Text von Herwig Bretis
Projektbeschreibung allgemein
Studio Other Spaces bekam 2018 vom Buffalo AKG Art Museum den Auftrag, eine Arbeit zur Überdachung des von Gordon Bunshaft Anfang der 60er Jahre gebauten Erweiterungsgebäudes zu gestalten. Der Entwurf Common Sky spiegelt die Vision des Buffalo AKG Art Museum von einer Kunstinstitution des 21. Jahrhunderts wider, die für alle offen und integrativ sein möchte. Vor dem Hintergrund des starken demografischen Wandels der letzten Jahre – Buffalo verlor in den letzten Jahrzehnten etwa die Hälfte der Bevölkerung durch Abwanderung – reagierte die Kunstinstitution mit zahlreichen Projekten, Initiativen außerhalb des Museums, und Konzepten, die Raum für die städtische Gemeinschaft bieten und öffentlich zugänglich sind. Im Zuge der Integration in das Baudenkmal, entwickelte Studio Other Spaces ein dreidimensionales Tragsystem, dessen Struktur von einem einzigen Anker dezentral im Raum gehalten wird. In Absprache mit der Denkmalbehörde wurden horizontale und vertikale Elemente im Entwurf bewusst vermieden. Das Tragwerk besteht aus Dreiecken und Hexagonen und ist alternierend mit Spiegelflächen versehen. Im Raum stehend, wird der Blick in den Himmel und die umliegende Parklandschaft durch Mehrfachreflexionen künstlerisch transformiert. Im Gegenzug wirft die Sonne in ihrem Verlauf sich bewegende Schattengeometrien auf den Boden.
Wenn man sich durch den Raum bewegt, werden die alternierenden, dreieckigen Spiegelflächen zu einem dynamischen Element. Je nach Jahreszeit und Lichtstimmung werden unterschiedliche Schattenwürfe auf dem Boden erzeugt, was die Raumwahrnehmung ebenfalls stark beeinflusst. Bei hochstehender Sonne treffen harte, dunkle Schatten auf den Boden, die sich in den Spiegeln wiederholen, was den Raum maximal verdunkelt. An bewölkten Tagen wird der schattenlose, helle Boden nach oben reflektiert und der Raum erstrahlt.
Common Sky wurde in enger Zusammenarbeit mit Herwig Bretig von ArtEngineering und Bernhard Hahner von Hahner Technik entwickelt und gebaut. Die komplette Stahlstruktur von Common Sky ist in Hahners Werk in Petersberg installiert und danach für den Transport nach Buffalo in Segmente geteilt worden. Die einzelnen Segmente wurden dann mit Hilfe einfacher Flanschverbindungen und einiger weniger notwendigen Schweißnähte vor Ort wieder zusammengefügt.
Die Stadt Buffalo ist für ihre extremen Wetterphänomene bekannt. Common Sky wurde unter Berücksichtigung der teilweise extremen Schneemengen gestaltet. Wo früher der Skulpturengarten bei meterhohem Schnee unbetretbar war, ist die Fläche nun überdacht. Darüber hinaus wird der Schnee auch Teil der Raumwahrnehmung. Der Anker, auf dem die Struktur lastet, leitet den Schnee während er schmilzt langsam, wie durch einen Trichter, zum Boden. So kann der Prozess auch von Besucher:innen beobachtet werden. Studio Other Spaces entwickelte außerdem zusammen mit Studio Andreas Barthelmes und dem Leuchtenhersteller Zumtobel eine Spezialleuchte, die in der hexagonalen Knotenstruktur sitzt, wo sie den Zwischenraum der Struktur beleuchtet und auch als Downlight funktioniert.
Die Arbeit bildet den Eingangsbereich des von Shohei Shigematsu und OMA entworfenen Masterplan für das Buffalo AKG Art Museum. Der überdachte Hof wird jedoch durch Common Sky auch zu einem Ort für Events aller Art, die nicht in direktem Zusammenhang mit dem Museum stehen müssen. So berücksichtigt der Entwurf auch akustische Aspekte: Die untere Ebene der Struktur ist als Akustikabsorber entworfen. Das ermöglicht sowohl intime Unterhaltungen als auch Konzerte mit anspruchsvoller Akustik.
