Text von Andreas Meck, Axel Frühauf

Anlass und Ort

Das Kirchenzentrum Seliger Pater Rupert Mayer befindet sich in der nordöstlich von München gelegenen Gemeinde Poing im Ortsteil Bergfeld, der seit den 1980er Jahren durch die Kommune zum neuen Ortszentrum entwickelt wird, um dem stetigen Zuwachs aus der Großregion Münchens gerecht zu werden.
Das neue Kirchenzentrum besetzt dabei eine städtebaulich wichtige Stelle in unmittelbarer Nähe zu Bürgerhaus, geplantem Rathausstandort und evangelischer Kirche. Die neue Ortsmitte ist Bindeglied zwischen dem neuen nördlichen und dem alten südlichen Ortsteil. Sie bildet den Auftakt eines nach Nordwesten verlaufenden großen Grünzuges mit einem naturnah gestalteten Weiher in unmittelbarer Nähe des Grundstücks.

Kirche als Schlussstein

Die neue Kirche ordnet mit ihrer skulpturalen Form wie ein Schlussstein die städtebaulich äußerst sensible Situation an der Schnittstelle zwischen Grünzug und Ort. Der Entwurf greift dabei die unterschiedlichen Wegebeziehungen zwischen Landschaft und Stadt auf und führt sie auf dem Kirchplatz zusammen, der sich als öffentlicher Ort einladend zum Straßenraum präsentiert.

Kirche als Skulptur

Als Solitär konzipiert, entfaltet die neue Kirche mit ihrer differenzierten Dachlandschaft skulpturale Kraft. Durch Form und Höhe dominiert sie die städtebauliche Situation und wird zum identifizierbaren Zeichen für Poing. Glockenträger und Pfarrhaus ordnen sich in ihrer Höhenentwicklung unter und bilden die Raumkanten für den Kirchplatz und damit den Rahmen für die Kirche. Bedauerlicherweise ist die Realisierung des Pfarrhauses, die für die Vervollständigung des Gesamtensembles und die Einbindung des bestehenden Pfarrheims unabdingbar ist, vorerst zurückgestellt.

Aus der Planung

Raum – Immanenz und Transzendenz

Der Kirchenraum präsentiert sich offen zu Pfarrheim und Kirchplatz. Betritt der Besucher den leicht zum Altar abfallenden Kirchenraum, so öffnet sich nach dem niedrigen Eingangsbereich ein in seiner Haltung barock anmutender, zum Himmel strebender Raum aus Licht. In Analogie zur Dreifaltigkeit prägen drei große Lichtöffnungen den Raum und unterstützen durch ihre jeweilige Lichtführung die liturgischen Orte und Handlungen: Das Licht der vertikalen Zenitöffnung über dem höchsten Punkt der Kirche trifft auf Altar und Tabernakel und unterstreicht deren Bedeutung. Ein Seitenlicht betont den Ort der Taufe. Das Morgenlicht der dritten Öffnung füllt zusammen mit der Musik den Raum und fällt auf den Altar. Eine besondere Behandlung der Wandoberflächen und diffus gestreutes Licht führen zu einer Raumatmosphäre der Transzendenz.

Getragen wird die Kirche im Inneren im konstruktiven wie im übertragenen Sinne durch ein Raumkreuz, das sich als kraftvolles Bild dem Besucher in Form des Dachfaltwerkes offenbart. Die dadurch mehrgestaltige Raumschale schafft unterschiedliche Orte der Andacht, sowohl für kleine als auch für größere Gruppen von Gläubigen. Die Differenzierung zwischen der weißen Raumkrone und dem steinernen Boden und Wandsockel thematisiert die Vorstellung von Himmel und Erde, von Transzendenz und Immanenz, in deren Spannungsfeld der Kirchenraum verortet ist. Die Anordnung der liturgischen Orte und des Gestühls ist durch den Geist der Communio und die Choreographie der liturgischen Handlungen geprägt. Die Bänke sind in Blöcken rund um die liturgische Mitte der Altarinsel gruppiert. Das Patrozinium Seliger Pater Rupert Mayer, gestaltet vom Künstler Jerry Zeniuk im Dialog mit der Marienandacht, ist an der Schnittstelle von Innen und Außen platziert – im Inneren der Andacht zugewandt, aber auch von außen wahrnehmbar. Auf den See gerichtet, wird der Ort der Taufe nicht nur in Beziehung zum Wasser gesetzt, sondern artikuliert darüber hinaus die Taufe als Aufnahme in die kirchliche Glaubensgemeinschaft.

