Text von Ingenieurbüro GRASSL GmbH
Beitrag zur Formenvielfalt im heutigen Brückenbau durch unverwechselbare Gestalt und Einbindung in die Umgebung
Die Bogenfachwerkbrücke, welche sich im Spannungsfeld des ausgebauten Kreuzes Fürth-Erlangen befindet ist von weiteren Ingenieurbauwerken umgeben und auf beiden Seiten eingebettet in Gabionenwände. Neben den klassischen Plattenbalkenbrücken der Kreuzungsbauwerke mit Mittelunterstützungen fallen im Umfeld verschiedene Bogenbrücken als Landmarken auf. In dieser Umgebung setzt das Bauwerk durch seine besondere Gestaltung in Form des weit und flach gespannten Bogenfachwerks einen neuen Akzent und fügt sich dennoch als weiteres Mitglied harmonisch in die bestehende Familie der Bogenbrücken ein.
Die Widerlager wurden so in die Gabionenwände integriert, dass sie nicht als Fremdkörper hervortreten, sondern sich dezent absetzen und die Abgrenzung der Brücke gegenüber den Lärmschutzeinrichtungen ermöglichen. Die Ausrichtung der Widerlagerwände auf die Trassierung der Autobahn schafft maximale Transparenz und klare Ansichtsflächen. Durch die zentrische Anordnung des Bogens oberhalb der Autobahn wird eine optimale Fernwirkung erzielt.
Die neue Bogenfachwerkbrücke überspannt stützenfrei sieben Fahrspuren, einen Standstreifen und drei Abbiegespuren sowie drei Mittelstreifen der Bundesautobahn A3. Die stützenfreie Überbrückung dieser großen lichten Weite stellt insbesondere durch die tief verlaufende Gradiente der Staatstraße und die dadurch nur sehr geringe zur Verfügung stehenden Bauhöhe eine große Herausforderung dar. Durch seine Lage an der Abschnittsgrenze soll das Überführungsbauwerk die Rolle des Auftaktbauwerks für den neuen Ausbauabschnitt bestmöglich erfüllen. Diese Anforderungen werden durch das gewählte Bogenfachwerk-System optimal erfüllt.
Durch die Wahl eines integralen Brückenbauwerks mit dem Verzicht auf Raumfugen und auf damit verbundene Verschleißteile konnte die Dauerhaftigkeit maximiert werden. Die außenliegenden, nach oben und unten aufgelösten Hauptträger bestehen aus einem Bogenfachwerk, bei dem die flach gespannten Bögen zum einen die Funktion der Fachwerkobergurte im Zentrum und zum anderen die Funktion der Sprengwerke im Bereich der Widerlager übernehmen. Die außenliegenden Versteifungsträger der Fahrbahn überschneiden sich mit den Bögen und bilden im Zentrum die Fachwerkuntergurte und an den Widerlagern gemeinsam mit den Bögen die Sprengwerke. Diese beiden außenliegenden Haupttragglieder werden durch Querträger und eine mit den Quer- und den Versteifungsträgern im Verbund wirkende Fahrbahnplatte ausgesteift. Der Stahlüberbau ist an den Widerlagern monolithisch verbunden. Die Bögen sind in Querrichtung oberhalb der Fahrbahn nach innen geneigt, während die Neigung der Bögen unterhalb der Fahrbahn gegenläufig wiederum nach innen geneigt ist. Diese Neigung setzt sich in den Außenstegen fort, so dass der Neigungswechsel auf Niveau der Schwerachse der kastenförmigen Versteifungsträger erfolgt. Die gegenläufig geneigten Stegblechbereiche reflektieren das Licht auf unterschiedliche Weise und verstärken somit die wahrgenommene Schlankheit der Versteifungsträger. Durch die Gegenneigung der Bögen unterhalb der Fahrbahn kann die Breite der Widerlager auf ein Minimum reduziert werden. Die Auswirkungen dieser Neigungen auf die Statik wurden betrachtet und sind als untergeordnet und unwesentlich einzustufen.
