1) Modulares Bauen verspricht kürzere Bauzeiten, planbare Qualität und Ressourcenschonung. Welche Faktoren sind aus Ihrer Sicht entscheidend, damit diese Vorteile in der Praxis wirklich wirksam werden?

 Frühe und integrale Planung

  • Die Vorteile modularer Bauweise entfalten sich nur, wenn bereits in der Konzeptionsphase alle relevanten Disziplinen (Architektur, Statik, TGA, Produktion) eng zusammenarbeiten.
  • Standardisierte Schnittstellen und klare Abstimmung zwischen Planung und Produktion sind essenziell.

Frühzeitige Einbindung durch den Bauherrn

  • Als Lösungsanbieter für serielles Bauen sollte man möglichst früh in den Planungsprozess eingebunden sein, um Anforderungen, Wünsche und Rahmenbedingungen klar zu definieren.
  • Eine offene Kommunikation und gemeinsame Zieldefinition sind entscheidend, damit die serielle Bauweise optimal auf das Projekt abgestimmt werden kann.

Das richtige Ausschreibungsverfahren bei öffentlichen Auftraggebern

  • Bei Kunden der öffentlichen Hand ist das Ausschreibungsverfahren ein zentraler Erfolgsfaktor.
  • Die Vergabe sollte so gestaltet sein, dass innovative und modulare Lösungen zugelassen und gefördert werden.
  • Leistungsbeschreibungen müssen die Vorteile der seriellen Bauweise berücksichtigen und ausreichend Spielraum für elementierte und industrielle Bauweisen bieten.

 

2) Stahl ist ein zentraler Bestandteil vieler Goldbeck-Systeme. Welche besonderen Chancen bietet der Werkstoff im modularen Bauen – etwa im Hinblick auf Kreislaufwirtschaft, Reuse oder CO₂-Optimierung?

 Kreislaufwirtschaft und Wiederverwendung (Reuse)

  • Hohe Recyclingfähigkeit: Stahl ist nahezu unbegrenzt und ohne Qualitätsverlust recycelbar. Bereits heute besteht ein Großteil des eingesetzten Stahls aus Recyclingmaterial.
  • Demontierbarkeit: Modulare Stahlbauteile lassen sich am Ende des Lebenszyklus eines Gebäudes sortenrein demontieren und entweder direkt wiederverwenden oder dem Recycling zuführen.
  • Wiederverwendung von Bauteilen: Durch standardisierte und verschraubte Verbindungen können Stahlmodule und -bauteile nach einer Nutzungsphase in neuen Projekten wiederverwendet werden – ein echter Beitrag zur Kreislaufwirtschaft.

CO₂-Optimierung

  • Einsatz von grünem Stahl: Die Nutzung von Stahl, der mit erneuerbaren Energien produziert wird („grüner Stahl“), bietet großes Potenzial zur weiteren Reduktion der CO₂-Emissionen bis hin zur annähernden CO2-Neutralität. Grüner Stahl kommt bereots heute bei unseren Hallen und Parkhäusern zum Einsatz.
  • Reduzierter Materialeinsatz: Durch präzise Vorfertigung und optimierte Konstruktionen kann der Materialeinsatz minimiert werden, was sich direkt positiv auf die CO₂-Bilanz auswirkt.
  • Lebenszyklusbetrachtung: Die Möglichkeit, Stahl mehrfach zu recyceln und wiederzuverwenden, verbessert die Ökobilanz über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes hinweg.

Flexibilität und Anpassungsfähigkeit

  • Stahl eignet sich hervorragend für serielle Bauweisen, da er hohe Tragfähigkeit mit geringem Eigengewicht verbindet und flexible, anpassbare Systeme ermöglicht.
  • Schnelle Montage und Demontage: Die industrielle Vorfertigung und die Möglichkeit, Bauteile schnell zu montieren und zu demontieren, reduzieren Bauzeiten und Ressourcenverbrauch auf der Baustelle.

Innovationspotenzial

  • Integration neuer Technologien: Stahlkonstruktionen lassen sich gut mit digitalen Planungs- und Fertigungsmethoden (z. B. BIM, automatisierte Fertigung) kombinieren, was die Effizienz und Qualität weiter steigert.
  • Design for Disassembly: Bereits in der Planung kann gezielt auf Rückbaubarkeit und Wiederverwendung geachtet werden – ein Ansatz, der mit Stahl besonders gut umsetzbar ist.

