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Neubau :envihab – DLR Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin, Köln Porz

Foto: Glass Kramer Löbbert

Preis des Deutschen Stahlbaues

Architekt: Glass Kramer Löbbert BDA, Berlin
gemeinsam mit
Prof. Uta Graff Architektin BDA, München
Ingenieur: IDK Kleinjohann GmbH & Co. KG, Köln
Stahlbau: Christmann & Pfeifer (C+P Industriebau GmbH & Co. KG), Angelburg
Bauherr: Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR), Köln

Laudatio
Das Gebäudekonzept ist beeindruckend einfach, funktional und poetisch zugleich: ein riesiges Stahlfachwerk überspannt kraftvoll den Grund, der hierdurch frei und flexibel bespielbar wird für die Labormodule des Instituts. Die silbern schimmernde Metallhaut mit kleinen und größeren Poren für Licht, Ventilation und sonstigen Austausch umhüllt das große Dach – das Filigran wird zum Monolith. Die als Podium sanft ansteigende Bodenmodellierung unterstreicht die skulpturale Qualität der Großform. Eine des Nachts leuchtende Fuge lässt das Dach förmlich schweben – ein Spiel mit tatsächlicher Schwere und scheinbarer Leichtigkeit und einem Hauch von Anspielung auf Spielbergs 'Close Encounters of the Third Kind'.

Der Einsatz von Stahl im Dienste einer besonderen Funktionalität und Flexibilität für ein Forschungsgebäude mit extrem hoher technischer Ausrüstung und die gleichzeitig sehr gute räumliche und skulpturale Architekturqualität überzeugen.

Projektbeschreibung von GRAFF + GLASS KRAMER LÖBBERT, Berlin:

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Köln-Porz
Einen Raum für die medizinische Forschung zu schaffen, der autark ist – gelöst vom irdischen Kontext – und doch gleichzeitig dem Interessierten die Möglichkeit bietet, Einblicke zu gewinnen und Zusammenhänge mit unserem gewohnten Erlebnisraum herzustellen, ist zentrales Anliegen für den Neubau. Er erweitert das bestehende Institut um einen einzigartigen Zusammenschluss verschiedener Forschungsmodule mit dem Ansatz, die Gesundheit und Leistungsfähigkeit des Menschen unter der Einwirkung extremer Umweltbedingungen und mögliche Gegenmaßnahmen zu erforschen.

In den acht separaten Modulen gibt es eine Kurzarm-Humanzentrifuge zur Analyse der Effekte erhöhter Schwerkraft auf das Herz-Kreislaufsystem, Muskeln und Knochen, Laboratorien zur Untersuchung der Wirkung von Sauerstoffreduktion und Druckveränderungen, eine Ganzkörper-MRT/PETAnlage, Bereiche, in denen die Probanden gezielt psychischen Stress- und Erholungssituationen ausgesetzt werden können und mikro- und molekularbiologische Forschungsinstrumente.
In :envihab liegt der Schwerpunkt der Forschungsaktivitäten des Instituts auf den Bereichen Weltraum- und Flugphysiologie, Strahlenbiologie, Luft- und Raumfahrtpsychologie, operationelle Medizin, Biomedizin und analoge terrestrische Szenarien.

Stahlbau Dachebene   Foto: GLASS KRAMER LÖBBERT

Die besondere architektonische Herausforderung liegt darin, Diskretion und Klausur der Wissenschaft mit dem Anspruch an ein öffentliches, eindrucksvolles Raumkonzept zu vereinen, bei dem der Besucher tatsächlich zu Gast in der Forschungsstätte ist.

Unter einem Dach begegnen sich die beiden Welten: eingebettet in die Umfassung aus Mauer und Erdreich liegen sämtliche Raummodule des :envihab auf einer Ebene, gegliedert und verbunden durch die differenzierte Erschließung.
Das darüber spannende Dach enthält alle dienenden Funktionen und rhythmisiert den Raum durch Lichthöfe und Oberlichtfelder.