Projektbeschreibung technisch
Bei diesem Baukörper handelt es sich um ein geschwungenes, schalenförmiges Dach in den Abmessungen 30x30xMeter, welcher den bisher exponierten Innenhof des Kunstmuseums überspannt.
Das Dach fungiert als Schalenkonstruktion und besteht aus drei tragenden Hauptelementen: einem umlaufenden Ringbalken, einer Gitterkonstruktion aus schlanken Hohlprofilen die den größten Teil des Daches überspannt und einem sogenannten Trichter.
Der umlaufende Ringbalken ist im Wesentlichen ein Fachwerk, das entlang der Umrisse des Innenhofs verläuft. Er besteht aus Rundrohren und neigt sich stark zur Außenseite hin. Der Fachwerkträger sorgt für die nötige Steifigkeit um die horizontale Bogenschubkräfte zu stützen und auszugleichen und wirkt wie ein großer horizontaler Umfassungsrahmen. Dies war notwendig, weil die vorhandenen Stützen des Galeriegebäudes von 1962 einschließlich ihrer Fundamente den erheblichen Seitenkräften nicht standhalten konnten. Eine Verstärkung der ursprünglichen Konstruktionsteile zur Aufnahme der Schubkräfte hätte das Projekt aufgrund des Denkmalschutzes unmöglich gemacht. Vom Außengurt des Fachwerkträgers kragen T-förmig Träger aus, die den Dachumriss um ca. 1 Meter mm über das vorhandene Flachdach vergrößern. Der darunter liegende Raum ist für die Haustechnik vorgesehen.
Die Gitterkonstruktion der Schale besteht aus Stahlhohlprofilen, die in zwei Ebenen (außen und innen) angeordnet und durch vertikale Verbindungen miteinander verbunden sind. Der durchschnittliche Abstand zwischen den beiden Ebenen beträgt 560 mm und bildet das Haupttragwerk des Daches. Die Maschen einer Ebene sind in der Nähe des Fachwerkes und des Trichters dreieckig angeordnet, während die einzelnen Knotenpunkte der Dreiecke dazwischen herausgelöst sind und sechseckige Rahmen bilden. Dadurch wird der Fluss der in der Ebene wirkenden Kräfte unterbrochen und es entstehen zusätzliche Biege- und Scherkräfte, aber auch ein aufgelöster Knoten mit mehr Möglichkeiten zur Kraftübertragung. Die Verbindung der beiden Schichten durch Glieder erhöht die Integrität und Schlankheit der Struktur erheblich. Die Lastübertragung zwischen den beiden Schalenebenen basiert auf dem Vierendeel-Prinzip, das durch die Steifigkeit der Knoten bestimmt wird.
Dieses Gesamtprinzip der beiden Tragwerksebenen erstreckt sich bis zum Trichter. Dieser ist starr mit dem Fundament verbunden und fungiert als zentrales Aussteifungselement gegen laterale Lasten. Der Fachwerkträger liegt auf 15 Stützen des bestehenden Gebäudes auf und ist in erster Linie für die Übertragung der vertikalen Lasten verantwortlich. Gleitende Kalottenlager stellen sicher, dass nur Horizontalkräfte aus der Lagerreibung in den Bestand eingeleitet werden.
Die Dachhaut besteht aus 700 m² individuellen dreieckigen Isolierglasscheiben die über Structural Silicone Verbindung mit den Metallbaueilen verbunden sind. Die sechseckigen Flächen wurden mit gedämmten Sandwichpaneelen mit Edelstahlverkleidung eingedeckt.
Die innere Scheibe jedes zweiten Dreiecks ist mit einer Chrombeschichtung bedampft und bildet einen Spiegel, der nach unten reflektiert. In der unteren Tragwerksebene befindet sich in jedem anderen zweiten Dreieck ein Akustikpaneel, dass beidseitig mit einer Spiegelfolie überzogen ist. Somit erzeugt sich der periskop- oder kaleidoskopartige Effekt.
