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Umnutzung einer ehemaligen Dominikanerkirche als Aula - Otto-Friedrich-Universität, Bamberg

Henning Köpke

AUSZEICHNUNG

Architekt: Deubzer König + Rimmel Architekten

Laudatio
Für die Umwidmung historischer Kirchenräume muss die Architektur den passenden Ton finden, die sakrale Geschichte mit der säkularen Gegenwart in Einklang bringen. Gleichzeitig ist die Akustik eine maßgebliche technische Herausforderung.
Diese Harmonie zwischen Alt und Neu gelingt hier mit spielerischer Leichtigkeit. Die beweglichen Paravents erlauben flexible Raumsituationen. Die Kirchenhalle kann auf unterschiedliche Weisen bespielt werden, vom offenen Raum bis hin zu einem konzentrierten Versammlungsort. Durch die Perforation der Wandelemente wird eine Transparenz erzeugt, welche die Proportionen des Kirchenraums erahnen lässt. Mittels Absorbern, die sich in den perforierten, drehbaren Stahlwänden verbergen, wird auch die akustische Frage gelöst.
Die Konstruktion bringt den Ort räumlich und akustisch zum Klingen.

Erläuterungstext von Deubzer König + Rimmel

Stahlbau im historischen Kontext


Bestand
Der Innenraum der ehemaligen Dominikanerkirche wird von der Universität Bamberg als Aula genutzt. Um diese Nutzung in diesem ehemaligen Kirchenraum zu ermöglichen, wurden in den 80er Jahren Maßnahmen zur Verbesserung der Akustik getroffen. Es wurden zementgebundene Holzfaserplatten auf einer freistehenden Unterkonstruktion im Bereich der beiden Seitenschiffe und des Chors mit einer Höhe von 5 m eingebaut. Im südseitigen Chor verkleinert eine Empore das ursprüngliche Raumvolumen und diente als Ebene für Projektion und den darunter liegenden Eingangsbereich. Die historischen Fresken lagen zu großen Teilen noch unter einer Putzschicht und werden derzeit von Bauhistorikern rekonstruiert und restauriert. Eine vollkommene Wiederherstellung der Malereien im Kirchenraum ist nicht mehr möglich, derzeit werden nur partiell Flächen freigelegt.

 

Foto: Henning Köpke

Konzept „Cella“
Die neue Planung sah vor, anstelle der bisherigen akustischen Einbauten im Hauptraum des Kirchenbaus, eine bewegliche, textilwirkende Wandschicht einzubauen, eine Art Paravent. Diese Schicht nimmt konstruktiv alle technischen Anforderungen auf, die der aktuellen Nutzung als Aula dienlich sind: eine optimal verbesserte Akustik, ein speziell auf die Situation ausgerichteter Blendschutz im oberen Drittel der Längswände und eine flexible Raumnutzung durch öffenbare Elemente für Vorträge, Bankette und Prüfungen.

Es entsteht der Raumeindruck einer „Cella“ – eines eingestellten Raumes, analog zur antiken Bautradition. Der historische Sakralraum bleibt ablesbar, die zeitgenössische profane Nutzung als Aula wird räumlich abgebildet. Bauliche Eingriffe in die historische Außenwandschale werden weitestgehend vermieden. Lediglich der ahistorische Boden wird erneuert und technisch nachgerüstet. Der Raum bleibt komplett in weiß gehalten, nur polychrome historische Fragmente und die neuen künstlerisch gefassten Kirchenfenster sind davon ausgenommen.

Konstruktion
Die 3,5 m breiten und 8 m hohen, stark exzentrisch gelagerten Cella-Flügel sind als Drehflügel ausgelegt. Eine leichte manuelle Betätigung ist durch die drehbare Lagerung gewährleistet, eine dauerhafte Fixierung erfolgt lediglich über einen stirnseitigen Drehbolzen, der in eine Bodenhülse versenkbar ist – zwei Elementeinstellungen sind möglich.