Der extrem hohe Grad an technischer Ausrüstung folgt dem wissenschaftlichen Bedarf: eine Vielzahl an unterschiedlichen parallel nutzbaren Simulationsszenarien für verschiedene Klima- und Lichtzonen, Geräuschkulissen und Luftdruck- und Sauerstoffsteuerungen gibt den Wissenschaftlern die Instrumentarien, am menschlichen Probanden die Auswirkungen von Langzeitaufenthalt im All und anderen Stresssituation auf der Erde zu studieren und darauf zu reagieren. Durch die Organisation der Nutzungen als frei angeordnete Funktionsmodule auf einer weitgehend stützenfreien Ebene ergibt sich eine weitgehende Flexibilität für die wechselnden wissenschaftlichen Anforderungen.

Ermöglicht wird diese freie Anordnung und adaptive Versorgung durch ein weitspannendes, raumhohes und umlaufend auskragendes Stahlfachwerk im Verbund mit einer in die Untergurtebene einbindende Stahlbetonscheibe. Der ganze steife Dachkörper ruht auf regelmäßig angeordneten bombierten und weiß beschichteten Stahlverbundstützen in der Nutzebene. Der Synergieeffekt aus der doppelten Funktion des Daches als Tragwerk und als grosszügige Technikzentrale trägt zur Nachhaltigkeit des Gebäudes bei. Die flächig angeordneten technischen Anlagen erlauben die individuelle Anbindung der einzelnen Module über Medientubes, die Belegung kann sich den wandelnden Wissenschaftsanforderungen anpassen und vielfältige Nutzungsszenarien ermöglichen. Neben der gewonnenen Nutzungsflexibilität unterstreicht das erlebte schwebende Dach über der Forschungslandschaft ganz wesentlich den eigenständigen Raumeindruck „zwischen den Welten“.


Die über 25m langen und 5,20m hohen profillosen Verglasungen der Lichthofeinschnitte werden durch den konstruktiven Stahlbau ebenso ermöglicht wie die mächtigen, motorisch betriebenen Verdunkelungsklappen über diesen Lichthöfen. Die weiß-beschichteten Stützen verjüngen sich nach dem Kräfteverlauf zu ihren Enden hin und stärken zusammen mit den versorgenden und in den Fugen beleuchteten Medientubes den Eindruck von Leichtigkeit der Hallendecke.

Das Haus-in-Haus-Prinzip mit der freien Modulanordnung erlaubt es, ganz unterschiedliche Gruppierungen von Funktionen und gleichzeitig vielfältige Bewegungs- und Begegnungsmöglichkeiten für die Nutzer des Gebäudes anzubieten. Der informelle Austausch wird in diesem Bewegungsraum „en passant“ durch das Angebot von verschiedenen Raumsituationen, z.T. mit Sitz- und Ausstellunggelegenheiten gefördert. Die hochgedämmten und - dichten Modulwände und -decken bauen auf ein filigranes Tragwerk aus Stahl-Walzprofilen auf und erlauben so eine reduzierte Anzahl von vertikalen Lastabtragungspunkten.

 

Aus dem hellen, vom Weiß der Dachdecke und Module sowie vom warmen Grau des Terrazzobodens und der Umfassungswände geprägten Hallenraum ergeben sich Einblicke ins z.T. farbig akzentuierte Innere der Module und Ausblicke in die mit großen Findlingen ausgelegten Lichthöfe. Hier spannt sich der Raum erlebbar zwischen Raumfahrtforschung und irdischem Kontext einladend auf.
Das reduzierte, abstrakte Äußere des :envihab stellt sich als schwebende Scheibe über der leicht angehobenen Topografie dar. Die Hülle aus Aluminium-Paneelen hat ein lebendiges Perforationsmuster und versorgt über diese Durchlässigkeit die dahinterliegenden Öffnungen für Zu- und Abluft. Für den Außenraum ergibt sich dadurch eine starke Identität des Gebäudes mit der Fähigkeit, das Umfeld durch die klare Geste zu ordnen.
Die Einbettung in die sanft ansteigende Geländetopografie verankert die autarke Funktion des :envihab auf dem Campus des DLR in Köln-Porz.

Fertigstellung
2013
Architekt
Glass Kramer Löbbert bda, Ges. v. Architekten mbH, Berlin
Ingenieur
JDK Kleinjohann GmbH & Co. KG, Köln
Bauherr
Deutsches Zentrum f. Luft- und Raumfahrt e.V., Köln
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