Text von Michael Stein
Die neue Brückenfamilie in Torontos Hafenviertel besteht aus drei Zwillingsbrücken (insgesamt sechs Brücken), die zur Revitalisierung des ehemaligen Hafengebiets beitragen. Die einheitlich gestalteten Brücken im Port Lands District verbinden den neuen Stadtteil mit der Innenstadt. Als markant geformte Stahlbogenkonstruktionen mit einem Stahl-Verbunddeck sind sie bereits jetzt zu einem Symbol für Torontos Stadtentwicklung geworden. Innovative Fertigungstechniken, maximale Materialeffizienz und Kostenreduzierung charakterisieren die Bauwerke.
Das Design
Das Design ist inspiriert vom Wunsch des Bauherrn nach zukunftsfähigen Brücken: Die Brücken sollten symbolisch das Engagement der Stadt für Innovation, Nachhaltigkeit sowie die Verbindung zwischen Natur und urbaner Dichte unterstreichen. Das Ergebnis ist eine einheitliche Familie von Brücken an drei Wasserstraßenübergängen, jeweils bestehend aus einer Straßen- und einer Stadtbahnbrücke, also insgesamt sechs Brücken. In der Cherry Street North ersetzen die roten, einfeldrigen Brücken eine bestehende Überquerung über den Keating-Kanal. Die dreifeldrigen, gelben Brücken der Cherry Street South überqueren die Mündung des Flusses Don zum südlichen Bereich des Viertels. Die orangen Commissioners Street Brücken durchqueren mit ihren vier Feldern ein neues Flussbett und die Feuchtgebiete an der Ostseite der Port Lands. Vier der sechs Brücken befinden sich derzeit im Bau, eine ist bereits eröffnet. Die Stadtbahnbrücken an der Cherry Street South und der Commissioners Street folgen in einem nächsten Bauabschnitt.
Innovation
Das Team entwickelte eine Reihe von alternativen Bogenbrückenentwürfen, welche die Geschichte Torontos als Hafenstadt und gleichzeitig den Wunsch nach einer lebenswerten und fußgängerfreundlichen Zukunft für das neue Viertel berücksichtigten. Das Ergebnis – mit Beteiligung von Waterfront Toronto und einer Jury – war eine hybride Schalen-Bogen-Brücke mit einem ebenen Brückendeck, welches über Hänger mit den Bögen verbunden ist. Dieser selbstverankernde Bogen maximiert die Materialeffizienz und senkt gleichzeitig die Kosten. Darüber hinaus erzeugen Stabbogenbrücken nur vertikale Reaktionskräfte, wodurch sich die Größe und Komplexität der Fundamente reduzieren. Dies stellt einen wichtigen Vorteil dar, da der Boden vor Ort zum einen kontaminiert ist und gleichzeitig von schlechter Qualität ist. Zudem waren die Fundamente und die Anzahl der Stützpfeiler durch den Hochwasserschutzplan für das Gebiet begrenzt.
Zusätzlich zu den Anforderungen durch die Fundamente wurde die Geometrie der Brücken von Anforderungen an Verkehrsabstände zwischen den einzelnen Nutzungen und Nutzergruppen bestimmt. Innerhalb der geometrischen Grenzen wurde eine glatte und kontinuierliche Krümmung der gesamten Schalenstrukturen entworfen, welche gleichzeitig die erforderliche Steifigkeit und statischen Eigenschaften für alle Bauteile gewährleistet. Als Brückenfamilie folgen alle dem gleichen Prinzip, wurden aber jeweils an die spezifischen funktionalen und standortbedingten Anforderungen angepasst. Das Planungsteam änderte nicht nur die Breite je nach Verkehrsart, sondern variierte auch die Anzahl der Pfeiler für jede Brücke in Abhängigkeit von ihrer Gesamtlänge. Während bei den Brücken Cherry Street North jeweils nur ein Feld über die gesamte Länge benötigt wurde, verfügen die Brücken Cherry Street South und Commissioners Street über mehrere Brückenpfeiler, die eine Durchlaufwirkung ermöglichen, was die statischen Anforderungen an den Zugbalken erheblich reduziert. Da die Brücken selbstverankert sind, war es nicht erforderlich, große horizontale Stützkräfte in die Widerlager einzubringen. Die Fahrbahn wird von Querträgern aus geschweißten I-Trägern getragen, die zwischen den beiden Hauptträgern spannen. Der obere Flansch des Querträgers ist geneigt und folgt der Querneigung des Brückendecks. Die schlanken Hohlkastenträger werden dann mit dünnen Rippenplatten an der Stahlschale aufgehängt.
Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit
Das großmaßstäbliche Revitalisierungsprojekt von Torontos Uferzone bietet neben einem umfassenden Hochwasserschutz eine ökologische Verbesserung für das 400 Hektar große Gelände und den Fluss. Die Port Lands Bridges spielen hierbei eine wichtige Rolle, indem sie durch ihre multimodale Erschließung – mit der Stadtbahn und den geschützten Fußgänger- und Radfahrerspuren – einen Beitrag zu nachhaltigeren Formen der Mobilität leisten.
Dank dem Einsatz digitaler Planungsmethoden und innovativer Fertigungstechniken entstanden elegante und effiziente Strukturen mit einem minimalen Materialverbrauch. Die Dicke des Stahls variiert über die Fläche des Scheitelpunkts, wodurch weniger Material in Bereichen mit geringerem Bedarf verwendet wird. Die Bogen-/ Schalenstruktur wirkt hauptsächlich unter Druck und Zug, um Lasten zu tragen und die Biegung zu minimieren.
Auf der Baustelle wurden die Emissionen und der Materialausschuss reduziert, indem die Brücken in der Werkstatt vorgefertigt und als komplette Fertigteile eingehoben wurden. Die Lage an einer wichtigen Schifffahrtsroute ermöglichte es zudem, den größten Teil des Materials über Wasserstraßen aus den Fertigungsanlagen in den Niederlanden und aus Nova Scotia zu transportieren.
Auf den Brücken selbst entstehen mit den Gehwegen neue öffentliche Raum für Fußgänger und die geschützten Radwege sorgen für mehr Sicherheit und individuellere Mobilität. Insgesamt erschließen die verschiedenen Brücken die ehemaligen Brachflächen in den Docks für alle Verkehrsteilnehmerin gleichberechtigt und nehmen damit eine Schlüsselrolle für die zukünftige Entwicklung des neuen Stadtteils in Toronto ein.
Laudatio der Jury
Die Brückenfamilie in Torontos Hafenviertel besteht aus drei Zwillingsbrücken an drei Wasserstraßenübergängen, deren einheitliche Formensprache und konstruktive Gestaltung das Engagement der Stadt Toronto für Innovation, Nachhaltigkeit sowie die Verbindung zwischen Natur und urbaner Dichte unterstreichen.
Die Begriffe Innovation und Nachhaltigkeit stehen auch für das Büro sbp (Schlaich, Bergemann und Partner) deren Team hier mit ihrem Entwurf den Werkstoff Stahl durch innovative Fertigungstechniken und maximaler Materialeffizienz formvollendet zu seiner vollen Geltung gebracht haben.
Die hybriden Schalen-Bogen-Brücken mit einem Verbundbrückendeck, welches über Hänger mit dem Bogen verbunden ist, wird in Schalenplatten, Bogenplatten und Randplatten unterschieden, welche das Haupttragwerk bilden und nach dem Prinzip einer Stabbogenbrücke unter gleichmäßiger Belastung nur auf Druck beansprucht wird.
Die Konstruktion der doppelt gekrümmten Stahlschale war keine Standardlösung, sondern spiegelt ein innovatives Herstellungsverfahren wider, welches im Schiffsbau seine Anwendung findet.
Aufgrund der Schalenbauweise sind alle Brückenteile gut inspizier- und für Wartungszwecke gut erreichbar.
Durch den Einsatz von digitaler Planungsmethoden und innovativen Fertigungs- und Montagetechniken entstanden elegante und effiziente Brückentragwerke, welche einen wertvollen Beitrag zum ressourcenschonenden, nachhaltigen Bauen leisten, welche die Jury dazu veranlasste, eine Anerkennung auszusprechen.