Die Dimensionierung der Flügel hinsichtlich der Eigenlasten (gesamtes Flügelgewicht inkl. Ballast bis zu 3,5 to, davon ca. 1,0 to Ballast) sowie Horizontallasten aus Publikum und inneren Windlasten wurden statisch berücksichtigt, ergänzend fanden zusätzliche rechnerische Nachweise zum eventuellen Erklettern der Elemente Berücksichtigung.

Wegen der bereits erstellten Mikropfahlgründung der tragenden Bodenplatte mussten die Elemente möglichst leicht und mit minimaler Exzentrizität ausgebildet werden, die Ballastierung erfolgte auf der kurzen Flügelseite über geometrisch angepasstes Vollmaterial.

Die Verwendung von Stahl ermöglichte einen optimierten und filigranen Querschnitt der Konstruktion, eine geforderte Vermeidung von zusätzlichen Brandlasten im Innenraum und eine wirtschaftlichere Lösung gegenüber beispielsweise einer Beplankung mit Faserzementplatten. Des Weiteren ermöglichte die Stahlbaulösung eine verdeckte Verschraubung der Flügelelemente, verbunden mit der Möglichkeit die eingelegte akustische Dämmung zu einem späteren Zeitpunkt zugänglich zu halten.

Die Flügel wurden in Analogie zum Flugzeugbau mit segmentierter Lochbeplankung auf doppelstegigen, elliptisch gelochten Spanten vorgefertigt und wegen der Flügelgröße und der beschränkten Zugänglichkeit für Hebegeräte vor Ort montiert. Die Blechbauteile wurden wegen der erforderlichen Passgenauigkeit mittels Laserschnittverfahren produziert.

Eine querschnittsoptimierte Zentralwelle mit Rund- und Quadratquerschnitt wurde thermisch in die gewählten Lagerschalen montiert. Die Konstruktion des Lagertopfes, der Lagerhülsen und der Anschluss- und Einbaubauteile in die Bodenplatte, ist dreidimensional und axial justierbar, die exakte Justierbarkeit mittels 2-lagiger Feingewindeschrauben, ermöglicht die Gewährleistung der 30 mm breiten vertikalen Stoßfuge zu den benachbarten Flügeln ohne Flächenversatz in der Flügelebene.

Das Lager ist mit zwei hoch belastbaren Pendelrollenlagern für Radial- und Axialkräfte ausgestattet. Eine Stabilisierung der Flügel in der Fläche sowie der Lastabtrag des exzentrischen Ballastquerschnittes erfolgt über die Scheibentragwirkung der Beplankung.

In Anlehnung an den „weißen profanen Raum“, erfolgte die Beschichtung der Raumelemente in einem weisen Strukturlack, der die Körnigkeit der geputzten Wandflächen aufnimmt.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die gewählte Stahlbaukonstruktion – eine hohe Präzision in der Ausführung und eine gestalterisch angemessene, noble und elegante Konstruktion der Cellaelemente in dem besonderen Kontext eines historischen Kirchenraumes ermöglicht.

Für die Umwidmung historischer Kirchenräume muss die Architektur den passenden Ton finden, die sakrale Geschichte mit der säkularen Gegenwart in Einklang bringen. Gleichzeitig ist die Akustik eine maßgebliche technische Herausforderung.
Diese Harmonie zwischen Alt und Neu gelingt hier mit spielerischer Leichtigkeit. Die beweglichen Paravents erlauben flexible Raumsituationen. Die Kirchenhalle kann auf unterschiedliche Weisen bespielt werden, vom offenen Raum bis hin zu einem konzentrierten Versammlungsort. Durch die Perforation der Wandelemente wird eine Transparenz erzeugt, welche die Proportionen des Kirchenraums erahnen lässt. Mittels Absorbern, die sich in den perforierten, drehbaren Stahlwänden verbergen, wird auch die akustische Frage gelöst.
Die Konstruktion bringt den Ort räumlich und akustisch zum Klingen.

Fertigstellung
2012
Architekt
Deubzer König + Rimmel Architekten Gmbh, München
Ingenieur
Burges & Döhring, Bayreuth
Bauherr
Otto-Friedrich-Universität, Bamberg
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