Text von Dr.-Ing. Philipp Eisenbach

Entwurfsprozess, Gestaltung, Nachhaltigkeit

Für eine Schnellladestation am Produktionsstandort eines Sportwagenherstellers wurde eine Überdachung entwickelt, die neben der Funktion als Witterungsschutz die dynamische Formensprache des Fahrzeugbaus repräsentiert. Die bereits vorhandene technische Infrastruktur – nicht überbaubare Starkstromtrassen sowie Bewegungs- und Wartungsräume der Ladesäulen – ließen nur wenige und vor allem unregelmäßige Auflagerpunkte und Stützenstellungen zu. Das Ergebnis des Entwurfsprozesses ist ein scheinbar schwebendes Dach, dessen Verkleidung einer Tragfläche nachempfunden ist, welche auf einer einzigen Endlosstütze (Spline) aufgelagert ist. Die Konstruktion ist ein materialoptimierter, filigraner Leichtbau, deren weit auskragende Dachfläche durch eine integrierte Photovoltaikanlage ihren eigenen Strom erzeugt.

Die Endlosstütze gewährleistet durch die räumlichen Stützenstellungen und -neigungen sowohl die Einspannung des auskragenden Dachs als auch die globale Aussteifung. Unter Einsatz eines evolutionären Optimierungsalgorithmus wurde die Geometrie hinsichtlich größtmöglicher Effizienz unter Einhaltung der gegebenen geometrischen Restriktionen entwickelt. Innerhalb des parametrischen Strukturmodells erfolgte neben der Kontrolle und Analyse der statischen Performance auch die geometrische Durchbildung der gefrästen Kreisbögen an den Kopf- und Fußpunkten.

Das Design der neuen Sportarena basiert auf folgenden Entwurfsprinzipien:

  1. Bewegung in der Landschaft: Dem ursprünglichen Zweck des Olympiaparks folgend entsteht eine neue moderne Sportanlage sowohl für den Innen- als auch für den Außenbereich.
  2. Der Hügel: Ein künstlicher Hügel bedeckt die drei westlichen Trainingsfelder und erweitert den Park um neue Grünflächen.
  3. Landschaftsform statt Architektur: Die Gestaltung der Arena folgt den Organisationsprinzipien der anderen Gebäude im Park. Das schlichte Design des Gebäudes fügt dem Park keine störenden Objekte hinzu.

Tragwerk

Die Dachkonstruktion setzt sich aus 69 runden Stahlstützen zusammen, aus deren Aneinanderreihung sich der gekurvte Spline ergibt, sowie aus einem auskragenden Dach mit Photovoltaikanlage.

Das Bauwerk ist 60,9 m lang, 9,3 m breit und 4 m hoch und hat eine überdachte Fläche von 566 m² mit einer freien Auskragung von ca. 5,5 m.

Die scheinbar willkürliche Anordnung der Stützen führte zu einem unstetigen Raster der Stützenköpfe, also der unmittelbaren Lagerungspunkte des Dachs. Sowohl die hinteren als auch die vorderen Punkte lagen weder in der x- noch in der y-Achse auf einer Linie. Jeder vordere Stützenkopf definierte die Lager der Primärträger, welche die Auskragung realisieren. Da jeder dieser Primärträger auch einen hinteren Auflagerungspunkt benötigte, dort aber kein Stützenkopf verfügbar war, wurde hier zwischen zwei Trägern mit einem Vermittlungsträger orthogonal zu den Primärträgern die Last auf die nächstgelegenen hinteren Stützen verteilt. Die Lasteinleitung aus der äußeren Belastung erfolgt über Längspfetten, die mit einem gleichmäßigen Achsabstand als Einfeldträger zwischen den Primärträgern beidseitig gelenkig angeschlossen wurden. Die Primärträger bestehen aus gevouteten geschweißten Kragarmen sowie aus den dazwischengesetzten Pfetten als Querträger, die oberkantenbündig mit dem Kragarm gesetzt wurden, um das Trapezblech, welches das Dach von oben abdeckt, in gleichmäßigen Abständen von etwa 1,4 m befestigen zu können. Von unten wurde das Dach über ein flaches, dünnes Blech mit konstanter Dicke geschlossen. Dieses spannt ebenfalls von Pfette zu Pfette und wurde aufgrund des vertikalen Abstands mit einer entsprechenden Sekundärkonstruktion daran befestigt.

Das Dach wurde ohne Teilabfugungen durch Zugstäbe als Scheibe ausgebildet und dadurch ausgesteift. Die Horizontallasten wurden zu den oberen Stahl-Pins und von dort in den Spline und schließlich über die unteren Pins in die Gründung eingeleitet. Die Stützen selbst wurden vektorlinear und mit einheitlichen Außendurchmessern geplant. Unterschiedliche Belastungsstufen wurden über die Wandungsdicke der Rohre kompensiert. Die Übergangswinkel zweier angrenzender Stützen wurden gestalterisch als Rohrbögen ausgeführt, deren Geometrie als Torus-Ausschnitte mit konstanten Radien definiert wurden. Der Zuschnitt konnte radial, also senkrecht zur Rohrachse, an beliebiger Stelle erfolgen, sodass ein beliebiger Öffnungswinkel α ermöglicht werden konnte.

Zur Kraftübertragung von Dach zu Stütze sowie von Stütze zu Fundament wurden an die Rohrbögen Stahl-Pins als zwei sich kreuzende Blechstreifen in Ebene der Rohrbögen vorgesehen. Im weiteren Planungsverlauf wurden zugunsten einer vereinfachten Herstellung statt Schweißverbindungen gefräste Stahlknoten eingesetzt. Die Gründung wurde als elastisch gebettete Flachgründung mit der einheitlichen Dicke von 80 cm ausgebildet.

Laudatio der Jury

Die Stromtankstelle auf dem Areal eines Sportwagenherstellers zeigt, dass Einschränkungen beim Bauen mitunter Chancen sein können. Konsequent hat das Planungsteam die Restriktionen des Standorts in eine überraschende Gebäudeform übersetzt. Die vorhandenen Rahmenbedingungen – Ladestationen unterschiedlicher Hersteller in unterschiedlicher Größe, der Verlauf der Starkstromleitungen im Boden – ließ ein herkömmliches Tankstellendach mit regelmäßigem Stützenraster von vornherein ausscheiden.

Die stattdessen gefundene Lösung überzeugt durch die Art und Weise, wie sie Widersprüchliches miteinander verknüpft: eine weit auskragende Dachscheibe auf filigranem Unterbau, vielgliedrig in der Gestalt und auf ein Minimum reduziert im Detail. Alle Unregelmäßigkeiten, die aus der Gesamtform resultierten – von der Lage der Dachträger bis zur variierenden Wandstärke der Stützen – bleiben für Außenstehende unsichtbar. Die konstruktive Komplexität bleibt im Verborgenen. Handhabbar wurde sie nur mit einer durchgehenden digitalen Prozesskette von der Formfindung bis zur Fertigung der Verbindungselemente. So ist das Schnellladedach in zweierlei Hinsicht wegweisend: als Infrastrukturbauwerk für eine Schlüsseltechnologie der Verkehrswende und als Musterbeispiel für die integrierte digitale Planung und Umsetzung von Bauvorhaben.