Erläuterungsbericht von Arne Hackmann, Luis Steffens, Jonas Wald und Lennart Knoop zur Einreichung beim Förderpreis des Deutschen Stahlbaues 2024

Aufgabenstellung

Die Endstation mit Wagenhalle und Werkstatt der Wuppertaler Schwebebahn befindet sich am westlichen Ende der Schwebebahntrasse im Stadtteil Vohwinkel. Genutzt wird die Einrichtung als Endhaltestelle, Wendeschleife sowie zum nächtlichen Abstellen der Züge und deren Instandhaltung. Die Wagenhalle ist die letzte Einrichtung der Wuppertaler Schwebebahn, welche noch über ihre originale, 125 Jahre alte Stahlkonstruktion verfügt. Aufgrund ihrer deutlich längeren Betriebszeit, welche ursprünglich nur auf 30 Jahre konzipiert war, in Kombination mit der dynamischen Krafteinwirkung ein- und ausfahrender Fahrzeuge und starken Temperaturschwankungen im Innenraum ermüdet die unterdimensionierte Konstruktion immer stärker. Für einen gesicherten Fahrbetrieb und weiteren Ausbau der Schwebebahn besteht daher die dringende Notwendigkeit eines Ersatzneubaus. Das Bauwerk soll am gleichen Ort entstehen und an die lange Tradition der Schwebebahnbauten als Stahlkonstruktion anknüpfen.

Vision

Entsprechend den Leerstandstatistiken und der Arbeitslosenquote der Stadt Wuppertal ist die aktuelle Situation sowie die Lebensqualität im Stadtteil Vohwinkel alarmierend. Die Qualität des Stadtraums ist ebenfalls als stark verbesserungswürdig einzustufen. Durchquert man den Stadtteil, fällt sofort der große Einfluss der Emissionen des Verkehrs auf den städtischen Außenraum auf. Die Straßen erscheinen durch das Zusammentreffen von parkenden Kraftfahrzeugen, der stark frequentierten Straßenachse und der darüber liegenden Schwebebahnstruktur gedrungen. Platz für Kraftfahrzeuge gibt es, für Fußgänger und Radfahrer eher nicht. Ein Zentrum mit qualitativen Aufenthaltsbereichen, mit Einzelhandel und kulturellem sowie nicht kommerziellem Angebot sucht man in Vohwinkel vergebens. Mit der zentralen Lage im Stadtteil Vohwinkel und der beträchtlichen Gebäudedimensionen übt die Endhaltestelle und das Werkstattzentrum der Schwebebahn einen starken Einfluss auf das Quartierszentrum und das Stadtleben von Vohwinkel aus. Auch die Außenräume rund um die Wagenhalle und die Endhaltestelle werden von den infrastrukturellen Bauten der Wuppertaler Stadtwerke geprägt. Bei der Betrachtung des Ersatzneubaus der Wagenhalle stellt sich daher die Frage, ob das derzeit reine Infrastrukturgebäude zusätzliche öffentliche Funktionen beherbergen kann, um damit eine positive Auswirkung auf die Gemeinschaft und den urbanen Raum Vohwinkels zu haben. Die Vision des Entwurfes setzt genau an diesem Punkt an. Ziel ist es, eine neue Struktur zu schaffen, welche sich über die notwendigen Funktionen für den Schwebebahnbetrieb hinaus, der Öffentlichkeit zugänglich macht und über eine umfangreiche Programmierung von nicht-kommerziellen und kulturellen Nutzungen ein neues, identitätsstiftendes Zentrum in Vohwinkel bietet. Inhalt des Programms sollen diverse öffentliche Kulturveranstaltungen sein, sowie Sportevents, Konzerte, Märkte oder Ausstellungen. Ein ständiger Wechsel des Programms soll durch die Entwicklung eines adaptierbaren, nutzungsneutralen Systems dauerhaft ermöglicht werden. Dadurch kann nicht nur das Haus mit den Anforderungen und Nutzungen wachsen und sich wandeln, sondern erlaubt eine zeitliche und räumliche Verwebung hin zu einer komplexen Nutzungsdichte.

Urbaner Kontext

Der entworfene Ersatzneubau befindet sich auf dem Perimeter der aktuellen Endstation und Wagenhalle. Der neue Fußabdruck behält dabei ähnliche Dimensionen wie zuvor und folgt dem abknickenden Straßenverlauf der Vohwinkeler Straße. Um einen verbesserten Mobilitätsknotenpunkt an der Endhaltestelle der Schwebebahn zu schaffen, werden bestehende, nachhaltige Mobilitätsangebote, wie der Buswendeplatz und der angrenzende Fahrradweg neu angeordnet und stärker ausgebaut. Erweitert werden diese durch verschiedene Sharing-Angebote, die zusätzlich den MIV eindämmen sollen. Durch die geschickte Anordnung der Verkehrspunkte und die poröse Gestaltung der neuen Struktur werden die verschiedenen Mobilitätsstränge untereinander und mit dem Gebäude selbst verwoben. Als Bestandteil des Übergangs von Stadtraum zu Gebäude formuliert sich unter der Schwebebahnstation eine ausladende Außentreppe als Teil des öffentlichen Außenraumes und zieht damit den neu entstehenden Stadtplatz bis in das Gebäudeinnere.

