Bisher hatte der Bundeswirtschaftsminister für die Dekarbonisierung der Stahlindustrie vor allem auf Subventionen gesetzt. Sie sollen nun durch grüne Leitmärkte ergänzt werden. Grüne Stahlzertifikate sind dazu ein erster Schritt. Damit haben die Stahlproduzenten und der Stahlhandel im bauforumstahl e.V. erstmals die Möglichkeit, nach einer festen Definition Stahl als klimafreundlich produziert auszuzeichnen. Dieses Konzept soll nach Ansicht von Minister Habeck auch international implementiert werden. 

Basis der nun verabschiedeten Definition ist ein fünfstufiges Klassifizierungssystem, mit dem Stahlhersteller und -abnehmer kennzeichnen können, zu welchem Anteil das Produkt mit klimafreundlichen Verfahren hergestellt wurde. Das Spektrum reicht von Stahlprodukten mit reduzierten CO2-Emissionen in der ersten Stufe bis zu nahezu emissionsfrei produziertem Stahl in der fünften Stufe. Die Menge der dabei verwendeten Sekundärrohstoffe (Stahlschrott) wird dabei einberechnet. 

Wir tragen dieses Klassifizierungssystem, auf das wir schon lange gewartet haben, gerne mit, weil es die Vergleichbarkeit der Transformationsbemühungen ermöglicht und Marktregeln schafft, die einzuhalten sind. Vor allem bereitet es den Markt vor für die Umstellung auf grünen Stahl. Unsere Hersteller bekennen sich seit langem zur Umstellung auf klimafreundlichere Technologien. Die großen deutschen Stahlhersteller – alle Mitglieder bei uns – setzen dabei vor allem auf Direktreduktionsanlagen und Elektrolichtbogenöfen.  

Die Dekarbonisierung der Stahlproduktion ist allerdings, wie wir nur zu gut wissen, für sich genommen schon enorm teuer. Dazu kommen die hohen Kostenbelastungen in unserer energieintensiven Branche durch die Verteuerung der Energie im Allgemeinen und die hohen Kosten der grünen Energie im Besonderen. Es entspricht der wirtschaftlichen Logik, dass dieser Wettbewerbsnachteil eine Verlagerung an ausländische Standorte mit ausreichendem Zugang zu günstiger Energie notwendig machen könnte.  

Diesen Exodus will weder unsere Branche noch die Politik, und so will auch Minister Habeck dies unbedingt verhindern. Deshalb haben Bund und Länder allein den Umbau der Produktionsanlagen der vier großen Stahlhersteller Thyssen-Krupp, Salzgitter, Saarstahl und Arcelor-Mittal mit rund sieben Milliarden Euro massiv subventioniert. Der Betrieb dieser Anlagen könnte im Rahmen von „Klimaschutzverträgen“ auch künftig mit weiteren Milliarden gefördert werden. Auf Dauer lässt sich der Stahlstandort Deutschland allerdings nicht allein über Subventionen sichern.  

Eine Lösung könnten „grüne Leitmärkte“ sein, ein indirektes Förderinstrument auf marktwirtschaftlicher Basis. Dabei sorgt der Staat dafür, dass klimaneutral hergestellte Produkte bevorzugt gekauft werden, indem er zum Beispiel bei öffentlichen Ausschreibungen klimaneutrale Produkte priorisiert, etwa bei der Anschaffung von Dienstwagen. An der Nachfrage wird es nicht scheitern. Es gibt ernstzunehmende Studien, nach denen das Angebot an CO2-reduzierten Materialien wie Stahl und Aluminium nicht mit der schnell steigenden Nachfrage mithalten könne, weil auch unsere Kunden sich mehr und mehr ambitionierte Klimaziele setzen. 

Die standardisierte Definition für grünen Stahl nach LESS ist ein erster Schritt, hinter der die deutschen Hersteller und damit rund die Hälfte des gesamten europäischen Marktes stehen. Aber das darf keine deutsche Insellösung bleiben. Denn damit tatsächlich ein grüner Leitmarkt entstehen kann, ist die europäische Verbreitung entscheidend.