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Überdachungsbauwerk für den Zentralen Omnibusbahnhof Pforzheim

Zooey Braun

AUSZEICHNUNG

Architekt: METARAUM Architekten BDA

Laudatio
Die skulpturale Dachform mit ihren abgerundeten Rändern und markanten Öffnungen schafft ein prägnantes Bauwerk, das durch seine abwechslungsreiche formale und räumliche Ausgestaltung zum Verweilen einlädt. Das Fugenbild der Verkleidung gibt dem Betrachter dezente Hinweise auf die geometrische Herleitung der Form über die Radien und Schleifen von Fahrzeugbewegungen. Das Stahltragwerk ist integraler Bestanteil des architektonischen Gesamtkonzeptes. Effizienz und konstruktiv durchdachte Ausformulierung der Tragkonstruktion sind insbesondere durch die sichtbaren Verbindungen von Stützenkopf und Dachtragwerk ablesbar.
Den Planern gelingt es im Kontext des aus den Fünfzigerjahren stammenden Bahnhofsgebäudes eine eigenständige, zeitgenössische Überdachung des Busbahnhofes zu formulieren.

Erläuterungsbericht von METARAUM Architekten BDA:

Architektur
Der Neubau des ZOB Pforzheim ist Teil einer großen infrastrukturellen Entwicklungsmaßnahme und leistet neben der Verbesserung der verkehrlichen Verhältnisse einen bedeutsamen städtebaulich-architektonischen Beitrag zur Neugestaltung und Aufwertung des Gesamtbereiches. Grundlage der architektonischen und tragwerksplanerischen Bearbeitung des ZOB bildete die Verkehrsplanung. Dem Über-dachungsbauwerk kommt eine maßgebliche Bedeutung für die Gesamtmaßnahme zu - als funktional notwendige und gleichzeitig Stadtraum prägende Elemente.
 

Foto: zooey braun FOTOGRAFIE

Städtebau
Der Neubau des ZOB ist eine Drehscheibe für moderne Mobilität. In angemessenem Abstand zum Hauptbahnhof gelegen, zeigt sich der neue ZOB als Ergänzung des historischen Gebäudes - ein prägnantes urbanes Merkzeichen, welches dem unwirtlichen Raum östlich des Bahnhofgebäudes Gestalt gibt. Seine Dachlandschaft lässt die ungestaltete Fläche zwischen Bahnhof zu einem qualitätvollen urbanen Raum mit hohem Wiederkennungswert werden. Die Unterteilung der Dachfläche in drei Segmente ordnet den ZOB dem Maßstab des Hauptbahnhofs unter, erhält dessen optische Dominanz und Stellenwert im Stadtgefüge und lässt spannende Durchblicke und Bezüge zu den Stadtteilen nördlich der Bahnlinie zu.

Konzept der Überdachung
Die denkmalgeschützte Architektur des Bahnhofgebäudes aus den Fünfzigerjahren wird durch ein neues Bauwerk in der Formensprache unserer Zeit ergänzt. Die geschwungenen Ränder der Dachsegmente sind aus den typischen Radien und Schleifen von Fahrzeugbewegungen abgeleitet - der ZOB zeigt sich sichtbar als dynamischer Bestandteil des Verkehrs am Ort. Öffnungen über den Fahrspuren bringen Licht und Sonne auf die Bussteige, strukturieren die Untersichten und schaffen durch wechselndes Schattenspiel ein interessantes Raumerlebnis.

Möblierung
Notwendige ZOB-Funktionen wie Sitzgelegenheiten, Fahrgastinformationssystem, Hinweisschilder, Zeitangabe pp. sind in kleinen, sorgfältig gestalteten Funktionsinseln aus Betonfertigteilen und Glas gebündelt. So ist optische Klarheit, Orientierung, Überblick und damit ein schnelles und sicheres Auffinden der Haltestellen gewährleistet. Ein durchgehendes Blindenleitsystem verbindet sämtliche Steige.

Beleuchtung
Drei Lichtsysteme ergänzen sich: Effektbeleuchtung, indirektes und direktes Licht. Der gezielte Einsatz unterschiedlicher Lichtfarben schafft Kontraste und erhöht die Aufenthaltsqualität. Eine der Dachkontur folgende Lichtlinie ist integraler Bestandteil der Architektur, unterstreicht die Dynamik der Form in der Dämmerung und wirkt durch seine Signifikanz einer nächtlichen Verödung des Areals entgegen. Durch „Leuchtenblätter“ an den Stützen wird die Dachuntersicht mit neutral-weißem Licht hell erleuchtet. In die Deckenfläche eingebaute Einheiten sorgen für eine gerichtete Ausleuchtung der Bussteige. Eine in die Handläufe der Treppenabgänge integrierte LED-Beleuchtung unterstützt Orientierung und Sicherheit in diesen Bereichen. Dachflächen, Stützen, Bodenbeläge, Ausstattung und Beleuchtungskonzept bilden so ein architektonisches Ganzes.