Lebendige Fassade

Die Basis der Kirche ist als massiver Sockel aus Nagelfluh – dem typischen Konglomeratstein der oberbayerischen Schotterebene – gemauert und wächst gleichsam aus dem Boden. Darüber erhebt sich als prägendes und identifizierbares Zeichen der neuen Pfarrkirche die bewegte, mit weißen Keramikkacheln bekleidete Dachlandschaft. Die besondere plastische Gestaltung der Keramikkacheln ist dem Lichtraumprofil des Kirchenraumes entlehnt und erzeugt mit ihrer stark differenzierten Geometrie eine mannigfache Lichtbrechung. Mit dem Licht spielend wird die Dachlandschaft so zur kristallinen ‚Stadtkrone’ der Gemeinde Poing. Ganz oben auf einem sphärischen, vergoldeten Dachkreuz blickt ein Hahn nach Osten. Ein seit früher Zeit vertrautes Bild: Mit dem Morgen richtet sich der Blick auf Christus, die aufgehende Sonne.
Eine Kirche der Nähe und Begegnung: begreifbar, offen, einladend, präsent und weithin sichtbar.

Text von Haushofer Ingenieure

Tragwerk

Das neue Kirchenhaus besitzt einen quadratischen Grundriss mit den größten Abmessungen von ca. 28,10 x 28,10 m (Rohbaumaße). Die max. Höhe über Gelände des Gebäudes misst ca. 28 m. Stark geprägt wird der Baukörper durch seine Dachform, die das Bild eines Kristalls widerspiegelt. Die drei aus der Dachfläche aufsteigenden pyramidenstumpfartigen Dachflächen bringen mit ihren Öffnungen in unterschiedliche Höhe Licht in den Innenraum der Kirche. Die Dachflächen werden mit Kacheln belegt. Die Gestaltung der Außenflächen wird geprägt durch ein 4 m hohes Sockelgeschoss mit Natursteinverkleidung, welches sich mit einem in Teilbereichen verlaufenden Sichtbetonbandes von den aufgehenden und ebenfalls mit Kacheln bekleideten weiteren Wandflächen absetzt.

Der von seiner Gestaltung her sehr kompakte Baukörper kann übergeordnet in drei Konstruktionseinheiten aufgegliedert werden.

Der Lastabtrag des Kirchenbauwerks erfolgt grundsätzlich über die Außenwände, welche auf umlaufende Stahlbeton-Fundamentbalken aufgebaut werden. Die Stahlbeton-Bodenplatte mit ihrer Stärke von 25 cm ist als nicht tragendes Bauteil unabhängig von der Konstruktion des Gebäudes.

Das Kernstück für die gesamte Gebäudeaussteifung bildet die Außenwandkonstruktion. Diese stellt sich als zweischalige Wandkonstruktion mit einer Spreizung von ca. 1,5 – 2,2 m dar. Die zweischalige Wandkonstruktion besteht im äußeren Bereich aus der umlaufenden, im Quadrat der Kirchengeometrie angeordneten 35 cm starken Wand, und im Inneren aus der dem Kirchenraum folgenden (aus akustischen Gründen leicht abgewinkelten) Innenwandschale mit einer Stärke von 30 cm. Die innere und äußere Schale werden über Geschossdecken und senkrechten Wandschotten miteinander verbunden. Damit entsteht sowohl ein vertikal als auch horizontal biegesteifes Tragsystem, welches unabhängig von der Dachkonstruktion für sich standsicher ist. Für den Lastabtrag der Dachkonstruktion werden zusätzlich horizontal liegende Abfangträger in Stahlverbundbauweise eingebaut. Diese Verbundträger wurden im Zuge des Wandaufbaus bereits mit eingebaut und stellen nach Fertigstellung der Wandkonstruktion, gemeinsam mit den Wänden, die Auflagerpunkte für die Stahlkonstruktion des Dachtragwerks dar.

Die Stahlkonstruktion der geneigten Dachflächen über dem Kirchenraum bildet die dritte Konstruktionseinheit des kompakten Baukörpers. Auf die bzw. an die vorbeschriebene Stahlbeton-Konstruktion wird ein Stahlgerüst aufgebaut. Dieses Stahlgerüst wird in seiner Geometrie, ähnlich wie bei einem Holzdachstuhl, mit Sparren, Pfetten, Grat- und Kehlsparren konstruiert. Der Lastabtrag erfolgt über die Außenwände und auf dem Abfangkreuz aus Stahlverbundträgern. Die „Stahlsparren“ werden mit 14 cm starken Leichtbetonplatten (Rohdichteklasse 1,4) belegt. Auf diese Dachplatten wird dann der weitere Dachaufbau mit Abdichtung, Wärmedämmung und der Dacheindeckung mit Kacheln aufgebaut. Die Dachplatten sind nicht monolithisch miteinander verbunden, sondern erhalten untereinander Dehnfugen.

Ausführung Stahlbau und Verbundbau: Göttler Stahlbau GmbH