Text von Auer Weber Assoziierte

Es erstaunt nicht, dass die Nobelpreisträger dieser Welt immer wieder gerne nach Lindau kommen, um sich mit Nachwuchswissenschaftlern ihrer Fachgebiete auszutauschen – bietet doch das idyllische Inselstädtchen im Bodensee einen einzigartigen Rahmen für ihre alljährlichen Tagungen. Diese renommierte Konferenz ist sicherlich die prominenteste, die das Flair der Lindauer Insel schätzt. Da die Inselhalle in die Jahre gekommen war und keine zeitgemäßen Tagungsbedingungen mehr bot, wurde ein Architekturwettbewerb zur Sanierung und Erweiterung des Tagungshauses ausgelobt, den Auer Weber für sich entscheiden konnten.

Städtebaulicher Ansatz

Die Aufgabenstellung bot die einzigartige Chance, die Halle neu auszurichten und den Eingang von der beengten Situation an der Zwanzigerstraße zu verlagern, hin zu einem neuen Vorplatz, der sich auf der Hallenostseite zwischen Straße und Seepromenade erstreckt. Auf der gegenüberliegenden Platzseite wurde das Inselhallen- Parkhaus geplant (2017 fertiggestellt), das, ebenso wie die integrierte Feuerwache und die Bootsanliegerräume, Teil der Wettbewerbsaufgabe war. Der neu geschaffene Platz bildet das Entrée der neuen Inselhalle und zugleich den nördlichen Auftakt einer Abfolge von Plätzen, die durch die Lindauer Altstadt nach Süden und bis zum historischen Hafen führt.

Architektonisches Konzept

Wettbewerbsaufgabe war es, den bestehenden Saal-Kern zu erhalten und ihn mit neuen Nutzungen zu ergänzen. Unser Konzept sah vor, den Saal durch seine prägnante Dachform, die einem Pyramidenstumpf ähnelt, außen klar ablesbar zu machen, ihm aber in der Dachaufsicht einen „kleinen Bruder“ hinzuzufügen, der das neue Foyer akzentuiert. Alle umgebenden Gebäudeteile wurden mittels polygonal gefalteter Dachflächen an diese beiden Hochpunkte angebunden, so dass im Ergebnis eine skulpturale Gesamtfigur entsteht, die die Inselhalle als architektonische Einheit im Stadtbild präsentiert. Klar definierte Einschnitte und Einstülpungen im Fassadenbereich betonen die wesentlichen Gebäudeorientierungen und Zugänge, insbesondere den neuen Haupteingang, den man vom Vorplatz aus betritt.

Aus der Planung

Dach und Fassade – Materialität

Eine einheitliche metallische Hülle unterstreicht die skulpturale Qualität des Baukörpers und die Zusammengehörigkeit der beiden Stadtbausteine: Inselhalle und Parkhaus. Die Fassaden beider Gebäude sind mit beschichteten Aluminiumblechen bzw. -bahnen bekleidet, das Dach der Inselhalle damit eingedeckt. Der kupferfarbene Ton der Hülle gibt dem neuen Haus ein edles, warmes Erscheinungsbild und bindet es gleichzeitig in das Ensemble der Lindauer Altstadt mit seiner von Ziegeltönen geprägten Dachlandschaft ein. Die gekanteten Aluminiumprofiltafeln überziehen die Fassadenflächen mit einer unregelmäßigen vertikalen Lineatur, die den Oberflächen ein homogenes aber zugleich lebendiges Erscheinungsbild verleiht. Integrierte Verglasungen schließen mit dem Körper flächig ab und selbst die Vogelschutzbedruckung der Glasflächen bindet sich in die vertikale Struktur der Profiltafeln ein. Im Kontrast zum skulpturalen Hallenbaukörper sind Rampen und Treppenaufgänge sowie der Sockel der Seeterrasse in Sichtbeton ausgeführt und formulieren so den Übergang zu den Bodenbelägen im Außenbereich sowie zu den Sockelzonen des Parkhauses.

Erweiterung der Inselhalle – Innenraumkonzept

Die Sanierung und Erweiterung wurde auch dafür genutzt, Funktionen und innere Erschließungen grundlegend neu zu organisieren.
Eine neue großzügige Foyerfläche, über die der Hauptzugang zum großen Saal erfolgt, bildet den Schwerpunkt der Inselhallenerweiterung. Die neuen Konferenzräume, die zum großen Teil ans Foyer angebunden sind, ermöglichen durch mobile Wände unterschiedliche Raumkonstellationen und somit vielzählige Nutzungsvarianten. Auch im Sockelgeschoss ist diese Flexibilität gegeben: die dort über ein Subfoyer angeschlossene Veranstaltungszone kann als Konferenzbereich mit zwei Räumen, als zusammenhängender Bankettbereich mit knapp 600 Sitzplätzen oder als großzügiger Bar- und Lounge-Bereich genutzt werden. Ein vorgelagerter, terrassierter Lichthof versorgt den Innenraum großzügig mit Tageslicht und eröffnet den Blick zur Seepromenade. Noch stärker ist der Außenbezug in den Foyerflächen des Erdgeschosses: dort ist das Seepanorama dank vollflächiger Verglasungen bis tief ins Gebäudeinnere erlebbar. Eine besondere Funktion nimmt das Seefoyer ein, das dem großen Saal nach Norden vorgelagert ist. Es erschließt ergänzend den großen Saal sowie das neue Inselhallenrestaurant, kann aber auch als eigenständiger Raum für spezielle Anlässe genutzt werden. Über große Fassadenöffnungen und eine repräsentative Freitreppe bindet es zudem direkt die Seepromenade an.

