Text von Lehrstuhl für Tragkonstruktionen, RWTH Aachen

Airfoil, das Ergebnis experimenteller Forschung zum Thema Metallleichtbau, ist eine zweischichtige, doppelt gekrümmte Schalenkonstruktion aus Edelstahlblech mit kontinuierlicher Oberflächenkrümmung. Die Hauptkrümmung wird durch Streckziehen (SZ) in die Bauteile eingeformt. Zusätzliche werden mithilfe eines Inkrementellen Umformungsprozesses (IBU) in eine der Blechlagen Konen eingeformt, die eine schubfeste Verbindung zwischen den Blechlagen herzustellen und einen variablen Bauteilquerschnitt bilden. Dadurch wird eine erhöhte Biegesteifigkeit des Systems erreicht, die für leichte Schalenkonstruktionen entscheidend ist. Im Mittelpunkt des Projekts stehen die Entwicklung des Prozess- und Werkzeugkonzepts, eine vollständig parametrisierte Auslegungskette sowie die Optimierung der Struktur- und Prozessparameter, vor allem mit dem Ziel einer möglichst effizienten Bauteilfertigung.

Die punktgelagerte Leichtbauschale überspannt eine Fläche von 8,0 m x 8,0 m. Ermöglicht wird dies durch die Kombination einer lastaffinen Schalenform mit einer hocheffizienten Struktur aus Freiformpaneelen aus Edelstahlblech.

Die Grundidee ist, die erforderliche Tragfähigkeit der Schale nicht durch die Materialstärke, sondern durch die Formgebung zu erreichen. Die komplex geformten Bauteile wurden in einer zweiphasigen Prozesskombination automatisch hergestellt. Mit dem neuartigen und hochtragfähigen Konstruktionsprinzip können kontinuierliche Krümmungsverlaufe für syn- und antiklastischen Bereiche realisiert werden.

Das Prinzip basiert auf ausschließlich zwei Blechlagen, die auf Abstand gefügt werden und statische Höhe generieren, um neben einer Membrantragfähigkeit auch eine Biege- und Schubsteifigkeit des Systems zu erzeugen. Der Zwischenraum der beiden Lagen wird durch Konen überbrückt, die in eine der beiden Blechlagen eingeformt sind, und so die statische Höhe der Paneele bilden. Dadurch wird eine deutliche Erhöhung des Trägheitsmomentes erreicht, ohne den Materialquerschnitt zu vergrößern. Die beiden Lagen werden an den Spitzen der Konen über innenliegende Schweißbolzen zu Paneelen gefügt. Bei dieser Fügetechnik bleibt die Oberfläche der Schale ungestört. Im Scheitelpunkt beträgt die maximale statische Höhe der Schale 12 cm und reduziert sich bis zum Schalenrand auf null.

Die verwendeten Bleche sind 0.8 mm dick; das Konstruktionsgewicht des Tragwerks liegt somit bei 16 kg/m². Die Schale ist aus 144 einzelnen Feinblechpaneelen zusammengesetzt, die Fügung der Paneele erfolgt mit Schrauben und Blindnietmuttern. Die Paneelgröße ist auf den Bauraum der Maschine begrenzt und kann auf entsprechende Fertigungsmaschinen der Industrie skaliert werden, wodurch die Bauteilanzahl und der Fügeaufwand deutlich reduziert werden kann.

Zur Fertigung der Paneele wird der Umformprozess des Streckziehens (SZ) zur globalen Formgebung der Bleche und die inkrementelle Blechumformung (IBU) zur Einformung der Konen kombiniert. Mit dieser Kombination von Verformungsprozessen sind nahezu alle Formen im 2,5D Bereich umsetzbar. Können Teilbereiche der globalen Zielgeometrie über Streckziehen nicht erreicht werden, kann dies durch die IBU erfolgen. Zur Reduktion von Beschnitt und Formwerkzeugmaterial wurde ein Algorithmus entwickelt der die optimale Fertigungsreihenfolge sowie die Bauteilorientierung ermittelt.

