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Passerelle de la Paix - Lyon

Michael Zimmermann sbp

Der Ingenieurpreis des Deutschen Stahlbaues ist juriert:

AUSZEICHNUNG

Ingenieur  Andreas Keil | schlaich bergermann partner, Stuttgart
Architekt   Dietmar Feichtinger | Dietmar Feichtinger Architectes

Laudatio

Die Passerelle de la Paix ist ein gutes Beispiel für die integrale Bauweise, ein intelligentes statisches Modell, eine robuste und wartungsarme Konstruktion, einen hohen Vorfertigungsgrad oder elegante Gestaltung und Detailausbildung. Eindrucksvoll werden die Möglichkeiten des Stahlbrückenbaues deutlich: schlanke Konstruktionen und große Spannweiten mit geringem Bogenstich. Der hohe technische Anspruch in allen Aspekten der Planung und Ausführung dieses Bauwerks, das durch Eleganz und landschaftsprägende Symbolhaftigkeit besticht, ist deutlich erkennbar. Die Details des Bauwerkes sind so gestaltet, dass die aufwendige Konstruktion als solche kaum in Erscheinung tritt, sondern sich zurücknimmt und natürlich in das Tragwerk einfügt. Dadurch entsteht für den Nutzer eine einzigartige Leichtigkeit. Der Nutzer kann sich das Bauwerk regelrecht erobern.


Erläuterungsbericht von Andreas Keil zur Einreichung beim 'Ingenieurpreis des Deutschen Stahlbaues 2017':

Aufgabenstellung

Die 220 m lange Fußgängerbrücke in Lyon verbindet das Kongress- und Veranstaltungszentrum "Cité International" mit der auf der gegenüberliegenden Rhôneseite gelegenen Gemeinde Caluire et Cuire. Neben einer direkten, geradlinigen Verbindung der beiden Stadtteile, ist die Brücke auch über den Bogen von den Uferwegen her erschlossen. In der Mitte der Fußgängerbrücke vereinigen sich die beiden Wege und bilden einen acht Meter breiten Platz, der zum Verweilen einlädt und die Brücke als einen öffentlichen Ort erlebbar macht.

 

Foto: Xavier Chavier - LEC


Aufgabenstellung des Bauherren
Als wesentliche Parameter waren für die Ausarbeitung des Entwurfs folgende Eckpunkte vorgegeben:

  • Überspannen des 160 m breiten Flusses ohne Zwischenstützen
  • Einhalten des Lichtraumprofils für den Schiffsverkehr auf der Rhône
  • Erreichen einer möglichst hohen Transparenz auf der Brücke und damit Reduzierung des Tragwerks auf eine untenliegende, ruhige Tragstruktur
  • Entwickeln einer guten Wegeführung unter Anbindung der Uferwege über die Konstruktion


Im Jahre 2008 wurde ein internationaler Wettbewerb ausgelobt, aus dem schlaich bergermann partner und DFA Dietmar Feichtinger Architectes als Preisträger hervorgingen.

Lösungsweg

Die Brücke ist in zwei Bereiche geteilt: Die Hauptspannweite über die Rhône bestehend aus einer dreidimensionalen Stahlstruktur, die in flachem Stich bogenförmig 160 m über die Rhône spannt und die auf dünnen Stützen aufgeständerte Nebenspannweite mit vier Feldern im Bereich des Parks Saint Clair. 

Hauptspannweite
Der Dreigurtträger setzt sich aus dem Längsträger des Überbaus (Obergurt) sowie den beiden Stahlbögen (Untergurte) zusammen. Diese drei Hauptelemente werden vertikal in regelmäßigen Abschnitten durch Dreiecksrahmen gekoppelt und durch Diagonalen in Längsrichtung ausgesteift. Hauptbogen und Brückenlängsträger bilden dabei eine vertikale Ebene. Der Sekundärbogen als zweiter Untergurt ist 4 m nach außen versetzt, er gibt dem Tragwerk seine dritte Dimension und damit Standfestigkeit in Querrichtung. 

Die Diaphragmen, welche die Hauptträger im Querschnitt verbinden, beschreiben eine Serie von veränderlichen Dreiecken. Sie sind aus geschweißten Rechteck-Hohlprofile 400 mm × 250 mm mit nach innen versetzten Stegen zusammengesetzt. 

Haupttragelement ist der mittig verlaufende, geschweißte Stahlhohlkasten mit trapezförmigem Querschnitt. Neben seiner Funktion als Obergurt des Dreigurtträgers ist er zugleich Rückgrat der Unterkonstruktion für das Brückendeck. In einem Abstand von 2 m kragen links und rechts angeschweißte T-Profile aus, welche die Holzlattung samt Unterkonstruktion aufnehmen.

