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Neubau Osthafenbrücke, Frankfurt

 

Auszeichnung
Ingenieurpreis des Deutschen Stahlbaues 2015
Kategorie Brückenbau

Sebatian Schultheis (Grontmij GmbH, Frankfurt)
Osthafenbrücke Frankfurt am Main

Laudatio

Die Bauform der neuen Osthafenbrücke prägt den Charakter Frankfurts und fügt sich harmonisch in die vorhandene Brückenfamilie und die Skyline der Stadt ein. Der Parallelnetzbogen ermöglicht eine ausgewogene Synthese aus statischen Vorteilen und eleganter Profilierung. Die untenliegende Verkehrsbahn und die beiden sich gegenseitig abstützenden Bögen bilden mit den Diagonalhängern einen geschlossenen, statisch günstigen torsionssteifen Querschnitt. Der Mainuferweg wird durch die größere Spannweite frei gelassen.
Der Transport der Brückensegmente über den Wasserweg, die Vormontage auf dem Hochufer nebenan und der Einhub über den Main mit einer minimalen Sperrzeit des Schiffsverkehrs verdeutlichen die Vorteile des Stahlbrückenbaues. 

Bericht von Ferdinand Heide Architekt BDA:

Mit dem neuen Generalverkehrsplan und der Ansiedlung der Europäischen Zentralbank im Frankfurter Ostend lobte die Stadt Frankfurt auch einen interdisziplinären Realisierungswettbewerb für die „Neue Mainbrücke Ost und das Rampenbauwerk Honsellstraße“ aus. Die Honsellbrücke über die Hafeneinfahrt sollte saniert werden. Gestalterisch stellt die Osthafenbrücke dabei die zeitgemäße Fortschreibung der Honsellbrücke dar. Von Osten kommend ist die Osthafenbrücke nun die erste Brücke auf Frankfurter Stadtgebiet, was ihr den Charakter eines modernen Stadttores zukommen lässt.

© Michael Thomas Wolff


Konstruktion der Osthafenbrücke
Bei der Osthafenbrücke handelt es sich um eine Stabbogenbrücke aus Stahl mit einfach gekreuzten Seilhängern und Stahlbetonverbund-Fahrbahnplatte. Die beiden schlanken Brückenbögen sind leicht gegeneinander geneigt und verjüngen sich zur Mitte des Bauwerks hin. Sie sind mit einer Stützweite von 175 Metern und einem Bogenstich von rund 25 Metern ausgebildet. Für diese Art der Brückenkonstruktion ist der Werkstoff Stahl prädestiniert.


Die für den symmetrischen Lastabtrag sehr wirtschaftlich Konstruktion des Stabbogens wird durch die gekreuzten Hängerseile auch für asymmetrische Lastfälle optimiert. Hierdurch werden niedrige Versteifungsträger und damit eine schlanke Silhouette des Fahrbahndecks möglich. Als wesentliche Gestaltungsmerkmale wurden die Anzahl, die Neigung und die Lage der Kreuzungspunkte der Seile zwischen der statisch optimalen und der architektonisch gewünschten Form untersucht. Die Entscheidung fiel zugunsten nur eines Kreuzungspunktes je Seilpaar. Seine filigrane und transparente Form erhält das neue Bauwerk darüber hinaus durch die bewusste Auflösung des Brückendecks: Fahrbahn und Gehweg sind mit einem Abstand von ca. 1,40 Meter voneinander getrennt. Dies stellt eine wesentliche Qualität für die Benutzer der neuen Brücke dar: Die attraktiven Uferzone des Mains, die von zahllosen Passanten genutzt werden, werden so mit eigenständigen Fuß- und Radwegestegen, die gleichsam seitlich an der Brücke hängen, miteinander verbunden.


In der Planungsphase wurde die Bilanzierung der Lebenszykluskosten eng mit den Fragen der Gestaltung der Brücken verknüpft. So wurden alle Tragelemente der Brückenkonstruktion als dichtgeschweißte Hohlkastenprofile mit glatten Flächen ausgebildet, die dazu beitragen die Unterhaltungskosten über die Lebensdauer der Brücke gering zu halten. Zudem wurde auf einen hohen Grad an Vorfertigung im Werk Wert gelegt. In der Ausschreibung wurden größtmögliche Bauteile verlangt, um maximale Qualität durch geringeres Schweißvolumen auf der Baustelle zu erzielen. Dies hatte zur Folge, dass die Bauteile wirtschaftlich und mit günstiger CO2-Bilanz mit zwei Flussschiffen angeliefert und auf einer Vormontagefläche am Mainufer zu deutlich besseren Arbeitsqualitäts- und -sicherheitsbedingungen zusammengebaut werden konnten.

