verbindungsbau mit Palmenhaus und dem Hotel Alpenrose.

Foto: Marcus Ebener

Mit einem filigranen Stahltragwerk wird eine dreischiffige Raumanlage aus zwei Viertel- und einem Halbtonnengewölbe entwickelt. Während die beiden äußeren Vierteltonnengewölbe den Blick in die Landschaft freigeben, entsteht in der mittleren Raumspur ein zentraler großer Raum. Gedeckt mit metallischen Schindeln, die sich farblich auf die Bestandsziegeldächer beziehen, bildet der neue Aufbau die „fünfte Fassade“ des Gebäudes, die insbesondere in Anbetracht der landschaftlichen bergigen Situation auch als solche von Spaziergängern und den Besuchern der beiden Schlössern wahrgenommen werden kann.


Der Zugang zum Museum erfolgt über den Verbindungsbau. Hier befindet sich das Foyer als Empfangs- und Verteilerraum zur Ausstellung, zum Museumsshop und zur Gastromomie.

 

Vom Foyer aus gelangt man über die neu errichtete Treppe in die Ausstellungsräume im Obergeschoss des Verbindungsbaus und findet sich im zentralen Ausstellungsraum wieder. Die Galerien mit unterschiedlicher Breite – größer zum Garten, kleiner zur Front mit Blick über Alpsee und Schloss Hohenschwangau laden zum Verweilen ein. Von der seeseitigen Galerie wird der Ausstellungsrundgang im angrenzenden Jägerhaus im 1. Obergeschoss und im Erdgeschoss auf einer Gesamtfläche von ca. 1000 qm fortgesetzt. Hier weden die vorhandenen Räume als natürlich belichtete Kabinette genutzt.

Im Erdgeschoss hofseitig an das Foyer angrenzend befindet sich das Nebenfoyer mit Garderoben und Sanitärbereich. Das Nebenfoyer dient auch als Foyer für das restaurierte Palmenhaus, das als Wechselausstellungsfläche und als Veranstaltungsraum genutzt werden kann.

Im Erdgeschoss und im 1. Obergeschoss des ehemaligen Hauptbau des Hotels Alpenrose befindet sich die Gastronomie mit großem Freibereich direkt am Ufer des Alpsees, in den oberen Geschossen ist wieder eine Hotelnutzung vorgesehen.

 

Lageplan und Zeichnung: Staab Architekten

Konstruktion
Ziel der Neubaukonstruktion war es, eine vom Altbau unabhängig funktionierende und gegründete Tragstruktur zu schaffen, die möglichst wenig in den denkmalgeschützten Bestand eingreift und nicht von der Position der Bestandswände im Erdgeschoss und der Tragfähigkeit der denkmalgeschützten Bestandsdecke abhängig ist.

 

Für das Dachtragwerk wurde eine von den Rauten der bayrischen Fahne abgeleitete Gitterschale entworfen. Dieses punktgestützte Schalentragwerk, bestehend aus einer Halbtonne und zwei Vierteltonnen, überspannt eine Stützweite von 20 m.


Die Rauten der Schale werden von ausgelaserten Flachstählen gebildet, die der Zylinderschale folgend, nach dem „Zollinger-Prinzip“ verschweißt werden. Die längsgerichteten Stahlpfetten, mit denen die Schale erst ihre räumliche Tragfähigkeit gewinnt, wurden oberhalb der Flachstähle angeordnet, so dass die Rauten gestalterisch nicht gestört werden.

Auf den Pfetten wurden Flachstähle zur Aufnahme der Trapezblechdeckung aufgeschweißt.

Die Gitterschale der Halbtonne wurde in fünf vorgefertigten Teilen angeliefert und auf einer Montagerüstung zusammengebaut. Die Vierteltonnen wurden in einem Stück auf die Baustelle transportiert.