Sanierung Saal und Nebenflächen

Da der bestehende große Saal in seiner ursprünglichen gestalterischen und funktionalen Qualität erhalten werden sollte, beschränkten sich die baulichen Eingriffe hier im Wesentlichen darauf, ihn an die neuen Zugangssituationen anzupassen sowie die Beleuchtung und die Saaltechnik zu optimieren. Da der bestehende große Saal in seiner ursprünglichen gestalterischen und funktionalen Qualität erhalten werden sollte, beschränkten sich die baulichen Eingriffe im Wesentlichen darauf, ihn an die neuen Zugangssituationen anzupassen sowie die Beleuchtung und die Saaltechnik zu optimieren. Die bestehenden Oberflächen wurden soweit erfordert überarbeitet und neue Zugangstüren in die bestehende Vertäfelung eingefügt. Die Außenfassade zur Seepromenade wurde komplett entfernt und durch eine neue Holz-Glaskonstruktion als Innenfassade ersetzt. Zuletzt erwies sich auch die Erneuerung von Teilen der Saaldecke sowie der Mobilwandanlage als technisch notwendig. Auch die erhaltenen Kellerräumlichkeiten wurden grundlegend saniert, die ehemalige Tiefgarage zu Lager- und Technikflächen umgenutzt. Die energetische Sanierung des Hauses betraf primär das Saaldach und die bestehenden Kelleraußenwände. Alle weiteren Gebäudehüllflächen wurden mit den Neubauteilen ersetzt und somit energetisch optimiert.

Konstruktion

Mit Ausnahme der Dachkonstruktion der Inselhalle wurden alle Neubaumaßnahmen in massiver Stahlbetonbauweise ausgeführt. Die Stahlfachwerkträger überspannen die Dachkonstruktion im Bereich des Hauptfoyers stützenfrei. Die Stahlwalzprofile der übrigen Dachbereiche zeichnen die oberseitig gefaltete Dachform nach, wohingegen Flachdecken in Ortbetonbauweise die Geschoßdecken bilden.

Innenräume – Materialität

Im Bereich des Windfangs und Tagungsbüros zieht sich die Materialität der Blechfassade ins Innere hinein und führt somit den Besucher in das Haus. Heller Terrazzoboden sowie weiße Abhangdecken sorgen sowohl in den Foyerflächen und den angrenzenden Konferenzbereichen als auch im Restaurant für eine helle Grundatmosphäre. Ein „Ring“ um den bestehenden Saal bietet Raum für Sonderfunktionen wie Bar, Sanitärräume und Künstlergarderoben. Diese Arrondierung des Saals hebt sich durch ihre dunkle, fast schwarz matte Oberfläche stark von der Grundhaltung der neuen Bereiche ab. Ihre Innenflächen wiederum sind mit einem metallischen
Anstrich versehen, der die Materialität der Fassade spiegelt. Der bestehende Saal durchbricht Richtung Foyer und Seefoyer diese mattschwarze Umfassung: Furnieroberflächen in heller Eiche und gro.zügige holzgerahmte Verglasungen tragen die Materialität des bestehenden Saales ins Foyer und kennzeichnen so die Saalzugänge. Der Saal selbst bleibt hingegen in seiner relativ dunklen, hölzernen Materialität und seiner feierlichen Ausstrahlung erhalten; er bildet so den bewusst gesetzten Kontrast zu den lichtdurchfluteten Foyer- und Konferenzflächen. Die vormals hell-dunkel gefasste Saaldecke wird farblich neugefasst und verstärkt so diesen Effekt zusätzlich. Die einheitlich dunkle Farbgebung bietet einen ruhigen Hintergrund für die neuen Ringleuchten und lässt abgehängte Saaltechnik optisch verschwinden. Auch Bühnenvorhänge, Verdunklungsanlagen und Saalbestuhlung integrieren sich mit ihren dunklen Textiloberflächen in den farblichen Zweiklang des neuen Saales, der an das Innenleben eines Streichinstrumentes erinnert. In der Gesamtbetrachtung der Halle wird deutlich: Das bewusste Beschränken auf die Nichtfarben Schwarz, Weiß und Grau sowie zwei ergänzende Materialoberflächen – das von den Altstadtdächern abgeleitete Kupfer und die vom Saal übernommene Eiche – macht die neue Inselhalle als architektonische Einheit erlebbar. Diese Farbtöne kamen unter anderem auch beim Schleifen des Terrazzobodens, der mit Bodenseekies gefertigt wurde, zufällig zum Vorschein; sie bestätigten so das bereits vorher festgelegte Farbkonzept.

Signalethik

Die integrierte Signaletik trägt maßgeblich zur Wahrnehmung des Gebäudes bei. Das Vorarlberger Büro Sägenvier gestaltete sie übergreifend für das Ensemble aus Inselhalle und Parkhaus. Kennzeichnend sind das spielerische Umgang mit der Aufgabe und die respektvolle Einbindung in das architektonische Konzept, wie beispielsweise die von der Dachgeometrie abgeleitete, neu entwickelte Typographie. Besonders gewürdigt werden hierbei die bislang in Lindau vertretenen Nobelpreisträger, die in den schrägen Laibungsflächen des großen Foyer-Oberlichtes verewigt sind. Die neue Inselhalle stellt sicher, dass diese Liste fortgeschrieben werden kann. Die Flächen des Oberlichtes jedenfalls bieten hier Raum für viele weitere Jahrzehnte.