Text von Bernd Mühl
1. Allgemeine Beschreibung
In München, im Herzen des Olympiaparks, entsteht die neue multifunktionale Sportarena SAP Garden München, die neue Heimat der Bullen des EHC München und den FC Bayern Basketball.
Die Planung des SAP Garden München basiert auf der Idee einer organisch-architektonischen geprägten Landschaft im Olympiapark, welche von Günther Behnisch und Frei Otto geschaffen wurde. Durch die asymmetrische Formgebung reiht sich die neue Sportarena harmonisch in das vorhandene Gebäudeensemble ein. Gleichzeitig etabliert das Gebäude neue öffentliche Bereiche, in denen sich die Besucher entfalten und die Natur genießen können.
Grundsätzlich gliedert sich das Projekt in zwei funktional unterschiedliche Abschnitte, den unterirdischen Trainingshallen und der Arena, auch Bowl genannt. Das Training der Bullen wird zukünftig auf den drei von der Oberfläche unsichtbaren Eisflächen stattfinden. In der Arena (Bowl), dem Herzstück des SAP Gardens, werden sowohl der EHC München als auch der FC Bayern Basketball den Zuschauern ein erstklassiges und der neuen Heimstätte würdiges Sporterlebnis bieten.
Das Design der neuen Sportarena basiert auf folgenden Entwurfsprinzipien:
- Bewegung in der Landschaft: Dem ursprünglichen Zweck des Olympiaparks folgend entsteht eine neue moderne Sportanlage sowohl für den Innen- als auch für den Außenbereich.
- Der Hügel: Ein künstlicher Hügel bedeckt die drei westlichen Trainingsfelder und erweitert den Park um neue Grünflächen.
- Landschaftsform statt Architektur: Die Gestaltung der Arena folgt den Organisationsprinzipien der anderen Gebäude im Park. Das schlichte Design des Gebäudes fügt dem Park keine störenden Objekte hinzu.
2. Ein architektonisches Highlight
Mit ihrer geschwungenen fast schon organischen Form ist die Fassade des SAP Garden in München ein architektonisches Highlight, welches die neue Arena im Olympiapark prägt. Die Fassade ist nicht nur ästhetisch ansprechend, sondern auch funktional. Sie dient als Sonnenschutz, Lärmschutz und Brandschutz.
Bestehend aus 260 vertikal angeordneten Aluminiumlisenen wird eine dynamische und elegante Struktur geschaffen. Diese komplexe und geschwungene Fassadenstruktur wird durch nur 14 unterschiedliche Lisenentypen ermöglicht. Die Fassade ist ein wichtiger Bestandteil des Gesamtkonzepts der Halle, das vom dänischen Architekturbüro 3XN entworfen wurde.
Das Dach des SAP Garden München ist nicht nur ein beeindruckendes architektonisches, sondern auch ein funktionales Element. Es wird Schutz vor Witterung und Lärm bieten und die Beleuchtungs-und Beschallungssysteme der Arena unterstützen. Außerdem bietet die in das Gründach integrierte Terrasse einen sensationellen Ausblick über den Olympiapark.
3. Das Stahltragwerk
Die Trainingshallen sind unterirdisch angeordnet und dreiseitig von Erdreich umgeben, wobei die Erddrucklasten von der Stahlbetonkonstruktion aufgenommen werden. Umlaufende Außenwände und zwei Innenwände aus Stahlbeton bilden die Auflager für das Stahldach.
An der Ostseite (Anschlussbereich zur Arena) wurde ein gebogener Fachwerkträger angeordnet, welcher die Auflagerlasten der an ihn anschließenden Hauptfachwerke sammelt und in die östlichen bzw. inneren Stahlbetonwände weiterleitet.
Die Primärkonstruktion des Stahldaches besteht aus ebenen Hauptfachwerken in Nord-Südrichtung. Die Hauptfachwerke überspannen die Trainingshalle als Einfeldträger über jedes Schiff. Über den zwei Innenwänden wurden die Fachwerkobergurte gelenkig miteinander verbunden. Die Fachwerke lagern vertikal auf den Stahlbetonwänden der Nord- und Südseite, sowie auf den Innenwänden.