Erläuterungsbericht von Sebastian Schultheis | Grontmij GmbH, Frankfurt zur Einreichung beim Ingenieurpreis des Deutschen Stahlbaues:

Aufgabenstellung

Ziel des von der Stadt Frankfurt am Main ausgelobten Realisierungswettbewerbs, war der Entwurf eines Brückenneubaus über den Main zur Verbesserung der Erschließung des sich stark entwickelnden Frankfurter Stadtteils Ostend. Dieser Bereich Frankfurts durchläuft derzeit den Wandel von industriell geprägten Hafenanlagen zu einer modernen Mischung aus Wohnen, Erholung und Gewerbeansiedlungen. Eines der Aushängeschilder dieser Entwicklung ist die Ansiedlung der Europäischen Zentralbank in der ehemaligen Großmarkthalle mit dem neu entstandenen Hochhaus.
Die neue Verbindungsbrücke über den Main soll einer Torsituation gerecht werden, da es sich, von Osten kommend, um die erste innerstädtische Brücke handelt. Weitere wichtige Anforderungen bezüglich lichten Abmessungen und Blendungsfreiheit wurden durch die stark genutzte Schifffahrtsstraße und deren Sicherheitsanforderungen definiert. Außerdem sollte eine dauerhafte, nachhaltige und städtebaulich eingepasste Konstruktion gefunden werden, die auch für den intensiven Geh- und Radverkehr Lösungen anbietet. Hierbei muss erwähnt werden, dass die Uferbereiche mit ihren Promenaden ein wichtiges Element des Naherholungsraums der Frankfurter Bevölkerung darstellen. Sie werden sehr intensiv genutzt, jedoch fehlte bisher auf der Ostseite eine adäquate Möglichkeit für Fußgänger und Radfahrer, die Mainseite für den Rückweg des Spaziergangs zu wechseln.
Ergänzt wurde die Aufgabenstellung des Brückenneubaus durch den Umbau der denkmalgeschützten Hochstraße über die Kohlenlagerplätze, die auf Grund des Entfalls der Hafenbahngleise und zur Erreichung einer höhengleichen Kreuzung in der Zufahrtstrasse zur EZB zu einer Rampe umgebaut werden sollte.
Da es sich um den ersten Brückenneubau in Frankfurt seit über 20 Jahren handelt, waren die An-sprüche an die optimale Lösungsfindung seitens des Bauherrn sehr hoch gesteckt. Dies führte zu dem 2006 von der Stadt Frankfurt am Main ausgelobten interdisziplinären Realisierungswettbewerb für die “Neue Mainbrücke Ost und das Rampenbauwerk Honsellbrücke“, den die Ingenieurgemeinschaft Grontmij GmbH - Ferdinand Heide Architekt BDA für sich entscheiden konnte.

Lösungsweg

Beschreibung der Tragkonstruktion
Das Haupttragwerk wird durch eine Stabbogenbrücke mit schrägen, einfach gekreuzten Seil-hängern gebildet. Die Stützweite des Bogens beträgt 175 m, die Gesamtbreite der Fahrbahnplatte und die Bogenhöhe über der Fahrbahn jeweils ca. 25 m. Die Bögen sind leicht zueinander geneigt und über drei Spangenelemente horizontal ausgesteift. Alle Querschnitte wurden als geschlossene und luftdicht verschweißte Kastenprofile ausgebildet. Dies erspart zum einen den Korrosionsschutz im Inneren der Kästen und ist zum anderen der architektonischen Gestaltung und der innerstädtischen Taubenproblematik geschuldet. In Kombination mit den gekreuzten Hängern konnten sehr schlanke Hohlkasten-Versteifungsträger realisiert werden, die eine filigrane Seitenansicht der Brücke ermöglichen. Durch deren Untergliederung der Versteifungsträger in jeweils zwei Teilquerschnitte entstehen ca. 1,40 m breite Luftspalte unter den Seilebenen, die den Eindruck der Leichtigkeit der Brücke noch verstärken. Außerdem wird hierdurch die Trennung zwischen Fußgängern und Radfahrern einerseits und dem Straßenverkehr andererseits unterstrichen. Die Verbund-Fahrbahnplatte ist in der Untersicht durch die Stahlquerträger klar gegliedert, die Gehwegplatten der beidseitigen Geh- und Radwege sind aus orthotropen Platten mit unterseitig glatter Verblendung gefertigt und besitzen einen RHD-Belag. Die Brücke besitzt aufgrund des Radverkehrs bis zu 1,30 m hohe, architektonisch gestaltete Geländer, die keine optische Untergliederung in Pfosten und Füllstäbe besitzen. Über Kalottenlager werden die Lasten des Überbaus in die massiven Widerlager abgetragen, die ih-rerseits die Lasten über Bohrpfähle in den Baugrund abgeben.

