Zum Hauptinhalt springen

Porsche Pavillon in der Autostadt in Wolfsburg

 

Preis des Deutschen Stahlbaues 2014
Auszeichnung

Architekt: HENN GmbH, Berlin
Ingenieur: schlaich bergermann und partner - sbp gmbh, Berlin
Bauherr: Dr.-Ing. h.c. F. Porsche AG, Stuttgart /Autostadt GmbH, Wolfsburg

Laudatio
Der Porsche Pavillon in der Autostadt Wolfsburg ist prototypisch für die konsequente und perfekte Transformation eines Markenbildes in eine analoge architektonische Form. Gekrümmte Linien und rasante Kurven machen den Baukörper zu einer dynamischen und reduzierten Skulptur, dessen einheitliche Hülle aus Edelstahl gekennzeichnet ist durch den Verzicht auf die konventionelle Trennung von Dach und Fassade.

Die raumbildende Hülle wird zum Tragwerk. Durch die Monocoque-Bauweise ist ein Leichtbau entstanden, dessen Konstruktion anknüpft an das Innovationspotential von Porsche. Insbesondere die an der Eingangsseite doppelt gekrümmte und weit auskragende Dachfläche ist ein Beispiel ingeniöser Baukunst.

Die gelungene Einbettung des markanten Pavillons mit der charakteristischen Silhouette in das Gesamtkonzept der Parkgestaltung verleiht dem Standort Aufmerksamkeit und Anziehungskraft.

 

Ingenieurpreis des Deutschen Stahlbaues 2013, Kategorie Hochbau

Laudatio der Jury
Auszeichnung: Prof. Mike Schlaich, Dr. Achim Bleicher, Thomas Schoknecht, Sebastian Linden, schlaich bergermann und partner, Berlin für den Porsche Pavillon, Wolfsburg

Die technisch und architektonisch effektive Umsetzungdes gestalterischen Formwillens einer Gebäudehülle als dynamisch geformte, reduzierteSkulptur begeistert. Ein Grundprinzip des modernen Fahrzeugbaues, die mittragende Karosserie, wurde auf die Baustruktur übertragen. Die raumbildende Hülle ist zugleich Tragwerk und umgekehrt. Das ist innovativ. Ergebnis ist ein günstiges Verhältnis zwischen Materialeinsatz und Tragstruktur. Hervorzuheben ist auch die gute Beherrschung der Stahlbaufertigung mit doppeltgekrümmten Stahlblechen.

 

Erläuterungsbericht von Prof. Mike Schlaich, Dr. Achim Bleicher, Thomas Schoknecht, Sebastian Linden, schlaich bergermann und partner, zur Einreichung 'Ingenieurpreis des Deutschen Stahlbaues 2013':

 

Aufgabenstellung
Mit der Autostadt präsentiert sich der Volkswagen Konzern an seinem Stammsitz in Wolfsburg und stellt seine zugehörigen Marken in Pavillons in einer Park- und Lagunenlandschaft vor. Sie inszenieren die jeweilige Markenphilosophie architektonisch und künstlerisch und machen sie für die Gäste erlebbar. Mit dem Porsche Pavillon hat die Autostadt erstmals seit ihrer Eröffnung im Jahr 2000 die Veranstaltungs- und Ausstellungsfläche des automobilen Themenparks um einen Neubau erweitert (siehe Bild 1 und 2). In direkter Nähe des Volkswagen Pavillons im südöstlichen Teil des mittlerweile insgesamt 28 Hektar großen Areals bringt das Bauwerk die historische und aktuelle Verbundenheit von Volkswagen und Porsche zum Ausdruck. Das Projekt wurde in enger Zusammenarbeit zwischen der Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG und der Autostadt GmbH realisiert.

Architektursprache und Konstruktion des Pavillons sollten das Markenbild der Porsche-Sportwagen transportieren und einen neuen Blickfang in der Park- und Lagunenlandschaft entstehen lassen. Zusätzlich zu der Ausstellungsfläche im Inneren war ein überdachter Außenbereich gefordert.
Entsprechend der Entwurfsidee des Büros HENN (siehe Bild 3) erscheint die Gebäudehülle als dynamisch geformte, reduzierte Skulptur: gekrümmte Linien steigen auf und ab, und ähneln in ihrem Kurvenverlauf der Silhouette eines Porsches (siehe Bild 4). An seiner Eingangsseite kragt das asymmetrisch geformte Dach des Pavillons weit über die Wasseroberfläche der vorgelagerten Lagune aus, die an dieser Stelle eine kleine Bucht bildet. Unter der Auskragung öffnet sich ein geschützter Außenraum mit aufsteigenden Sitzreihen, der optisch mit der umliegenden Landschaft verbunden ist, aber akustisch einen eigenen Bereich bildet. Sanft ansteigende Wände rechts und links der Bucht geleiten den Besucher zum Eingang auf der obersten Stufenebene. Im Inneren des Pavillons führt eine elliptisch geschwungene Rampe wieder hinab zu der tiefer gelegenen, rund 400 m² großen Ausstellungsfläche. 
Aus diesem Entwurf resultierten komplexe Anforderungen an das Tragwerk und die Fassade. Die besondere Herausforderung bestand darin, für die über 25 m weit auskragende Dachschale ein höchst effizientes Tragwerk zu entwerfen. Ein Tragwerk, das innerhalb der gesetzten, frei geformten Oberfläche liegen muss und im Bereich der Auskragung beidseitig die möglichst fugenlose Gebäudehülle trägt - also die Planung und Herstellung eines Tragwerks und einer Fassade für eine frei geformte Hülle in einem Planungs- und Ausführungszeitraum von nur einem Jahr.