Zum Ausgleich von unterschiedlichen Verformungen einzelner – unterschiedlich hoher – Hauptfachwerke wurden Sekundärfachwerke in Längsrichtung der Trainingshallen angeordnet. Die Sekundärfachwerke lagern an der westlichen Wand, um die Durchbiegungen der – dort sehr niedrigen – Hauptfachwerke zu verringern (Trägerrostwirkung).
Die Obergurte der Fachwerke passen sich dem Verlauf der Hügellandschaft an. Die Untergurtebene aller Fachwerke ist horizontal ausgebildet. Die Dachverbände zur Abtragung der Horizontal- und Stabilisierungslasten wurden in der Untergurtebene angeordnet.
Die Auflager der Nord- und Südseite wurden in der Mehrzahl verschieblich ausgebildet, um eine möglichst zwängungsfreie Lagerung des Stahltragwerkes zu gewährleisten. Jeweils ein Auflager pro Wand wurde in Wandrichtung unverschieblich ausgebildet.
Die Stahlbetoninnenwände werden kopfseitig über die Stahlkonstruktion gehalten. Die horizontalen Steifigkeiten der Auflagerpunkte (Federn) waren entsprechend dem Verformungsverhalten der Stahlbetoninnenwände zu bestimmen.
Die Auflagerpunkte der Sekundärfachwerke auf der Westwand bzw. des gebogenen Fachwerkes an der Ostwand wurden in der Regel ebenfalls allseits verschieblich ausgebildet. Nur ein Auflager auf der Westwand und zwei Auflager an der Ostwand wurden zur Abtragung von Horizontallasten in Wandrichtung unverschieblich ausgebildet.
Die Stahldachkonstruktion ist somit beinahe zwängungsfrei („schwimmend“) auf den Stahlbetonwänden gelagert. An den Auflagern der Fachwerke wurden in der Regel Kalottenlager angeordnet.
Das Dach der Bowl
Das Haupttragwerk besteht aus Hauptfachwerken in Nord-Süd-Richtung und zusätzlichen vier Längsfachwerken in Ost-West-Richtung, welche die Differenzverformungen der Fachwerke ausgleichen. Die mittleren zwei Längsfachwerke bilden zusammen mit den Verbänden der Ober- und Untergurtebene eine torsionssteife Röhre, was den Ausgleich von Differenzverformungen begünstigt.
Die Spannweiten der Hauptfachwerke betragen bis zu ca. 87m. Die Längsfachwerke schließen an die Knoten der Hauptfachwerke an und stabilisieren deren Obergurte. Zur Ableitung von Horizontallasten wurden Aussteifungsverbände sowohl in der Untergurt- als auch Obergurtebene angeordnet.
Die Gurte der Hauptfachwerke wurden um 90° gedreht und aus S460 ausgeführt. Daraus resultierten einerseits eine günstigere Knickspannungslinie und andererseits eine starke Verkürzung der Knicklänge der Gurte um die schwache Achse. Vertikale und Diagonale wurden mittels Doppel-U-Profilen mit Bindeblechen ausgeführt.
Die Lagerung des Dachtragwerkes erfolgt nahezu zwängungsfrei, indem einzelne Kalottenlager horizontal gehalten sind. Der größte Teil der Kalottenlager wurde horizontal verschieblich ausgebildet oder Pendelstützen angeordnet.
Die Obergurte der Fachwerke folgen der doppelt gekrümmten Dachform, die Untergurte liegen in der Regel in einer Ebene. Die Dacheindeckung der Bowl erfolgt auf Pfetten, die auf den Hauptfachwerken lagern. Um einen ebenen Verlauf der Trapezblecheindeckung sicher zu stellen, wurden die Pfetten in der Grundrissebene schräg verlaufend angeordnet.
An das Haupttragwerk schließen umlaufende Zubauten bis an die Gebäudeaußenkante an. Die Zubauten bestehen in der Regel aus Dreigelenkrahmen, die über Dachverbände mit der Dachscheibe des Haupttragwerkes verbunden sind. Im Nord-Osten wurde eine abgesenkte Terrassenkonstruktion in die Hauptdachkonstruktion mit entsprechend geringen Fachwerkhöhen integriert.