 

3) Können Sie uns ein aktuelles Projekt nennen, das das Potenzial des Modulbaus besonders gut zeigt, etwa im Hinblick auf Bauzeit, Ressourceneffizienz oder Wiederverwendbarkeit?

 Für unseren Kunden Siemens stehen wir derzeit nach nur 24 Monaten Bauzeit kurz vor der Fertigstellung von drei neuen Bürogebäuden mit ca. 56.000m² BGF am weltweit größten Siemens Campus in Erlangen.

Folgende Nachhaltigkeitsaspekte waren für Siemens hierbei besonders wichtig:

  • Bilanziell CO₂-neutral im Gebäudebetrieb durch „All Electric Buildings“
    • Regenerative Versorgung rein elektrisch über hocheffiziente Luft-Wasser-Wärmepumpen auf den Dächern der Gebäude
    • Der Strom dazu stammt von Windkraftanbietern und den PV-Anlagen auf den Dächern
  • Unterschreitung eines mit Siemens vorab definierten CO₂-Benchmarks für embodied carbon (einer Studie der TU Kaiserslautern zur Folge ist dieser sogar geringer als der eines vergleichbaren Holz-Hybrid-Gebäudes) u.a. durch
    • Verwendung von CO2-reduziertem Stahl
    • Verwendung von CO2-reduziertem Beton (GOLDBECK Blue Concrete)
    • Verwendung von CO2-reduziertem Aluminium in der FassadeEnergiestandard nach EG 40
  • Dachbegrünung und Außenanlagen mit Biodiversitätskonzept
  • Campus soll mit dem internationalen Standard LEED (Leadership in Energy and Environmental Design) in Gold zertifiziert werden
  • Erfüllung der EU-Taxonomie
  • Rückbaukonzept und Gebäuderessourcenpass zum Projektabschluss

 

4) Wie sehen Sie die Entwicklung des modularen Bauens in den nächsten Jahren, insbesondere im Zusammenspiel mit Themen wie Digitalisierung, BIM und serielles Sanieren?

 Digitalisierung als Treiber

  • Durchgängige digitale Prozesse: Die Digitalisierung wird alle Phasen des Bauens – von der Planung über die Produktion bis zur Montage und zum Betrieb – weiter vernetzen und automatisieren.
  • Effizienzsteigerung: Digitale Tools ermöglichen eine präzise Planung, eine bessere Abstimmung aller Beteiligten und eine deutliche Reduktion von Fehlern und Nacharbeiten.

BIM als Schlüsseltechnologie

  • Transparenz und Kollaboration: Building Information Modeling (BIM) wird zum Standard und sorgt für eine lückenlose, transparente Datenbasis über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes.
  • BIM erleichtert die Entwicklung und Integration serieller Bauteile, unterstützt die Serienfertigung und ermöglicht eine effiziente Anpassung an individuelle Kundenwünsche.

Serielles Sanieren als Zukunftsmarkt

  • Schnelle und nachhaltige Modernisierung: Die Nachfrage nach seriellen Sanierungslösungen wächst, insbesondere im Wohnungsbau. Elementierte Systeme ermöglichen eine schnelle, kosteneffiziente und ressourcenschonende Sanierung im laufenden Betrieb.
  • Standardisierung und Skalierbarkeit: Durch die Kombination von seriellen Elementen und digitalen Planungsprozessen können Sanierungsprojekte standardisiert und in großer Stückzahl umgesetzt werden.

Integration von Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft

  • Material- und Energieeffizienz: Die Verbindung von serieller Bauweise und digitalen Methoden ermöglicht eine gezielte Optimierung von Materialeinsatz und Energieverbrauch.
  • Lebenszyklusbetrachtung: Digitale Modelle und serielle Systeme erleichtern die Planung für Rückbau, Wiederverwendung und Recycling – ein wichtiger Schritt in Richtung Kreislaufwirtschaft.

Vielen Dank an GOLDBECK für die Einblicke in die Praxis des seriellen Bauens.