Struktur / Nutzung

Im, zu zwei Seiten offenen, Sockelgeschoss wird das neue Werkstattzentrum und ein Bike-Hub dauerhaft seinen Platz finden. Oberhalb bildet die Geschossdecke eine Landschaft aus, die sich der ansteigenden Topografie anpasst und den angrenzenden Stadtraum in das Gebäude hineinfließen lässt. Es entsteht ein überdachter Außenraum, der den täglichen Rhythmus der nachts parkenden Schwebebahnfahrzeuge aufnimmt, aber zudem tagsüber Raum für einen Marktplatz, Urban Sports oder Konzerte bietet. Während das Erdgeschoss tagsüber ein großzügiges, offenes Volumen bietet, verringert sich nachts die Raumhöhe der Wagenhalle aufgrund der Schwebebahnzüge, welche an den Schienen unterhalb der Decke freihängend parken. Der Raum wird somit gedrungener und schafft durch die bestehende öffentliche Zugänglichkeit unterhalb der Züge, ein Bewusstsein für die Abläufe des Schwebebahnbetriebs. Strukturell bilden Sockel- und Erdgeschoss die Basis für eine aufgeständerte Stahlstruktur, die auf zwei Reihen Doppelstützen basiert, zwischen denen sich zwei Roste aus Fachwerkträgern aufspannen. Der erste Rost bietet hierbei die Tragstruktur für das Schienensystem inklusive der Schwebebahnzüge und bietet im hinteren Bereich einen Schacht, durch den die Züge zur Wartung in das unterhalb liegende Werkstattzentrum abgelassen werden können. Die Schienen der Schwebebahn bilden eine Ebene die vertikal nicht durchdrungen werden kann. Die daraus resultierende Notwendigkeit, die vertikale Erschließung am Rand der Konstruktion zu platzieren, wurde genutzt, um eine Außenzone zu etablieren, die punktuell an das Erdgeschoss andockt um Personenströme nach oben zu befördern und sich oben zu einer frei begehbaren vertikalen Scheibe entwickelt, die entlang des gesamten Gebäudes die vertikale und horizontale Erschließung ermöglicht. Diese Außenzone formuliert sich als filigrane, abgespannte Stahlstruktur, welche Ein- und Ausblicke zulässt und durch die poröse Erscheinung das Leben innerhalb des Gebäudes nach außen sichtbar macht. Es entsteht dadurch das Bild einer belebten Fassade. Im oberen Gebäudeteil besteht in einem dreigeschossigen Volumen die Möglichkeit verschiedenste öffentliche und kulturelle Nutzungen zu beherbergen. Hierfür wurde ein System entwickelt, das eine große Varianz an möglichen räumlichen Konfigurationen gewährleistet, sodass zeitgleich oder aufeinanderfolgend Ausstellungen, Theater, Musikevents oder Sportveranstaltungen verschiedener Größenordnungen unter einem Dach stattfinden können. Transluzente, segmentierte Trennwände können den Raum in kleinere Einheiten unterteilen oder gestapelt als gliederndes Element die Einheiten zusammenschließen, um größere Nutzungen zu ermöglichen. Träger, die unter der Decke vorgehalten werden, können bei Bedarf abgelassen, mit Bodenplatten belegt und auf verschiedenen Höhen fixiert werden, um den Raum horizontal neu zu konfigurieren. Als Lagerplatz für die Bodenplatten, Möbel und weiteres Equipment dienen Tanks, die im Boden versenkt sind. Die transparente Hülle des inneren Volumens lässt sich, in kleinere Module gegliedert, zur äußeren Erschließungszone öffnen und stellt so die Zugänglichkeit jeglicher Nutzungskonfigurationen sicher. Zudem lässt die geöffnete Fassade die Schwelle zwischen Innen- und Außenraum verschwimmen und intensiviert damit den öffentlichen Charakter des Gebäudes. Im hinteren Teil der Struktur wird zunächst auf den Ausbau als innenräumliches Volumen verzichtet. Ohne thermische Fassade und geschlossene Dachfläche löst sich die Struktur zu einer noch fragileren Gestalt auf, die durch die kontinuierliche Erschließungszone und Stahlstruktur dennoch begehbar und nutzbar bleibt. Anstelle der thermischen Trennung in Form einer Fassade, wird im hinteren Bereich des Gebäudes eine großzügige Begrünung der Stahlstruktur vorgesehen. Die äußere Erschließungszone erscheint dadurch als vertikaler Park und beschattet auf natürlichen Wegen die innere Freifläche. Mit Hilfe der Bepflanzung entsteht auch zu Hochsommerzeiten ein vor starker Hitzebeeinflussung geschützter urbaner Außenraum, dessen positiver Effekt sich über die Grenzen des Gebäudes hinauszieht.

Laudatio der Jury

Die Endstation Vohnwinkel der Schwebebahn muss neu gebaut werden. Idee des Entwurfs ist es, die Qualität des Stadtraums zu stärken und Vohwinkel zu beleben: Offen für Alle entsteht ein neues städtisches Zentrum.

Die Endstation wird über die nötigen Funktionen für die Schwebebahnnutzung wie Haltepunkt und Wartungswerkstatt hinaus belebt, Funktionen wie Sportstätten, Konzertsaal, Café, Einzelhandel etc. werden möglich. Auch die vernetze Mobilität findet Raum.

Die Symbolik der schwebenden Endstation wird durch große Fachwerkbinder auf Doppelstützen umgesetzt. Diese haben zwei Hauptebenen, in denen auch in Längsrichtung Fachwerkträger eingehängt sind. Sie bilden das Haupttragwerk, in dem man beliebig Decken und Bühnen anordnen kann. So ist die Station flexibel in der Nutzung.

Der umlaufende Stadtbalkon zeigt die lebendige Nutzung nach außen.

Die Arbeit überzeugt, da der Werkstoff Stahl mit seinen möglichen Spannweiten als aufgelöste Konstruktion sinnvoll eingesetzt wird.  Auf diese Weise wird mit den zusätzlich Nutzungen ein neues schwebendes Stadtzentrum geschaffen.