Tragwerksplanung
Das bereits in der Wettbewerbsphase in Zusammenarbeit von Objektplaner und Tragwerksplaner entwickelte Tragwerk des ZOB ist abgestimmt auf die verkehrsplanerischen, städtebaulichen und funktionalen Randbedingungen.
Die prägnante Gestalt der „Dachlandschaft“ mit ihren großen Spannweiten, Lichtöffnungen und fließenden Formen, konnte in der Kombination aus dynamisch gekrümmten Flächen und ausgesprochen filigraner Dimensionierung der Bauteile nur in Stahlbauweise ausgeführt werden.

Die Überdachung des ZOB mit einer Gesamtfläche von ca. 5.000 m2  in der Projektion bestehen aus drei statisch-konstruktiv voneinander unabhängigen Teilbereichen, die in Ost-West-Richtung über eine Gesamtlänge von ca. 180 m unmittelbar hintereinander angeordnet sind. In der Tiefe erstrecken sich die Überdachungsbauwerke über ca. 44 m.

Das Primärtragwerk der drei nach dem gleichen Konstruktionsprinzip entwickelten, geometrisch sehr anspruchsvollen Tragstrukturen, die sich in einer Höhe von ca. 8 m über GOK befinden, besteht im Wesentlichen aus Stützen und sich kreuzenden Trägerscharen.
Die geometrische Anordnung der Trägerscharen ist aus den Überdachungsrändern abgeleitet. So verlaufen die Trägerscharen in Nord-Süd-Richtung im Grundriss fächerförmig, in Ost-West-Richtung sind sie parallel zu den Bussteigen angeordnet. Im Übergang zum Bahngleisbereich wird die eine der beiden Trägerscharen nach unten gefaltet.

In den Regelbereichen werden vor allem Standardwalzprofile eingesetzt. In tragwerksplanerischer und fertigungstechnischer Hinsicht besonders anspruchsvolle Sonderbereiche bilden die für die geometrische Bewältigung der Übergangsbereiche erforderlichen räumlich verwundenen Träger sowie die angrenzenden auskragenden Wandbereiche, ebenso die Dachränder und Öffnungsbereiche mit einer Gesamtlänge von ca. 800m.

Die Positionierung der Stützen ist abgestimmt auf die Verkehrsplanung und die Nutzung der Flächen unter der Überdachung sowie auf tragwerksplanerische Erfordernisse. Die Gründung der Stützen erfolgte in Abhängigkeit von den Bodenverhältnissen als Flachgründung oder als Tiefgründung auf Pfählen. Die Fußpunkte der Stützen sind in beiden Richtungen gelenkig ausgebildet. Die Stützen bestehen in den unteren Bereichen aus gewalzten Rundrohrprofilen RO 298.5 x 30mm, in den oberen Bereichen aus gewalzten Rundrohrprofilen RO 298.5 x 50mm sowie jeweils vier kreuzförmig angeordneten und aufgeschweißten Flachstahlsteifen t = 30mm, b/h = 0-275 mm / 2755 mm im Bereich der biegesteifen Übergänge zu den Trägerprofilen.

Die aus den tragwerksplanerischen Erfordernissen entwickelte, in der Erscheinung sehr markante Ausbildung des Anschlusses leistet vor dem Hintergrund der ansonsten glatten Untersicht einen wesentlichen Beitrag zum Erscheinungsbild. Tragwerkstypologisch bilden Träger und Stützen Mehrfeldrahmen in beiden Richtungen und gewährleisten eine leistungsfähige Aussteifung gegenüber horizontalen Einwirkungen. Ergebnis der tragwerksplanerischen Überlegungen ist ein aus den geometrischen Randbedingungen abgeleitetes, sehr leistungsfähiges und wirtschaftliches, gleichzeitig den Gesichtspunkten Filigranität und Schlankheit Rechnung tragendes Tragsystem.

Die technisch erforderlichen, eingeschnittenen Dehnfugen der inneren, raumbildenden Beplankung des Tragwerks gliedern die Untersicht des Daches und unterstreichen die dynamische Anmutung des Bauwerks.

 

Fertigstellung
2015
Architekt
METARAUM Architekten BDA
Ingenieur
Engelsmann Peters Beratende Ingenieure GmbH
Bauherr
Stadt Pforzheim
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