Folgende Querschnitte wurden hauptsächlich verwendet:
- Außenebene: RR 100x80x8 und QR 80×8
- Innenebene: RO 60.3×8, 76.1×10
- Zwischenebene: RO 76.1×10
- Fachwerk: RO 244.5×16 und 193.7×10
- Material: S355J0H warmgefertigt, Gesamtgewicht 70t ca. 70 kg/m²
- Glas: Isolierglas aus 2xVSG aus 2x8mm TVG ca. 82t inkl. Unterkonstruktion
Die statische Analyse erfolgte mit einem hybriden Balken und Schalenmodel auf der Basis einer nichtlinearen Berechnung sowohl in der Geometrie als auch im Material. Der Nachweis der Knoten erfolgte über einen plastischen Nachweis der Einhaltung Duktilitätsgrenze des verwendeten Materials. Wind uns Schneelasten wurden über ein gesondertes Gutachten von RWDI zur Verfügung gestellt. Die Lastannahmen und -kombinationen erfolgten nach amerikanischen Normen, die Bemessung nach Deutscher Norm. Das Sicherheits- und Berechnungskonzept wurde im Vorfeld mit dem amerikanischen Prüfingenieur abgestimmt und wurde von den Behörden ohne Einwand akzeptiert.
Laudatio der Jury
Es ist eine große Ehre, heute das außergewöhnliche Projekt „Common Sky“ von Studio Other Spaces für das Buffalo AKG Art Museum zu würdigen. Dieses technische Meisterwerk spiegelt nicht nur die Vision einer modernen, integrativen Kunstinstitution wider, sondern setzt auch neue Maßstäbe in der Architektur und Ingenieurkunst.
Die technische Umsetzung des Projekts ist ebenso atemberaubend wie die ästhetische Vision dahinter. „Common Sky“ überspannt den Innenhof des Museums mit einer freitragenden Dachkonstruktion, die sowohl durch ihre Form als auch durch ihre Funktion besticht. Die Struktur ist nicht einfach nur ein Schutz vor den Elementen – sie transformiert den Raum und die Art, wie wir ihn erleben.
Das große, schalenförmige Dach besteht aus einer komplexen Gitterkonstruktion, die auf drei tragenden Hauptelementen basiert: einem umlaufenden Ringbalken, einer fein abgestimmten Gitterstruktur und einem zentralen Trichter. Der umlaufende Ringbalken, der sich entlang der Umrisse des Innenhofs erstreckt, sorgt für die nötige Steifigkeit, um die horizontalen Kräfte der Struktur auszugleichen. Diese geniale Konstruktion berücksichtigt sowohl die denkmalpflegerischen Anforderungen des Gebäudes aus den 1960er-Jahren als auch die extremen klimatischen Bedingungen Buffalos.
Besonders beeindruckend ist die Art und Weise, wie „Common Sky“ auf die extremen Wetterbedingungen in Buffalo reagiert. Die Konstruktion integriert den Schnee auf poetische Weise in das Raumkonzept und ermöglicht es den Besuchern, die Naturgewalten unmittelbar zu erleben. Durch die Zusammenarbeit mit Experten wie Herwig Bretig von ArtEngineering und Bernhard Hahner von Hahner Technik wurde eine Struktur geschaffen, die nicht nur ästhetisch ansprechend, sondern auch technisch raffiniert ist.
Die gesamte Stahlstruktur wurde mit größter Präzision entwickelt und gefertigt. In Deutschland gebaut, wurde sie für den Transport nach Buffalo in Segmente zerlegt und vor Ort wieder zusammengesetzt. Dies erforderte höchste Ingenieurskunst und logistische Meisterleistungen, um sicherzustellen, dass jedes Detail perfekt passt. Auch in der Bauphysik wurden innovative Lösungen gefunden, wie etwa die Verwendung von isolierenden Dreiecksglasscheiben und gedämmten Sandwichpaneelen, die sowohl funktional als auch ästhetisch überzeugen.
Heute feiern wir nicht nur ein architektonisches Kunstwerk, sondern auch die Menschen und Unternehmen, die es ermöglicht haben. Von den Ingenieuren über die Handwerker bis hin zu den Lichtdesignern und Architekten – sie alle haben zu diesem Meisterwerk beigetragen, das die Grenzen dessen, was in der modernen Architektur möglich ist, neu definiert.
„Common Sky“ ist mehr als nur ein Dach – es ist ein Symbol für die Verbindung von Kunst und Technik, das zeigt, wie wir durch kreative Ingenieurskunst die Welt um uns herum verändern können. Lassen Sie uns diesen Moment nutzen, um dies zu würdigen und uns inspirieren zu lassen.