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Victor-Neels-Brücke über den Urftsee im Nationalpark Eifel

 

Der Nationalpark Eifel erstreckt sich in Nordrhein – Westfalen von der belgischen Grenze bis an den Rand der Kölner Bucht. Das Gebiet umfasst neben natürlichen Eifelwäldern und Tälern den ehemaligen Truppenübungsplatz „Burg Vogelsang“ und in zentraler Lage den Urftsee. Der Urftsee wurde 1905 als Stausee des Rurnebenflusses angelegt.
In Höhe des Plateaus unterhalb der 1934 errichteten Burg Vogelsang konnte man bis 1945 den Urftsee mit einer Fähre überqueren.
Nach 1945 diente das Gebiet um den Urftsee als Truppenübungsplatz des belgischen Militärs. Nach dem Rückzug 2004 wurde das Gelände und angrenzende Waldgebiete im Jahre 2006 als Nationalpark Eifel ausgewiesen und der Öffentlichkeit zugängig gemacht.
Mit der Errichtung des Nationalparks wurde zunächst an eine Belebung des Fährverkehrs über den Urftsee gedacht. Die stark schwankenden Wasserstände des Urftsees lassen einen regelmäßigen Fährverkehr jedoch nicht zu.
An gleicher Stelle, in Höhe des Lorbachtals, sollte nun eine feste Verbindung von der an der Ostseite des Urftsees gelegenen ehemaligen Kreisstraße 7 zum Plateau unterhalb der Burg Vogelsang errichtet werden. Die Breite des Urfttals misst hier ca. 120 m. Der Höhenunterschied zwischen den beiden Uferwegen beträgt 3,17 m. Der Anstieg erfolgt zum westlichen Ufer hin.

Die ersten Vorentwürfe der Urftseebrücke sahen mehrfeldrige Systeme aus verschiedenen Materialien vor. Es zeigte sich jedoch, das Zwischenunterstützungen das Landschaftsbild beeinträchtigten und die Bauausführung, die sich auf Niedrigwasser des Sees beschränken muss mit dem Risiko behaftet wäre, dass ein Fluten des Baufeldes möglich wäre.
Gegenüber herkömmlichen Balkenkonstruktionen, auch als Trogkonstruktionen, wurde die leichte und stützenfreie Seilkonstruktion als wirtschaftlichste Lösung zur Zielvariante.

 

 

Foto: Roman Hövel

Lediglich an einem Pylon ist die Seilstruktur der neuen Urftseebrücke aufgehängt. Die Gradiente des Weges über den Urftsee beschreibt einen Bogen, dessen Scheitelpunkt aufgrund des Höhenunterschiedes der beiden Ufer nahe dem Westufer liegt. Die Neigungen der Gradiente wurden so gewählt, dass am steileren Anstieg an der K 7 eine Steigung von maximal 6 % nicht überschritten wird. Der 21 m hohe Pylon lehnt sich gegen die Weggradiente zum nahen Berghang hin. Er wurde als Rundrohr mit sich verjüngenden Enden hergestellt und um 17° gegen den Berghang geneigt montiert. Die Auflagerung auf dem Widerlager erfolgt durch ein Kugelgelenk. Die Standsicherheit wird durch zwei Abspannungen zum Berghang hin, die im Grundriss gespreizt sind, hergestellt. Die Tragkonstruktion der Brücke wird aus zwei Tragseilen gebildet, die sich vom Pylon zum westlichen Widerlager spannen. Ausgehend vom gemeinsamen Lagerpunkt am Pylon spreizen sich die Seile im Grundriss zu den 7,60 m auseinanderliegenden Widerlagerscheiben. Der leichte Fahrweg ist an Hängeseilen im Abstand von 3,95 m aufgehängt. Zur Sicherstellung der Stabilität sind beidseitig des Fahrweges Spannseile von Widerlager zu Widerlager gespannt. Die Vorspannung der auch im Grundriss gekrümmten Seile erzeugt Stabilität in vertikaler und horizontaler Richtung und entlastet die Tragseile für nach dem Vorspannen aufgebrachte Lasten. Die durch dieses System zu überbrückende lichte Weite beträgt 122,50 m.


Die Wegbreite auf der Brücke beträgt, bis auf den sich aufweitenden Zugangsbereich am Pylon, 2,50 m. Im Querschnitt bildet die Tragkonstruktion Trapeze, die in den oberen und unteren Ecken durch die Trag- und Spannseile gebildet werden. Der seitliche Verlauf wird durch Zugseile gebildet, den unteren Abschluss bilden die Querträger, die den Fahrweg aufnehmen.

Die Krümmung der Gradiente und der Spannseile sind unabhängig voneinander, so dass die Querträger zum Höhenausgleich im auflagernahen Bereich konvex und zur Brückenmitte hin konkav geformt sind. Die Querträger werden durch Längsträger verbunden, die an den Querträgern zum Verformungsausgleich gelenkig und horizontal verschieblich gelagert sind.