Erläuterungen zur Einreichung 'Ingenieurpreis des Deutschen Stahlbaues 2013':

Aufgabenstellung

Der Ausgleichsfond beschloss am Ufer des Alpsees, im unmittelbaren Sichtweite der Schlösser von Neuschwanstein und Hohenschwangau, ein kleines Museum zur Geschichte der Wittelsbacher zu errichten.
Für dieses Museum der Bayerischen Könige sollte auf den Mittelbau des barock anmutenden dreiteiligen Bestandsgebäudeensembles, bestehend aus dem ehemaligen Grand Hotel „Alpenrose“, dem Jägerhaus und den beide Bauten verbindenden eingeschossigen Speisesaal von 1910 ein neues Dachgeschoss aufgebaut werden. Der neue Aufbau sollte auf die Dachlandschaft der angrenzenden Bestandsgebäude reagieren und insbesondere in Anbetracht der landschaftlich bergigen Situation die „fünfte Fassade“ des Gebäudes bilden. Das heißt es wurde großes Augenmerk darauf gelegt, wie der Ausblick für die Spaziergänger in der umgebenden Landschaft, zudem auch für die Besucher der beiden Schlösser Neuschwanstein und Hohenschwangau auf das Gebäude wirken würde. 
Somit wurde das Dach bereits im Wettbewerb als Halbtonne zur Überdachung des zentralen Ausstellungsraums und mit den zwei angeschlossenen Vierteltonnen für die jeweiligen Galeriegänge einerseits mit Blick über den Alpsee und andererseits in Richtung der beiden Schlösser geplant. 
Hierfür sollte ein sinnfälliges Tragwerk mit einer Stützweite von ca. 20m gefunden werden, zudem mit einer möglichst vom Altbau unabhängigen Tragstruktur. Insbesondere durften keine Zwischenstützungen im Bereich des darunter liegenden, unter Denkmalschutz stehenden Speisesaals vorgesehen werden. Die neu zu errichtenden Stahlbeton- oder Stahlstützen durften nur im Bereich der Fassade aufgelagert werden. Außerdem musste die Dachkonstruktion der Brandschutzanforderung F30 genügen.
Erwähnt werden sollte auch die gewünschte hohe gestalterische Qualität der Dachkonstruktion, die auch eine Einheit mit der geplanten Lichttechnik ergeben sollte.
Die neue Dachkonstruktion der Aufstockung sollte zudem mit seinem zu Tonnen zusammengesetzten Tragwerk die Rauten der Bayerischen Fahne abbilden.

Tragwerksentwurf
Es wurden Tragwerke gesucht, die die gewünschte Tonnenform aufweisen, die geforderte Stützweite von 20m möglich machten und in der Ausbildung der tragenden Struktur eine irgendwie geartete grafische Ähnlichkeit mit den Rauten der bayerischen Fahne haben sollten.

Eine zusätzliche Herausforderung stellte hierbei die anzusetzenden Schneelasten dar, die im Alpenvorland weit über denen z.B. in Norddeutschland liegen. Statt wie gewöhnlich z.B. für Berlin und den meisten Gebieten Deutschlands geltenden charakteristischen Schneelastwert von 0,85 kN/m² auszugehen, müssten hier 4,95 kN/m² angesetzt werden. Zusätzlich mussten die Schneemengen durch Anwehen und Abrutschen von den umliegenden Dachschrägen der angrenzenden Gebäude berücksichtigt werden.
Zunächst wurden in Anlehnung an die verwendeten Baustoffe des Altbaus Rautenstabwerke in Holzbauweise untersucht. In Frage kam u.a. eine Brettstapelkonstruktion, bei der Brettschichthölzer abwechselnd in zwei Richtungen geschichtet aufgebracht werden sollten und die Zwischenräume mit Füllhölzern zur Schubübertragung geschlossen worden wären. Dieser Ansatz führte zu relativ groß dimensionierten Rautenrastern, sodass dies dafür sprach, in den weiteren Bearbeitungsphasen zum Erzielen einer filigraneren Struktur eine Stahlkonstruktion zu wählen. Zudem wären die Verbindungen der - möglichst filigran gewünschten Hölzer – aufwändig und gestalterisch fragwürdig gewesen. Aus diesen beiden Gründen wurde eine Konstruktion aus Stahl gewählt.
Aus architektonischer Sicht und der Möglichkeit einer wirtschaftlichen Fertigung der einfach gekrümmten und tordierten Querschnitte wurde als Ergebnis dieser Untersuchungen eine Gittertonne aus Stahlblechen gewählt. Die Rauten des Stabwerks sollten nicht sichtbar von Diagonalen gekreuzt werden, um die Grafik des sichtbaren Tragwerks gestalterisch nicht zu stören. Daher wurden Pfetten oberhalb der Rautenbleche aufgebracht, die die Gittertonne zur Lastabtragung befähigten. Die Pfetten sind im endgültigen Ausbauzustand nicht mehr zu sehen.