Der Entwurf ging aus einem vorgeschalteten Realisierungswettbewerb im Rahmen eines VgV Verfahrens als Sieger hervor.
Innovative Verknüpfung klassischer Bogen- und Fachwerkbrücken
Die geometrischen Randbedingungen des Autobahnkreuzes mit Mittelstreifenüberfahrt im Bauwerksbereich und Anzahl der vorhandenen Spuren erfordern eine stützenfreie Überspannung von knapp 70 m. Die Gradiente der überführten Staatsstraße St 2242 bewirkt in Verbindung mit den erforderlichen Lichtraumprofilen der Autobahn eine sehr geringe mögliche Bauhöhe. Hieraus ergibt sich die Wahl eines sowohl nach oben, als auch nach unten aufgelösten Tragwerks.
Klassische Stabbögen mit Lagern an den Widerlagern benötigen für die erforderliche Steifigkeit und Robustheit ein Verhältnis zwischen der Stützweite und der Höhe des Bogenscheitels von in der Regel L/5. Hieraus würde im vorliegenden Fall einer Stützweite von 70 m eine Scheitelhöhe von 14 m resultieren. Durch Weiterführung des Bogens unter der Fahrbahn zusammen mit der Einspannung der Längsträger und Bögen in die Widerlager kann die Scheitelhöhe über der Fahrbahn bereits erheblich reduziert werden und der vorhandene Freiraum zwischen Widerlagervorderkanten und Lichtraumprofilen optisch genutzt werden. Hierdurch ist eine Reduktion der Scheitelhöhe auf ca. 12 m möglich. Zudem kann auf Lager vollständig verzichtet werden und die Übergangskonstruktionen reduziert werden. Eine weitere Reduzierung der Scheitelhöhe oberhalb der Fahrbahn ermöglichte die innovative Verknüpfung eines klassischen Stabbogenbrückensystems mit der Robustheit und Steifigkeit eines Fachwerks. Anstelle von weichen Hängern, welche nur Zugkräfte aufnehmen, werden Fachwerkdiagonalen vorgesehen. Diese können neben Zugkräften auch Druckkräfte aufnehmen und versteifen die Bogentragwerke durch die Fachwerkgeometrie deutlich. Hierdurch wird eine weitere Reduktion der Scheitelhöhe auf lediglich 5,50 m über Gradiente möglich. Somit spannt der Bogen äußerst flach über die Autobahn. Dies entspricht einer Schlankheit von 1/8. Ein solches nach oben und unten aufgelöstes Bogenfachwerk wurde in dieser konsequenten Ausführung für eine Straßenbrücke weltweit erstmalig erfolgreich umgesetzt.
Zur Optimierung des Tragwerks wurden moderne Berechnungsmethoden angewandt und FE-Faltwerkmodelle für die maßgebenden Detailpunkte erstellt. Hiermit konnte das Tragverhalten äußerst realitätsnah modelliert, die Details konstruktiv optimiert und der Materialverbrauch wirtschaftlich gestaltet werden.
Im Rahmen der Tragwerksplanung wurden zudem bereits die Ansätze der RE- ING für integrale Bauwerke angewendet, obgleich dieser Teil der Norm erst nach Beginn der Planung eingeführt wurde. Die Berücksichtigung normativer Neuregelungen direkt von Projektbeginn hat die Bearbeitung zielgerichtet gestaltet und es waren keine zeitaufwendigen Überarbeitungen erforderlich.