Neben der Seilkonstruktion aus hochfestem Stahl wurden der Pylon, die Querträger, die Längsträger, die Umlenkstützen am westlichen Widerlager und die Geländer aus Stahl gefertigt. Ebenso wurden die Ankerelemente der Abspannseile und des Tragseils am westlichen Widerlager aus Stahl gefertigt.

Der 2,50 m breite Geh- und Radweg hat einen offenen Bohlenbelag aus Aluminium. Die Bohlen wurden von der Brückenachse aus in zwei Einzelteilen diagonal verlegt, um eine Querentwässerung durch Längsgefälle in der Bohle zu erreichen. Zur Umfahrung des Pylons und zur Herstellung einer besseren Fahrdynamik an der Einmündung zur K 7 wurde der Fahrweg auf der Brücke im Pylonbereich auf zwei mal 2,50 m aufgeweitet.
Die beidseitig der Brückenränder verlaufenden Geländer wurden aus Pfosten und Handläufen hergestellt. Seilnetze bilden die Füllungen, die zwischen zwei längsgespannten Stahlseilen gespannt sind. Die Geländer haben einen Handlauf aus Edelstahl in 1,20 m Höhe. Die Wahl der Geländerkonstruktion erlaubt ungehinderte Bewegungen des Überbaus unter Verkehrslast und Temperaturänderungen.

Die Auflagerbereiche der Brücke wurden aus Stahlbeton gefertigt. Sichtbar sind an den Enden der Spannseile Betonscheiben, die gleichzeitig als Flügelwände dienen. Am westlichen Ufer wurden die Tragseile zusätzlich an den Brüstungsscheiben verankert, nachdem sie über kurze Pendelstützen geführt worden sind.

 

 

 

 

Die beiden Widerlager und die Anker der Abspannseile wurden mit Mikropfählen in den Fels des Untergrundes verankert und durch Bohrpfähle in den Untergrund gesichert. Am östlichen Ufer erfolgte die Gründung des Widerlagers und der Abspannfundamente direkt auf dem unter der Geländeoberkante anstehendem Fels des Unterdevon. Auf der westlichen Seite liegt die Gründungssohle auf einer ca. 3,50 m dicken kiesig - sandigen Auffüllung. Darunter befindet sich ein frischer bis schwach verwitterter Tonstein.
Die Tiefgründung unter den Widerlagern und den Abspannpunkten besteht je Widerlagerseite aus einer Pfahlkopfplatte mit vier ca. 7,00 m langen Bohrpfählen mit einem Durchmesser von 0,80 m. Die als verrohrte Ortbetonbohrpfähle ausgeführten Pfähle wurden in den tragfähigen Fels eingebunden. Zusätzlich zu den Bohrpfählen wurden Zug- und Horizontalkräfte über Mikropfähle mit einem Durchmesser von 0,15 m in den Fels eingeleitet. Unter dem östlichen Widerlager, das direkt auf dem Felsniveau liegt, sind Pfahllängen von 10 m ausreichend, unter dem westlichen Widerlager wurden 15,70 m bzw. 17,30 m lange Mikropfähle angeordnet. Die beiden Abspannfundamente im östlichen Berghang wurden über 10,00 m lange Mikropfähle im Fels des Untergrundes verankert.
Die Widerlager sind in den Pfahlkopfplatten als rückwärtig offene Kästen eingespannt. Die Widerlagerwände wurden als 35 cm Stahlbetonwände ausgeführt, die Flügelwände als 1,00 m dicke Stahlbetonscheiben. Zur Aufnahme des Pylons am östlichen Widerlager erhielt die Widerlagerwand einen Vorsprung von 1,60 m Länge. Alle Sichtflächen der Betonbauteile erhielten eine raue Brettstruktur.

Bei der Montage der Brücke wurde der zum östlichen Hang hin geneigte Pylon zum westlichen Widerlager hin abgespannt. Gleichzeitig wurden die endgültigen Abspannseile montiert. Nach der Einrichtung eines Pilotseiles wurden die Tragseile vom östlichen Ufer zum Widerlager West gezogen und in den Verankerungen vormontiert. Es erfolgte die Montage der Abspannseile und der Querträger, die durch die Längsträger eine Montageaussteifung erhielten. Über die Querträger wurden die Spannseile vom Ostufer zum westlichen Ufer gezogen und auf die Querträger montiert. Es erfolgt die Vorspannung der Spannseile an beiden Widerlagern. Zeitgleich wurden die Abspannseile vorgespannt, um den Pylon in seiner Solllage zu halten. Hiernach konnte der endgültige Ausbau der Brücke erfolgen.