 

Der Dreigurtträger der Hauptbrücke spannt über die 160m breite Rhône. Foto: Michael Zimmermann - sbp
 

Nebenspannweite
Im Bereich der Nebenspannweite läuft der Überbauquerschnitt 56 m weiter und wird durch fünf kreuzförmige Stützen aufgeständert. Die Stützen sind an ihren Enden eingespannt und tragen zur Querstabilität des eingespannten Durchlaufträgers bei. 

Erläuterung der Gestaltung
Auf der Suche nach einer passenden und angemessenen Konstruktion wurden Hänge- oder Schrägseillösungen ebenso wie über das Brückendeck hinausragende Bogen-tragwerke verworfen, da die direkte Verbindung zur Cité International für den Fußgänger und Radfahrer ähnlich einem Boulevard erfahren werden sollte – ohne eine die Sichtbeziehung störende, obenliegende Tragstruktur. Es musste eine kompakte, in sich geschlossene Lösung für die Konstruktion gefunden werden, die mit dem unter der Brücke liegenden Raum auskommt. So wurde eine Bogenbrücke mit einem extrem geringen Stich entwickelt.

Beide Bögen sind mit dem zentral unter dem Brückendeck verlaufenden Hauptträger des Brückendecks verbunden und bilden das sehr prägnante räumliche Tragwerk. Über den Sekundärbogen wurde eine fußläufige Anbindung der Uferwege geschaffen – so ensteht eine Symbiose aus Funktion und Konstruktion.

„Die luftige Architektur der Brücke vermittelt den Eindruck, als habe sich die Brücke ganz natürlich über die Rhône gelegt”, unterstrich Gérard Collomb, Senator und Bürgermeister von Lyon

Wahl der Baustoffe
Um das Eigengewicht zu minimieren, wurde die gesamte Primär- und Sekundärkonstruktion in Stahl konzipiert.
Der Stahlrohrdurchmesser des Hauptbogens verjüngt sich von Bogenfußpunkt zur Mitte hin von 711 mm auf 559 mm. Der Nebenbogen hat einen konstanten Durchmesser von 559 mm, wobei die Wanddicken von 30 bis 120 mm variieren. 

Der Belag aus Eichenbohlen ist durch die Integration harzgebundener Silexeinschlüsse rutschfest. Regenwasser kann direkt zwischen den einzelnen Bohlen in den Fluss abfließen. 

Das Geländer setzt sich aus einem zwischen Pfosten gespannten Seilnetz aus Edelstahl und einem breiten Handlauf aus Holz bzw. entlang des Bogens einem Edelstahlrohr zusammen. Die Pfosten werden von doppelten Flachstählen gebildet. 

Die LED-Beleuchtung ist im Handlauf einseitig integriert.

 

Foto: Michael Zimmermann - sbp

Zusammenfassung

Die Brücke ist integral ausgebildet, daraus resultieren zwar Zwangskräfte aus Temperatur, allerdings wird der Bogen dadurch in Längsrichtung gehalten – eine für das Tragverhalten wichtige Stabilisierung und Versteifung. Auf Lager und Dehnfugen konnte komplett verzichtet werden, was die Brücke robust und wartungsarm macht sowie geringe Unterhaltskosten erwarten lässt. 
Das hybride Tragsystem aus Kragarmen und Bogenwirkung ermöglicht die große Tragweite mit einer sehr eleganten und filigranen Konstruktion. 
Die Montage erfolgte in einem Stück, da die Rhône nur kurzzeitig gesperrt werden konnte. Der hohe Vorfertigungsgrad erlaubt es, die Einrichtungen vor Ort gering zu halten und aufwändige Schweißnähte größtenteils im Werk unter optimalen Bedingungen herzustellen. Hierbei mussten sämtliche Bau- und Transportzustände statisch und geometrisch untersucht werden.

Die Passerelle de la Paix ist eine Fußgängerbrücke, die mit ihrem extrem geringen Bogenstich technisch an die Grenzen des Machbaren stößt. Ihr komplexes Tragverhalten erforderte eine intensivste Auseinandersetzung mit Tragverhalten, Formgebung, Fundamenten und der Materialwahl aller Bauteile. So konnte eine Brücke realisiert werden, die nicht nur mit spielerischer Eleganz das räumliche Zusammenwirken der Tragelemente zeigt und ihr so einen eigenen unverwechselbaren Charakter verleiht, sondern auch die Leistungsfähigkeit der planenden Ingenieure und die Vielfalt der Möglichkeiten beim Bau weitgespannter Fußgängerbrücken zeigt.

Fertigstellung
2015
Architekt
Dietmar Feichtinger Dietmar Feichtinger Architectes
Ingenieur
Andreas Keil schlaich bergermann partner
Bauherr
Grand lyon - Métropole de Lyon
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