Nachhaltigkeit durch dauerhaftes und robustes Bauwerk
Neben der besonderen Gestaltung und innovativen Lösungsansätzen wurde ein besonderes Augenmerk auf die Dauerhaftigkeit und ein robustes Bauwerk gelegt. Die Nachhaltigkeit wird zum einen dadurch vergrößert, dass das Bauwerk als integrales Tragwerk keine Lager aufweist, und zum anderen keine Übergangskonstruktionen mit großen Verschiebewegen erforderlich sind. Zur Überbrückung von Bewegungen der Widerlager gegenüber der Hinterfüllung ist eine Schleppplatte gemäß RE-ING Teil 2, Abschnitt 5 Typ III mit gleitender Lagerung und Anordnung einer Übe 1 mit einem Dichtprofil zwischen Widerlager und Schleppplatte vorgesehen. Dies Art der Ausführung wird bei Rahmenbauwerken mit hohen Verschiebungen am Bauwerksende erforderlich. Durch die hier vorhandene Stützweite von 72,2 m ist das Bauwerk in die Schwierigkeitsklasse 4 einzustufen. In dieser Schwierigkeitsklasse werden erhöhte Anforderungen an die Bearbeitungstiefe der Planung gestellt. Durch eine zielgerichtete Berücksichtigung von Beginn an, wurden diese Auflagen vollumfänglich erfüllt und standen einer gelungenen Ausführung nicht im Wege.
Des Weiteren wurde eine Bordsteinlinienentwässerung vorgesehen. Dieses Entwässerungssystem sammelt das Oberflächenwasser direkt im Bordstein und führt es zu den Widerlagern und dort in Fallleitungen nach unten ab. Somit sind keine Durchdringungen der Abdichtung erforderlich, welche stets Schwachstellen darstellen und Tausalze in die Konstruktion eindringen lassen können. Für den Einsatz dieser innovativen Lösung ist derzeit noch eine Zustimmung im Einzelfall erforderlich. Durch Abstimmungen bereits während der Planungsphase konnte die Zustimmung schließlich mit dem spezifisch gewählten Produkt und unter Hilfe des Herstellers durch die Baufirma erlangt werden. Neben den Vorteilen der Dauerhaftigkeit wertet die Bordsteinlinienentwässerung das Bauwerk weiter auf, da auf sichtbare Entwässerungsleitungen unterhalb der Fahrbahnplatte verzichtet werden kann. Es wurde zudem auch auf Tropftüllen verzichtet, da auch diese Durchdringungen der Abdichtungsebene mit den genannten Problemen darstellen würden.
Sorgfältige Planung bis ins Detail
Zur Unterstützung des filigranen Tragwerks wurde das Geländer als Konstruktion mit Acrylglasfüllung vorgesehen, welche maximale Transparenz schafft und das Bogenfachwerk bestmöglich zur Geltung bringt. Die Pfosten sind als schlanke Flachbleche mit Anzug vorgesehen. Die Vorderkante verläuft senkrecht, während die Hinterkante die Neigung der Bögen aufgreift und somit auch einen konstanten Abstand zur Bogenfläche gewährleistet.
Zur Ausleuchtung der Fahrbahn wurden zwei Einzelspots je Bogen vorgesehen, welche in den Knotenbereichen angeordnet sind und damit die Geometrie weiter betonen. Neben diesen Spots zur funktionalen Ausleuchtung sind entlang der Oberkante der Bögen LED Bänder angebracht, welche die Bögen für die Verkehrsteilnehmer betonen.
Eine absolute Besonderheit stellt die Gestaltung der Untersicht des Bauwerks dar. Auch dieser Raum wurde sorgfältig betrachtet und optimal gestaltet. Ein Maximum an Funktionalität wurde sowohl durch statische Optimierung als auch die Verbesserung der Dauerhaftigkeit erreicht. So wurden die Fertigteile als gevoutete Elemente vorgesehen, welche auf den Untergurten der Querträger bzw. seitlichen Verlängerungen der Längsträgeruntergurte aufliegen. In Längsrichtung betrachtet wirkt die Fahrbahnplatte wie ein gevouteter Durchlaufträger, bei welchem jeweils in Feldmitte Eigengewicht gespart und die Widerstandsmomente an den Querträgern erhöht wurden. Zudem wird durch diese Form der Verzicht auf Vogelabweisbleche auf den Untergurten möglich und die Dauerhaftigkeit erhöht, da diese Stellen klassischerweise erste Korrosion aufweisen.