Die Nutzung der Brücke ist ausschließlich Fußgängern und Radfahrern gewidmet. Bei der Wahl der Steigungsverhältnisse werden 6% an der Steilseite der K 7 nicht überschritten, um mobilitätsbehinderten und älteren Menschen die Brückennutzung zu ermöglichen. Die Brückenkonstruktion und der Belag wurden so ausgebildet, dass die Brücke mit Fahrzeugen bis 3 t Achslast befahren werden kann. Die Nutzung soll jedoch ausschließlich auf Rettungsfahrzeuge und Arbeitsbühnen zu Prüf- und Wartungszwecken beschränkt sein.
Der Urftsee befindet sich in der Deutschen Erdbebenzone 2, hieraus ergibt sich die zweitstärkste seismischen Belastung in Deutschland. Das für Torsionsbeanspruchung weiche Bauwerk ist für die seismischen Anforderungen die am besten geeignete Konstruktion.

Die Wahl einer Hängebrücke, die in der Tragkonstruktion wesentlich nur aus vier Seilen besteht ist die filigranste Möglichkeit der Urftseequerung. Mit dem einseitigen Pylon auf der Ostseite ordnet sich die Brücke durch die zurückhaltende Seilstruktur mit hoher Ästhetik ganz dem Landschaftsbild unter.

Bei der Bauwerksgestaltung wurde der größtmögliche Wert auf die Einpassung des Bauwerkes in die landschaftliche Umgebung gelegt. Eingriffe in den Naturhaushalt sind im Verhältnis zur Bauwerksgröße sehr gering. An beiden Ufern wurden lediglich Schneisen in einer Breite von ca. 12 m in den Uferbewuchs gerodet.

Alle Unterbauten sind vom natürlichen Gelände ohne besondere Hilfseinrichtung zugänglich. Zur Prüfung und Wartung des Überbaus ist unterhalb der Fahrbahn eine Schienenkonstruktion angebracht, die ein unterseitiges Befahren der Brücke durch einen Wartungskorb mit Elektroantrieb ermöglicht. Der Korb ist demontierbar und kann außerhalb der Nutzungszeiten eingelagert werden.

Der Baubeginn war im März 2009, die Fertigstellung der Brücke erfolgte im September 2009.

Begründung für die Nominierung zum Deutschen Brückenbaupreis durch die Jury
Beengte Platzverhältnisse, Schutz von Fauna und Flora gemäß Nationalparkverordnung und Wirtschaftlichkeit waren Randbedingungen, die es bei der stützenfreien Überbrückung des Urftsees im Nationalpark Eifel zu berücksichtigen galt. Mit einer filigran wirkenden Hängebrücke wurde die Aufgabe vorbildlich gelöst. Fußgänger und Radfahrer erleben bei der Querung des Sees ein harmonisch in die Umgebung eingefügtes Bauwerk.

Die einhüftige Hängebrücke stellt mit geringstem Materialaufwand eine bewundernswerte Leichtigkeit her. Erzielt wird dies durch die Aufhängung des sehr schlanken Brückenbalkens an zwei Hauptkabeln. Diese sind, ausgehend von der gemeinsamen Verankerung an der Spitze des elegant nach hinten geneigten, runden Stahlpylons, auf beiden Seiten an unauffälligen Widerlagern verankert.

Das leichte stählerne Brückendeck mit offenem Bohlenbelag aus Aluminium erfordert eine zusätzliche räumliche Abspannung nach unten und Schwingungstilger. Die Verwendung von Aluminium ist eine Besonderheit der bis ins Detail sorgfältig durchgearbeiteten Brücke, die eine Hauptspannweite von 124 m hat. 
Gute Planung, Minimierung des Materialaufwands und auf die Örtlichkeit abgestimmte  Bauverfahren machten eine dennoch wirtschaftliche Lösung möglich. Da die Kabel an den Enden über Mikropfähle im Fels des Untergrunds verankert sind, konnten sie im ersten Schritt in endgültiger Länge eingebaut und der Stahlträgerrost an ihnen aufgehängt werden. Dieses System konnte dann mit den Abspannseilen nach unten hin stabilisiert werden.

Auch in punkto Nachhaltigkeit überzeugt die Brücke. Die filigranen Stahlteile sind gut zugänglich und es kamen moderne Schutzanstriche zum Einsatz. Der Balkenbelag aus Aluminiumbohlen ist von Hause aus wartungsarm.

Hier wurde mit Umsicht nachhaltig, innovativ, situationsgerecht und wirtschaftlich gebaut. Für die Jury sind das gute Gründe zur Nominierung der Victor-Neels-Brücke für den Deutschen Brückenbaupreis 2012.

Fertigstellung
2009
Architekt
Lorenz Cornelissen, Nideggen
Ingenieur
Ingenieurbüro Lorenz Cornelissen
Bauherr
Kreis Euskirchen
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