Lösungsweg

Planung
Der Entwurf weit gespannter und weit auskragender Dachkonstruktionen setzt die Anwendung von Leichtbauprinzipien voraus: Hochfeste und gleichzeitig leichte Werkstoffe sowie biegearme, also zug- und druckbeanspruchte Konstruktionen führen zu einem sparsamen Materialeinsatz und folglich zu einem nachhaltigen Bauwerk. Auf diesen Prinzipien basierend wurde von schlaich bergermann und partner im Wettbewerb um das Tragwerkskonzept eine Dachschale aus Aluminium und Carbon vorgeschlagen - Materialien, die im Fahrzeugbau verwendet werden. Mit beiden Materialien hatte schlaich bergermann und partner bereits Erfahrung gesammelt: mit Aluminiumguss beim Christlichen Garten in Berlin und mit einer Spannbandbrücke aus kohlenstofffaserverstärkten Kunststoffbändern an der TU Berlin. Die Vorteile der beiden Materialien - die geringe Wichte von Aluminium und die besonders hohe Festigkeit von Kohlenstoff - sollten genutzt werden, um eine besonders leichte Dachschale zu entwerfen. Diese Konstruktion hätte sich jedoch aller Erfahrung nach nicht im Rahmen der anvisierten Planungs- und Ausführungszeit, vor allem hinsichtlich der notwendigen Zustimmung im Einzelfall für die CFK-Bänder, verwirklichen lassen können
Als Alternative wurde eine Gitterschale aus Stahl entworfen. Gitterschalen können bei entsprechender Schalenkrümmung Lasten sehr effizient über Membrankräfte, also Druck- und Zugkräfte abtragen. Die Hüllgeometrie mit geringen Krümmungen ließ jedoch nur begrenzt Möglichkeiten der Formoptimierung hin zu einem Schalentragverhalten zu. Eine spürbare Verbesserung des Tragverhaltens wäre nur durch eine Erhöhung der Krümmung möglich gewesen.Als Gebäudehülle waren doppelt gekrümmte Metall-Paneele auf einer Unterkonstruktion vorgesehen.
Ein effizientes Tragwerk konnte jedoch über die gewählte Konstruktion gefunden werden. In Zusammenarbeit mit Centraalstaal International aus Groningen in den Niederlanden entstand schließlich eine homogene und – im Vergleich zu der Eindeckung mit Metall-Paneelen - fugenlose Dachschale aus Edelstahl in Monocoque-Bauweise (mono = einzeln, coque (frz.) = schale). Bei dieser aus dem Automobilbau und der Luft- und Raumfahrt stammenden Bauweise, die auch im Schiffsbau Anwendung findet, ist die raumbildende Hülle zugleich Tragwerk und umgekehrt. Das Tragwerk bildet also die Hülle. Die Steifigkeit wird durch die ober- und unterseitigen Hüllbleche und den dazwischenliegenden Spanten erzielt. Der tragende Querschnitt reicht somit bis zur Außenseite der Hülle und nutzt den zur Verfügung stehenden Raum für das Tragwerk optimal. Da die Deckbleche mit den Längs- und Querspanten biegesteif miteinander verbunden sind, tragen sie die Lasten gemeinsam ab. Es gibt keine Trennung zwischen rein auf Druck, Zug, Biegung, Torsion oder Schub belasteten Bauteilen (siehe Bild 5). Die Deck- und Spantenbleche sind überwiegend 10 mm dick, am Kragarmende auf Grund der höheren Beanspruchung bis zu 16 mm.
Da eine Lackierung wie im Automobilbau aufgrund der Größe der Dachschale und der klimatischen Verhältnisse nur unter großen Aufwand hätte erzielt werden können, wurde der gesamte Monocoque aus Edelstahl hergestellt. Damit wurde gleichzeitig der Korrosionsschutz gewährleistet, der unter montagetechnischen Aspekten nur sehr schwierig aufzubringen gewesen wäre.
Damit sich die monolithische Konstruktion ohne Fugen unter Temperaturbeanspruchung ausdehnen kann, wurde eine schwimmende Lagerung auf dem Massivbau gewählt. Für dessen Tragwerksplanung war schlaich bergermann und partner ebenfalls verantwortlich. . Zur Aufnahme von Zugkräften aufgrund der Auskragung bei gleichzeitiger horizontaler Verschieblichkeit in zwei Richtungen wurden spezielle Lager entwickelt (siehe Bild 6).