Die Planung des Bauwerks wurde bis in die Ausgestaltung der Details sorgfältig durchgeführt. So wurden zum Beispiel die Ausrundungen der Knotenbereiche auf die Gesamterscheinung abgestimmt, der Übergang des Längsträgers in den Beton der Widerlager detailliert ausgearbeitet und konstruktiv so gestaltet, dass auch hier die hohe Dauerhaftigkeit gegeben ist. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang zum Beispiel auch das Abweisblech vor dem Eindringen der Bogenfußpunkte in die Widerlager, die ein Abtropfen von Wasser an dieser Stelle erzwingen. Somit wird Niederschlagswasser vor dem Bogenfußpunkt gezielt abgeleitet und kann nicht zu Feuchtestellen und Schmutzfahnen an der Widerlageransicht führen.
Herstellung unter Verkehr – Beitrag zur Reduzierung staubedingter volkswirtschaftlicher Kosten aufgrund von Baustellen
Ein weiterer wesentlicher Planungsbestandteil ist die Berücksichtigung der verkehrlichen Randbedingungen durch die BAB und somit die Planung eines Bauverfahrens, welches unter Verkehr mit nur äußerst geringen Sperrungen auskommt. Hierfür eignet sich das geplante Stahlverbundtragwerk in hervorragender Weise.
Die einzelnen Stahlschüsse werden im Werk gefertigt und auf die Baustelle geliefert. Dort wurden sie auf einer seitlichen Montagefläche zusammengeschweißt und somit das Gerippe aus Längsträgern, Bögen und Querträgern erstellt. Parallel hierzu können die Gründung und die aufgehenden Widerlager hergestellt werden. Im Bereich der Widerlager sind verschiedene Betonierabschnitte vorgesehen, um die Einspannung zu realisieren. Im ersten Betonierabschnitt werden Einbauteile vorgesehen, mit welchen die Längsträger und Bögenenden verschlossert werden. Der Einfahrvorgang erfolgte nachts mit Hilfe von Schwerlastwägen. Diese nehmen das Stahlgerippe mit Hilfstürmen in Endhöhenlage auf und fahren es in der nächtlichen Sperrung in die Endlage. Dort werden die Enden entsprechend mit den Einbauteilen verbunden und anschließend können die Schwerlastwägen lastfrei gesetzt und wieder ausgefahren werden. Sie liegen jedoch schon außerhalb des Lichtraumprofils, sodass diese Arbeiten unabhängig von der Sperrung erfolgen können. Anschließend wurden die Einspannbereiche der Widerlager bewehrt und betoniert. Auf den Quer- und Längsträgern des Überbaus wurden die Fertigteile aufgelegt und so konnte ohne zusätzliche Schalung oder aufwendiges Gerüst die Herstellung der Fahrbahnplatte und abschließend der Brückenausbau erfolgen.
Das komplexe Bauwerk konnte in einer Nettobauzeit von nur 13 Monaten erfolgreich realisiert werden. Die Auswirkungen auf den Verkehr der BAB wurden so minimiert, dass auch die staubedingten volkswirtschaftlichen Kosten reduziert werden konnten.
Laudatio
Die besondere Qualität der Bogenfachwerkbrücke am AK Fürth/Erlangen BW 380f offenbart sich in der Konsequenz ihrer Planung und Detailausführung. Durch die geschickte Verknüpfung von Bogen- und Fachwerkbrücke konnte den Anforderungen nach einer stützenfreien Überspannung von ca. 70 m ebenso Rechnung getragen werden wie einer möglichst geringen Bauhöhe. Den Einsatz moderner Berechnungsmethoden zur Optimierung des Tragwerks würdigte die Jury ebenso wie die gestalterische Details und Aspekte der Nachhaltigkeit.