Wahl der Baustoffe
Als Hauptbaustoff des Überbaus wurde Stahl der Güte S 355 J2 +N bzw. S 355 K2 +N verwendet. 
Die Seile bestehen aus äußeren Z-Profildrähten mit einer Nennfestigkeit von fu = 1570 N/mm2 und aus inneren Runddrähten mit fu = 1770 N/mm2 als vollverschlossener Seilquerschnitt mit Gabelköpfen aus Material GS 18NiCrMo 3-6 nach Stahl-Eisen-Werkstoffblatt SEW 520. Der Verbundbau stellt eine sehr nachhaltige Konstruktion dar, da gute Verstärkungs- und Erweiterungsmöglichkeiten, sowie vollständige Recyclingfähigkeit gegeben ist. Der CO2-Ausstoß des Stahltransports vom Stahlwerk bis zu Baustelle wurde als Wertungskriterium in die Vergabe aufgenommen. In Folge dessen wurde der Stahltransport vom Stahlwerk zum Fertigungsbetrieb mit der Bahn und die Anlieferung der Teile auf die Baustelle mit zwei Binnenschiff-Transporten realisiert. Die massiven Unterbauten wurden mit roten Sandsteinen entsprechend der meisten anderen Frankfurter Brücken verkleidet.

Montage und Einschwimmen
Zur Erlangung einer möglichst hohen Qualität des Bauwerks wurden große Einzelbauteile als Werkstattfertigung geplant, die dann mit möglichst wenig Baustellenschweißnähten vor Ort zusammen gesetzt werden konnten. Durch ein freies Nachbargrundstück am Hochufer des Mains wurde es außerdem möglich, die Vormontage des Stahlbaus an Land durchzuführen. Somit konnte vor Ort mit engmaschigen Unterstützungen in der spannungsfreien Werkstattform ausgelegt werden, anstelle mit großen Montagestützweiten über dem Main zu arbeiten mit daraus resultierenden Stahl-Mehrmassen für diese Bauzustände in der Konstruktion. Außerdem wurde so die Arbeitssicherheit und die Andienung der Baustelle verbessert. Für das Einschwimmen des Stahlbaus wurde die Mainschifffahrt für drei Tage gesperrt. Der ausgesteifte Überbau wurde über Schwerlastplattformwagen auf zwei Pontons versetzt, die dann den Brückenüberbau zu den bereits errichteten, massiven Widerlagern transportierten. In der Endlage wurde dann die Stahlbeton-Fahrbahnplatte in einem Stück mit zwei Kolonnen aus der Mitte heraus betoniert. Die Verzögerungen der einzelnen Frischbetonchargen wurden hierbei so eingestellt, dass der Abbindevorgang des Betons nach vollständigem Einbau gleichzeitig startete.