Folgende Fertigungsschritte erfolgen automatisiert im Maschineaufbau einer modifizierten 5-Achs-CNC: Vorbereitung des Formwerkzeugs (Fräsen von MDF-Block), globale Formgebung der Bleche (SZ), Einformung der Konen (IBU), Bohrungen für die Fügemittel und Beschnitt der Bleche. Die dazu erforderlichen CAM-Daten entstammen aus der CAD-Umgebung (File-to-Factory). (Noch) manuell durchzuführen ist das Setzen von Schweißbolzen und Blindnieten.

Um alle statischen Anforderungen zu erfüllen war nicht nur eine globale Strukturoptimierung (Schalenform) erforderlich, sondern auch eine lokale Optimierung durch die Auslegung von Konen -anzahl, -größe, -raster, und -winkel. Die Formfindung der Schale erfolgte in einem numerischen Modell mithilfe der dynamischen Relaxationsmethode unter Ansatz von Eigengewicht. Unkonventionell war die Implementierung einer Biegesteifigkeit bei der Formfindung, was zur charakteristischen Gegenkrümmung im Auflagerbereich führt, die bei anderen Schalen nicht üblich ist. Für realitätsnahe Lastannahmen wurden Windlasten im numerischen Windkanal ermittelt. Die anzunehmenden Windlasten sind lokal bis um den Faktor 10 höher als das Konstruktionsgewicht. Wie für Leichtbaukonstruktionen üblich führt dies zum Verlust des formgebenden Lastfalls und somit der idealen Schalenform. Die Schale wird daher durch Normalkräfte und Biegebelastungen beansprucht. Maßgebend bei der Auslegung sind lokale sowie globale Beulphänomene die zur Gefährdung der Gesamtstabilität führen können. Rechenintensive materiell- und geometrische nichtlineare numerische Strukturanalysen sind zur Nachweisführung erforderlich. Zur Validierung der Simulationsergebnisse wurden Bauteilversuche an ebenen und gekrümmten Bauteilen und gefügten Bauteilgruppen durchgeführt.

Die relativ zum Rest der Schale hohe erforderliche Steifigkeit im Auflagerbereich wurde erreicht indem in beide Blechlagen versteifende Konen eingeformt und eine dritte Blechlage als Eindeckung aufgebracht wurde. Zwischen den beiden Lagen mit Konen wurde an jedem Fußpunkt ein liegendes Stahlschwert angeordnet, welches die Schale mit einem umlaufenden Stahlrahmen verbindet. Der Stahlrahmen dient neben seiner Funktion als Zugband zur Aufnahme horizontaler Lasten aus den Fußpunkten auch als Transportrahmen und stellt nach der Gründung auf vier Schraubfundamenten sicher, dass keine Zwängungen aus unterschiedlicher Lagersetzung auftreten können.

Der Bau der Schale dient zur Validierung der statischen Leistungsfähigkeit des Konstruktionssystems und der Maßhaltigkeit der Blechpaneele. Die Schale wird auf dem Campus Melaten der RWTH Aachen mit Blickbezug zur Uniklinik als begehbarer Pavillon aufgestellt.

Mit dem entwickelten Konstruktionsprinzip inklusive dem Formfindungsprozess und der Optimierung in der Fertigung können Leichtbaukonstruktionen mit einem absolut minimierten Material- und Ressourcenaufwand realisiert werden. Durch die Monomaterialität und die Fügung über Schrauben, sind die Paneele einfach demontier- und recyclebar.

Durch den voll parametrisierten Entwurfs- Planungs- und Simulationsprozess und den kombinierten Fertigungsprozess können auch Konstruktionen mit einer hohen Zahl an individuellen Bauteilen wirtschaftlich geplant und gefertigt werden.

Laudatio der Jury

Der Airfoil-Pavillon enthält eine Anerkennung, als besonderes Ergebnis experimenteller Forschung zum Thema Metallleichtbau. Mit der erhöhten Biegesteifigkeit des Systems werden leichte Schalenkonstruktionen ermöglicht. Im Mittelpunkt der Entwicklungsarbeit steht eine möglichst effiziente Bauteilfertigung.

Mit dem hier entwickelten Konstruktionsprinzip und der Fertigungsoptimierung können vielfältigste Formen als Leichtbaukonstruktionen realisiert werden. Zudem gestattet die Monomaterialität und Schraubenfügung eine einfache Demontier- und Recyclebarkeit der Bauteile. Das System besticht durch die erhöhte Möglichkeit wirtschaftlicher Planung und Fertigungstechnik.