Fertigung und Montage
Die Umsetzung der Monocoque-Bauweise setzt das Herstellen doppelt gekrümmter Bleche voraus. Centraalsstaal International besitzt in diesem Bereich bereits langjährige Erfahrung im Schiffsbau. Neben der individuellen Kaltverformung eines jeden Deckblechs aufgrund der frei geformten Hüllfläche bestand die große Herausforderung vor allem in der Vorfertigung und Fügung von über 50 Sektionen auf der Baustelle. Die Vorfertigung erfolgte durch Centraalstaal in Groningen, wo der Zuschnitt und die Kaltverformung der Edelstahlbleche stattfanden. Mit Hilfe von Schablonen wurde sichergestellt das für jedes Blech die richtige Krümmung eingeprägt wurde. Bei der Tochterfirma Ostseestaal in Stralsund, einem Spezialisten für die Herstellung von passgenauen Sektionen, wurden die Bleche innerhalb kürzester Zeit verschweißt (siehe Bild 7). Damit die Sektionen auf der Baustelle zusammenpassen, wurden die Deckbleche und Spanten mehrfach an bis zu über 50 Punkten pro Sektion vermessen. Da Nachbesserungen durch Spachteln hier nicht möglich waren, -hing die Oberflächenqualität maßgeblich von der Qualität der Vorfertigung ab.Auf der Baustelle in Wolfsburg schweißte man die Sektionen zu einem homogenen Dach (siehe Bild 8) - zum bisher größten Monocoque – zusammen. Die glatte und matt metallisch glänzende Oberfläche erzielte man durch Strahlen der Bleche mit Edelstahlgranulat.

Zusammenfassung

Durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Architekten, Tragwerksplanern und Schiffsbauern wurde der Entwurf gestalterisch, konstruktiv und baulich einzigartig umgesetzt (siehe Bild 9-12). Der realisierte Pavillon korrespondiert mit dem Porsche-Design und Porsches langer Tradition im Leichtbau. Die gewählte Monocoque-Bauweise bietet für die frei geformte Struktur die Möglichkeit, das Tragwerk mit der Gebäudehülle effizient und nachhaltig zu vereinen. Effizient, weil sich die Gebäudehülle am Lastabtrag beteiligt und nicht nur eine verkleidende Funktion übernimmt, was zu einer Erhöhung der Eigenlasten führt. Nachhaltig, weil auf notwendige Fugen für den Ausgleich von Dehnungsdifferenzen und Toleranzen zwischen den beiden Gewerken vollständig verzichtet werden kann. Dadurch wird der Wartungs- und Reinigungsaufwand so weit wie möglich reduziert. Zudem ist mit der Verwendung von Edelstahl eine vollständige Rezyklierbarkeit gegeben.
Alternativ zum gewählten Material (Edel-) Stahl ist auch eine Umsetzung mit den im Bauwesen noch neuen Materialien glasfaser- und kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff möglich. Diese Materialien ermöglichen von Natur aus eine freie Formgestaltung. Im Vergleich zu Stahl können mit diesen Werkstoffen, wegen der größeren Zugfestigkeit bei einem Fünftel des Eigengewichts, leichtere und noch schlankere Konstruktionen realisiert werden.
In Monocoque-Bauweise können neben weit gespannten Dachkonstruktionen auch Brücken ausgeführt werden. Stahlbrücken mit Hohlkästen oder orthotropen Platten sind Stand der Technik und entsprechen prinzipiell der Monocoque-Bauweise. Jedoch kann mit der Herstellung doppelt gekrümmter Stahlbleche die Entwurfsvielfalt auch bei Brücken erweitert werden. 

Bauzeit: 08/2011 - 04/2012
Bruttogeschossfläche Pavillon: 1.400 m²
Nettogeschossfläche: 1.045 m²
Ausstellungsfläche: 400 m²
Überdachte, befestigte Außenfläche: 290 m²
Fläche Monocoque: 2.550 m²
Gewicht Monocoque: 425 t
Material Monocoque: Edelstahlbleche 10-30 mm
Höhe: ca. 10 m
Auskragung: ca. 25 m

Fertigstellung
2012
Architekt
Henn GmbH, Berlin
Ingenieur
schlaich bergermann und partner - sbp GmbH, Berlin
Bauherr
Porsche AG, Stuttgart
Cookies verwalten