Erläuterung der gewählten Dachkonstruktion
Die neue Dachkonstruktion besteht aus drei Trägerebenen. Die erste Ebene besteht aus rautenförmig aufgebauten Stahlblechträgern b / t = 15 x 140 mm (S355) die im Schnitt eine Tonne und 2 Halbtonnen erzeugen und statisch als einfach gekrümmte Tonnenschalen mit Randzugglied und fachwerkartig versteiften Binderscheiben tragen. Die Blechträger werden dem Radius folgend ausgelasert und der Tonne folgend vorverdreht. Die Abschnitte werden in ca. 1,33 m Länge gefertigt und nach dem „Zollinger“ Prinzip zusammengeschweißt. Die Tonnen erhalten in den Deckenfalten aus Blech zusammengeschweißte L-Profile (S235) als Zugbänder bzw. Randträger.

In der zweiten Ebene werden die als Obergurt der Tonne wirkenden Stahlprofil-pfetten (IPE 200 - S355) im Raster von ca. 1,0 bis 2,5 m parallel zur Tonne, sowie Randbögen (IPE 200 - S235 bzw. HEB 200 - S235) angeordnet. Im Hauptfeld wird im Bereich der Randbögen jeweils ein Zugband ausgebildet. Für das Verlegen von haustechnischen Leitungen, werden in den Doppel-T-Profilen teilweise Bohrung bis max. Ø 120mm vorgesehen.

Die dritte Ebene besteht aus aufgeständerten Flachstahlbändern (Fl. 16x120 – S355) die quer zur Tonne verlaufen. Sie dienen zur Aufnahme der Dachdeckung aus Trapezblechen (T 40.1 - Spannrichtung parallel zur Traufe). Das Ganze wird durch metallische Schindeln eingedeckt, die sich farblich auf die Bestandsdächer beziehen.
Zwischen dem Hauptfeld und den beiden Randfeldern bildeten sich eine große wie eine kleine Sicke. Die größere davon wird von Querträgern (HEA 180 – S235 bzw. HEB 180 – S235) im Abstand von circa 1,05 m überspannt.

Der Lastabtrag der Aufstockung erfolgt im Inneren über zwei neue Stahlstützen an den jeweiligen Endpunkten der kleinen Sicke bzw. im Bereich der großen Sicke über den neu zu errichtenden Aufzugsschacht und einer Wandscheibe auf der gegenüberliegenden Gebäudeseite. Über die neuen Massivbauteile erfolgt auch die Aussteifung des Dachtragwerks in der Gebäude Längs- und Querrichtung. Zur Auflagerung auf die Stützen bzw. Wände wurden im Bereich der Auflagerpunkte verstärkte Auflagerträger (HEM 200 – S235 bzw. aus Blechen geschweißte Hohlkastenprofile – S235) vorgesehen. In der Fassade lagert das Dachtragwerk auf Stahlstützen, um die Verformungen im Glasfassadenbereich infolge der erhöhten veränderlichen Lasten zu beschränken. Die Stützen (RRO 100 x 50 x 8.0 –S355) stehen im Abstand von circa 2,09 m. Bei den seeseitigen Stützen ist am Fußpunkt ein Querträger (RRO 100 x 7.1 – S235) angeordnet, um die Lasten auf die vorhanden Stahlbetonunterzüge des darunterliegenden alten Speissaals zu verteilen. 

Das gesamte Dachtragwerk ist mit einem F 30 Brandschutzanstrich versehen. Auf der Bergseite verfügen die Fassadenstützen über eine alukaschierte Brandschutzummantelung, wobei auf der Seeseite nur eine Alukaschierung ohne eine zusätzliche Brandschutzummantelung gewählt wurde, folglich können diese Stützen im Brandfall ausfallen. Dies wurde statisch entsprechend nachgewiesen.

Fertigstellung
2011
Architekt
Staab Architekten GmbH
Ingenieur
IFB Frohloff Staffa Kühl Ecker
Bauherr
Wittelsbacher Ausgleichsfonds, vertreten durch das Schlosshotel Lisl GmbH & Co. KG
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