Erläuterung der Gestaltung
Zur städtebaulichen Gestaltung wurde der Überbau länger ausgebildet als unbedingt notwendig. Er überbrückt stützenfrei die Mainuferpromenade und schließt bündig mit der den Uferbereich begrenzenden Hecke ab. Auf ein tunnelartiges Rahmenbauwerk zur Unterführung der Mainpromenade wurde dadurch verzichtet. Die Seilebene wurde zwischen Fahrbahn und Geh- und Radweg angeordnet, um die Verkehre optisch zu trennen und einen freien Ausblick von den auskragenden Gehwegen auf die Skyline zu erlauben. Auf statisch noch günstigere, mehrfach gekreuzte Hänger wurde wegen optischer Nachteile in der Schrägansicht verzichtet. Das bereits im Wettbewerb angedachte Beleuchtungskonzept sieht hell erleuchtete Seile als Netzeffekt bei dunkler Bogenkonstruktion vor. Es wurde auch aus diesem Grund eine dunkle Brückenfarbe und in den Bögen versenkte Straßenlampen gewählt. Nach Probebeleuchtung mit unterschiedlichen Leuchtmitteln konnte das optimale Ergebnis mit stromsparenden LED-Leisten erzielt werden, für deren Aufnahme die Geländerkonstruktion dann angepasst wurde. Auf der Nordseite wurde ein Brückenbalkon geschaffen, um die Verweilqualität zu erhöhen. Die Entwässerung auf den nach außen geneigten Gehwegkragarmen wurde über durchlaufende Edelstahl-Rinnen mit Guss-Längsstabrosten realisiert. Aufgrund der Brückengradiente mit Hochpunkt etwa im Drittelspunkt des Überbaus musste die Rinne zur Einhaltung des Mindestgefälles mit variierender Höhe ausgebildet werden. Der Anschluss der Edelstahlrinne mit speziell gefertigten Edelstahl-Zarge an die orthotrope Fahrbahnplatte des Gehwegs wurde über eine Schwarz-Weiß-Verbindung realisiert. Die Brückenwiderlager werden von großzügigen Freitreppen eingefasst, alle Wegebeziehungen sind barrierefrei ausgebildet.

Zusammenfassung

Der Einsatz von Seilhängern bei einer Straßen-Stabbogenbrücke ist in Deutschland bislang keine geregelte Bauweise und daher selten. Beim Überbau handelt es sich um eine sowohl architektonisch als auch tragwerksplanerisch optimierte Konstruktion, die gleichzeitig so robust ist, dass bis zu drei Tragseile ohne bleibende Schäden an der übrigen Konstruktion ausfallen könnten. Zur späteren optimalen Prüfbarkeit des Bauwerks, wurden die Lasten eines LKW-Brückenuntersichtgeräts in die Geh- und Radwege eingerechnet – so konnte auf ein wartungsintensives stationäres Brückenuntersichtgerät verzichtet werden. Durch das Einschwimmen der Brücke konnte zum einen die höchst-mögliche Ausführungsqualität auf dem Vormontageplatz erzielt, als auch die Einschränkung der Schifffahrt auf ein Minimum reduziert werden.
Das Bauwerk wurde nach rund 2½-jähriger Bauzeit (der Gesamtbaumaßnahme) im Dezember 2013 dem Verkehr übergeben und wird von der Bevölkerung sehr gut angenommen. 
Ergebnis der Planung ist ein schlankes, ästhetisches Tragwerk mit optimiertem Materialeinsatz, das sich sehr gut in den Stadt- und Flussraum einfügt. Gleichzeitig wurden dauerhafte und robuste Konstruktionen und Details gewählt und durch überwiegend glatte Flächen ein erhaltungsfreundlicher Korrosionsschutz, die ein über seine Lebensdauer sehr gut zu erhaltendes und inspizierbares Bauwerk erwarten lassen. Die Leichtigkeit der Schifffahrt war während der Bauzeit und ist auch im Endzustand durch die Freihaltung des Gefährdungsraums am Ufer gewährleistet. Durch die nachhaltigen Baustoffe und gewählten Konstruktionen ist ein Bauwerk entstanden, das nicht nur beim Bau sondern auch über seine Lebensdauer eine sehr wirtschaftliche Gesamtlösung darstellt. Die Vielzahl an ingenieurtechnischen und architektonischen Detaillierungen machen die Besonderheit des Bauwerks aus.
Der Neubau der Osthafenbrücke zeigt, dass durch interdisziplinäre Wettbewerbe für Brücken in städtebaulich bedeutsamem Umfeld sowohl gut gestaltete als auch tragwerksplanerisch prägnante Bauwerke entstehen können, die die Baukultur in Deutschland fördern und unsere Städtebilder nachhaltig positiv beeinflussen.

Aktuelle Projekte | Projektarchiv

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Fertigstellung
2013
Architekt
Ferdinand Heide Architekt BDA, Frankfurt
Ingenieur
Sebastian Schultheis Grontmij GmbH, Frankfurt
Bauherr
ASE Amt für Straßenbau und Erschließung der Stadt Frankfurt am Main
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