Um die verformungssensitive Fassade mit dem Dachtragwerk zu verbinden, wurde eine umlaufende Fassadenunterkonstruktion mittels Fachwerkrahmen entwickelt, die in tangentialer Richtung vom Dachtragwerk entkoppelt wurde.
In radialer Richtung wurde ein Erdauflastaufbringkonzept entwickelt, dass die max. zulässigen Radialverformungen für die Fassadenkonstruktion sowie Schwinden und Kriechen der Stahlbetonkonstruktionen berücksichtigte.
Die Montage des Dachtragwerkes erfolgte nach einem genau festgelegten Konzept, um die Stabilität – des zu diesem Zeitpunkt noch nicht als steife Dachscheibe ausgebildeten – Tragwerkes zu gewährleisten.
Auch in der Bowl des SAP Garden München sind herausfordernde Punkte hervorzuheben:
- die gut gelöste Schnittstelle zwischen vielen Fachplanern und ausführenden Unternehmen.
- die große freie Spannweite bei gleichzeitig hohen Aufbaulasten, die zu entsprechend sorgfältig zu konstruierenden Anschluss- und Fugendetails führte.
- die Trägerrostwirkung aus Hauptfachwerken und Längsfachwerken
- ein sorgfältig abgestimmtes Montagekonzept.
Laudatio der Jury
Die multifunktionale Sportarena SAP Garden ist ein bemerkenswertes und zukunftsweisendes Bauprojekt im Herzen des Olympiaparks in München, das die Herzen vieler Sport- und Kulturbegeisterter nachhaltig prägen wird. Dieses herausragende Werk der Architektur und Tragwerksplanung, insbesondere im Bereich des Stahlbaus, setzt neue Maßstäbe in Design, Funktionalität und Innovation.
Der SAP Garden steht als Sinnbild moderner Eleganz und innovativer Gestaltung. Die Gestaltung der Arena fügt sich harmonisch in die organisch-architektonisch geprägte Landschaft des historischen Olympiaparks ein und besticht gleichzeitig durch ihre zeitgenössische Formensprache. Die dynamische Fassade des Gebäudes, bestehend aus geschwungenen, transparenten und lichtdurchlässigen Elementen, verleiht dem SAP Garden eine unverwechselbare Identität. Diese architektonische Meisterleistung spiegelt den fließenden Übergang zwischen Innen- und Außenraum wider und schafft ein einladendes Ambiente für alle Besucher.
Ein besonderes Augenmerk verdient die beeindruckende Tragwerksplanung dieses Projekts, bei der der Stahlbau eine zentrale Rolle spielt. Der Einsatz von Stahl als primäres Baumaterial ermöglicht nicht nur eine außergewöhnliche Stabilität und Langlebigkeit, sondern auch eine architektonische Flexibilität. Die komplexe Struktur des begrünten Daches, getragen von einer filigranen Stahlkonstruktion, überspannt große Flächen ohne störende Stützen. Diese ingenieurtechnische Meisterleistung schafft weite, offene Räume, die den multifunktionalen Charakter der Arena unterstreichen.
Der SAP Garden ist nicht nur ein architektonisches und technisches Meisterwerk, sondern setzt auch Maßstäbe in Sachen Nachhaltigkeit. Intelligente Gebäudetechnologien und innovative digitale Lösungen von SAP tragen dazu bei, den Energieverbrauch zu optimieren und das Besuchererlebnis zu maximieren.
Der SAP Garden wird zweifellos zu einem neuen Wahrzeichen Münchens und zu einem bedeutenden kulturellen und sportlichen Zentrum werden. Er bietet nicht nur den Teams des EHC Red Bull München und des FC Bayern Basketball eine erstklassige Heimat, sondern auch eine vielseitige Plattform für Konzerte, Veranstaltungen und internationale Wettkämpfe.
In der Kombination aus visionärer Architektur, meisterhafter Tragwerksplanung und einem klaren Bekenntnis zur Nachhaltigkeit zeigt der SAP Garden eindrucksvoll, was durch die Zusammenarbeit von Architektur und Ingenieurskunst möglich ist.